Am 3. März wurde im Hebbel am Ufer Theater in Berlin zum ersten Mal der Negativpreis „Goldener Zaunpfahl“ für das absurdeste Gendermarketing verliehen. Die Idee dafür kam mir am 17. Juli 2016, als Almut Schnerring und Sascha Verlan (die Autor*innen der Rosa-Hellblau-Falle) mal wieder ein besonders gruseliges Beispiel für Gendermarketing twitterten (es handelte sich um rosa und hellblau gelabeltes WASSER). Ich reagierte darauf mit dem Vorschlag, über einen Preis für bescheuertes Gendern nachzudenken:
Das mit dem Nachdenken dauerte nicht lange, kurz darauf meldete sich Almut bei mir und so wurde die Idee in die Tat umgesetzt. Im Herbst gab es einen Aufruf, Nominierungen einzureichen. Mehr als 50 gruselige Beispiele wurden mit Bild vorgeschlagen. HIER kann man die Sammlung des Schreckens bewundern. Darunter so sinnlose Dinge, wie Batterien für Mädchen, knackig-liebliche Gurken für Madl und knackig-kräftige für Buben, rosa Klebestifte, Superhelden Shampoo mit Superman drauf versus Zauber-Sauber Shampoo mit großäugiger Lady auf der Packung, eine Damen-Gartenschere („ideal auch für kleinere Hände“), ein Werkzeugkoffer, sorry, es heißt „Heimwerker-Beautycase“ für die „Tussi on Tour“ (steht da so!) mit rosafarbenem Werkzeug drin, Ladies Chips (mit Yoghurt) und Männer Chips (mit BBQ Geschmack)… wer sich durch alle Einreichungen scrollt, kriegt die Krise, die Genderkrise, sozusagen.
Aus den zahlreichen Vorschlägen hat die Jury, bestehend aus: Ferda Ataman, Daniel Bröckerhoff, Nora Gomringer, Petra Lucht, Margarete Stokowski, Tarik Tesfu, und mir selbst die Top 5 Kandidaten für den Goldenen Zaunpfahl nominiert. An erster Stelle steht der letztliche Gewinner des Goldenen Zaunpfahls.
Der Gewinner des Goldenen Zaunpfahls 2017 ist…. PONS GmbH!
GOLDENER ZAUNPFAHL 2017: für Leselerngeschichten – getrennt für Jungs und Mädchen, von PONS GmbH – Klett Lesetraining
Quelle: Jungsbuch, Mädchenbuch
Dazu schreibt unser Jurymitglied Petra Lucht:
Bildungsmaterialien sollen einen Unterricht in der Schule befördern, der frei von Diskriminierungen ist. Für Jungen wird eine abenteuerliche Welt des Erwachsenseins (Polizist, Weltraum und Piraten) entworfen. Natur und Gesellschaft müssen und können einerseits erobert werden. Andererseits sorgt ein Polizist für Ordnung. Auf dem Cover des Lesebuchs „für Mädchen“ wird eine verniedlichte Umwelt entworfen, erwachsene Frauen sind nicht zu sehen. Das abgebildete Mädchen könnte zumindest ebenfalls in abenteuerlicher Szenerie oder im Wettkampf dargestellt werden. Beide Cover bilden zudem keine pluralistische Gesellschaft ab. Stattdessen werden Kinder und Erwachsene in jeweils stereotypen Lebenswelten gezeigt.
Ein Mädchen umgeben von 5 Tieren, ein paar Mohrrüben und einem Mixer versus – nein, kein Junge, sondern erwachsene Seeräuber, Polizist und Räuber, plus ein Hund und ein Alien. Nunja. Im Inneren sind die Bücher keineswegs weniger stereotyp. In der Laudatio wurde darauf hingewiesen, dass nur in einer Geschichte des „Jungsbuchs“ weibliche Gestalten überhaupt vorkommen – als Opfer (entführte Oma) und als ängstliche Enkelin. Im Mädchenbuch kommen natürlich Jungs auch in tragenderen Rollen vor und die Geschichten sind so stereotyp, wie es nur geht, in beiden Büchern, das kann man sogar der Ankündigung auf der Verlagsseite entnehmen: Piraten KÄMPFEN, der Polizist ist CLEVER, die Prinzessinnen dürfen FRECH sein, denn sie backen (!) heimlich (!) und gründen einen unsichtbaren Pony-Club (seufz).
Übrigens wollte der Klett Verlag keineswegs mit dem Goldenen Zaunpfahl assoziiert werden, schrieb emails und rief mehrfach an, damit auch ja überall korrekt steht, dass der Herausgeber nicht der Klett-Verlag ist sondern „PONS GmbH – Klett Lerntraining“, es seien ja auch keineswegs Schulbücher sondern Nachmittagsbücher. Okay. Warum dann fett das „Klett“ Logo auf den Büchern prangt und „Lesen lernen mit dem Schulbuchprofi“ auf dem Cover steht und auf der Website die Bücher mit dem Vermerk „ein geschlossenes, didaktisches System“ beworben werden, muss man nicht verstehen. Klett distanziert sich wohl nur dann von den Produkten der Töchterunternehmen, wenn es gerade besser zum Image paßt.
Die übrigen vier Nominierten für den Wink mit dem Zaunpfahl
1. Ein rosafarbener Globus, mit rosafarbenen Kontinenten und rosafarbenen Ozeanen mit rosafarbenem Glitzerfuss
Hersteller: Räth-Globen (Quelle).
Die Begründung für die Auswahl stammt von Jurymitglied Nora Gomringer:
Eine Pinke Welt für „furchtlose Prinzessinnen“. Während die Jungs auf ein altbewährtes Weltmodel schauen, kann die pinke Variante ja höchstens als anziehende Nachtleuchte taugen. Dieses Ding steht nun in Zimmern von zukünftigen weiblichen CEOs und macht den noch schlummernden Mädchen die Welt wie-de-wie-de-wie sie den Eltern, den Machern, den Mädchen, ja wem eigentlich? gefällt. So eine Verzärtlichung, Verniedlichung, Banalisierung unserer Welt ist schwer auszuhalten. An diesem Beispiel sieht man: Auch eine rosa Welt verheißt keine rosigen Zeiten.
2. Ein rosa Überraschungsei, mit dem expliziten Label „Nur für Mädchen“ (FACEPALM)
von Ferrero (Quelle)
Die Begründung für die Auswahl stammt von Nora Gomringer:
Mir ist, glaube ich, ganz lange nicht aufgefallen, dass ich ein Mädchen bin. Auch als ausgewachsene Frau denke ich manchmal noch an den Satz meiner Freundin, die bis zu ihrem siebten Lebensjahr noch Krokodil werden wollte. Wer wollen wir sein, wie können wir leben, was steckt in uns? Drei spannende Fragen UND was zum Spielen. So rollen die Ü-Eier doch durch die Werbelandschaft und wer eins fängt, dachte früher immer: hey, mal sehen, was drin ist. Komplette Figuren waren dabei am coolsten, dann kamen die zusammenzubauenden und dann…ach, der Rest und zum Glück die fettige, wunderbare Schokolade. Jetzt ist klar: Kauf ich ein pinkes Ei ist pinker Quatsch drin. Etwas, das einem Mädchen gefallen könnte oder vielleicht sogar …sollte? Ich mag den didaktischen Fingerzeig ganz und gar nicht, der in der Zweifarbigkeit liegt. Mag ihn ganz und gar nicht.
Was das Mädchen-Ei so elend macht, ist die typische Einteilung von Kinderspielzeug in eine „normale“ Version, bei Ferrero heißt sie „classic“ und in eine abweichende Version für Mädchen. In der neuen Sonderserie für „classic“ finden sich Schlümpfe (die gabs schon in Ü-Eiern, als ich klein war und natürlich fand ich sie toll, obwohl ich ein Mädchen war!), in der Sonder-Sonderserie für Mädchen gibts: BARBIES. Kein Scherz, Mini-Barbies. Die meisten mit Handtasche, weil sie wohl gerade shoppen waren. Und alle entweder im Minirock oder mit den unrealistisch langen Beinen in hautengen Leggins. Dazu wallendes Haar. Machen tun die Barbies nix, sie brauchen ja auch nur süß aussehen.
4. Werbespot für Aptamil Folgemilch
(Quelle)
Diesen an stumpfer Einseitigkeit kaum zu überbietender Werbespot für Säuglingsnahrung (!!!), hat unser Jurymitglied Ferda Ataman wie folgt kommentiert:
Das Video macht deutlich, wie unterschiedlich die Erwartungen der Gesellschaft (bzw. Werbefilmmacher) an Mädchen und Jungs sind – und das bereits ab dem Säuglingsalter. Die Macher wollen den Eltern suggerieren, dass sie ihren Kindern mit Aptamil-Folgemilch das Beste ermöglichen: Jungs körperlichen und beruflichen Erfolg, Mädchen Schönheit und graziles Ballettanzen. Unfassbar 50er Jahre–mäßig! Was absolut nicht nachvollziehbar ist: Da es den Absatz nicht steigert, wäre es bei Babynahrung überhaupt nicht notwendig, mit Genderklischees zu arbeiten.
5. Katalogbild zu einer Spielküche von Jako-o
(der Katalog ist inzwischen offline)
Jurymitglied Tarik Tesfu, bekannt aus YouTube, wo er regelmäßig die „Genderkrise“ bekommt, schreibt dazu:
Aus einer „Fuck you Gendergerechtigkeits“-Perspektive ist diese Werbung echt der Knaller. Hannelore kümmert sich liebevoll um den Nachwuchs aka Teddy und zaubert währenddessen ein üppiges und gleichzeitig gesundes Mahl für die ganze Familie. Alles nach dem Motto: Das bisschen Haushalt kann doch nicht so schwer sein, sagt mein Mann. Und was treibt Papa-Dieter? Gemüse schnippeln? Abwaschen? Oder vielleicht einfach mal mitkochen? Pustekuchen: Vater sitzt gechillt im Eck und telefoniert mit den Homies. War ja auch ein langer Tag auf der Arbeit, stimmts Diddi? Ob er heute wohl endlich mal wieder den Müll runterbringt? Wohl eher nicht …
Die Entscheidung für den Preisträger war wirklich nicht leicht, denn alle 5 Beispiele sind eigentlich gleich bescheuert. Auch aus den übrigen ca. 45 Einreichungen hätte ich den einen oder anderen gern mit einem Preis bedacht, auch Produkte für Erwachsene, denn wozu braucht es z.B. rosa und hellblau Ohrenstöpsel???
Die Preisverleihung selbst wurde ein wunderbarer Abend, es gab die passende Musik von Suli Puschban „Ich hab die Schnauze voll von Rosa“, sowie von Form und Yansn vom Berliner HipHop-Label Springstoff, außerdem Beiträge rund ums Gendermarketing (Almut und Sascha haben unterhaltsam aber lehrreich mit vielen Beispielen die Wirkung von Gendermarketing und von der Aufspaltung von Menschen in getrennten Gruppen erklärt), die Vorstellung der Nominierten durch Jurymitglied Daniel Broeckerhoff von Heute Plus (ZDF), eine Vorstellung von 3 Positivbeispielen durch Jurymitglied Tarik Tesfu, die Laudatio von Ferda Ataman und einen Beitrag von mir am Ende, in dem ich auf die Langzeitfolgen von Gendermarketing eingegangen bin. Weil ich das Thema so wichtig finde, will ich kurz dazu schreiben.
Warum ist Gendermarketing schädlich?
Viele meinen, wichtiger als rosa-oder hellblau Produkte und Werbungen seien doch die wirklich harten Themen, Gehaltsunterschiede, Doppelbelastung von Frauen, ihre Gesundheit und ihr Schutz vor Gewalt. Aber alle diese Themen haben (auch) mit Gendermarketing zu tun. Wir werden durch Bilder geprägt, denn nicht umsonst ist der Begriff „Bild“ in dem Wort „VorBILD“ enthalten. Durch die vielen Bilder, mit denen uns Werbung Jahr für Jahr im Volumen von über 25 Milliarden Euro berieselt, werden soziale Normen geprägt. Die Wirtschaft verbrennt natürlich nicht freiwillig so viel Geld, denn Unternehmen wissen, dass Werbung und die damit erzeugten Bilder nicht ohne Einfluss bleiben.
Körperbilder aus der Werbung machen krank
Nehmen wir die häufige Darstellung weiblicher Gestalten in Medien – von der Werbung bis zum Trickfilm. Sie propagieren mehrheitlich Frauenkörper, die schlank und schön sind, oft hypersexualisiert, selbst bei Feendarstellungen auf Spielzeug für Kleinkindern. Sie tragen Miniröcke, High Heels, haben Busen und wallende Haare und fast immer unrealistisch lange, dünne Beine. Viele Darstellungen weiblicher Figuren in Kinderfilmen sind unrealistische Körper (etwa 65 Prozent, in meinem Buch „Ein bisschen gleich ist nicht genug! Warum wir von Geschlechtergerechtigkeit noch weit entfernt sind“ kann man das alles auch mit Quellen nachlesen), bei männlichen Figuren ist das anders. Jungs finden realistischere Körperbilder in den sie umgebenden Medien. Dies dürfte eine der Ursachen sein, warum Esstörungen unter Mädchen so verbreitet sind. Aber wer weiß schon, dass sie die tödlichste psychische Erkrankung in Deutschland sind? Es geht also um existenzielle Fragen, auch wenn das nicht auf den ersten Blick sichtbar ist.
Jungenspielzeug baut auf Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung – Männlichkeitsbilder fördern Gewalt gegen Frauen
Ein anderer Bezug ist der zu Gewalt gegen Frauen, die immer noch ein pandemisches Problem ist, auch in Deutschland. Jedes dritte weibliche Mordopfer wurde vom Partner oder Expartner umgebracht. 16 Millionen Frauen in Deutschland wurden Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Häusliche Gewalt ist die häufigste Ursache für Gewaltverletzungen von Frauen und sie ist dort besonders hoch, wo Frauen über 45 Jahre alt und beruflich erfolgreicher als ihre Männer sind und besonders niedrig, wo die Familienarbeit gerecht verteilt ist. Was das mit Gendermarketing zu tun hat? Das ist einfach erklärt. Schon im Spielzeugladen kann man in der Jungsabteilung sehen, dass sich kümmern und sorgen oder Gefühle zu zeigen mit Jungen nicht assoziert wird. Ihre Spielzeuge haben entweder mit Technik zu tun oder mit Gewalt. Es gibt zillionen von Monstervarianten, Waffenarten und Kriegsspielzeugen. Jungs können sich also in allen erdenklichen Varianten mit Gewaltausübung und Feindbekämpfung auseinandersetzung aber nicht mit gewaltfreier Konfliktlösung oder Familiensituationen – die gibts nur in der Mädchenabteilung der Spielzeugläden. So entstehen Männlichkeitsbilder, die toxisch sind und die Leben kosten – von Männern und von Frauen – und fast immer sind Männer die Täter, weil sie keine andere Problemlösungsmuster gelernt haben, mit Gefühlen und Konflikten nicht umgehen können. Ihr Selbstbewußtsein erträgt es oft genug nicht einmal, wenn ihre Partnerin mehr verdient als sie. Was für eine Welt?!
Stereotype Rollenbilder beeinflussen Berufswahl und tragen direkt zu Gehaltsunterschied bei
Auch beim harten Geldthema ist der Bezug offensichtlich, wenn man bereit ist, näher hinzuschauen. Der Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern beträgt immer noch 21 Prozent in Deutschland. Etwa die Hälfte davon kann erklärt werden, davon wiederum ist der größte Anteil zurückzuführen auf die Wahl des Berufes und auf die Branche. Es ist allseits bekannt, dass Mädchen mehrheitlich andere Berufe ergreifen als Jungen und dass auch die Branchen nach Geschlechtern segregiert sind – Beispiel frauendominiertes Gesundheitswesen versus Autoindustrie. Ist es gerecht, dass jemand, der auf Maschinen aufpaßt (=Maschinenwärter) ein Drittel mehr verdient, als eine Erzieherin in einer Kita, die darauf aufpaßt, dass es unseren Kindern gut geht? Wohl kaum, aber es heißt, die Frau ist selbst schuld daran, denn sie hätte ja auch Maschinenwärterin werden können. Leider gilt nämlich bei uns das ungeschriebene Gesetz, dass in einem Beruf und in einer Branche umso weniger bezahlt wird, umso höher der Frauenanteil dort ist. Wenn aber schon Spielzeug, Schulbücher und die tägliche Werbung – selbst für Säuglingsmilch – den Mädchen verklickern, dass sie vor allem für Pflege und Schönheit zuständig sind und die Jungs für Forschung, Technik und Entdeckungen, dann müssen wir uns nicht wundern, dass ein einziger Girlsday pro Jahr diese starke Prägung nicht mehr ausgleicht. Leider sind aber die allseits bekannten 21 Prozent Gehaltsunterschied nicht der Gehaltsunterschied, der sich am Monatsende auf dem Kontoauszug zeigt, denn aufgrund stereotyper Rollenbilder arbeiten Frauen zwar statistisch mehr als Männer, aber ein nennenswerter Anteil ihrer Arbeit ist unbezahlte Familienarbeit. Die Doppelbelastung läßt für viele Frauen nur die Option, Teilzeit zu arbeiten, also bekommen sie nicht nur weniger Lohn pro Stunde sondern auch weniger Stunden bezahlt. Über das Jahr gerechnet beträgt daher der Unterschied zwischen Bruttojahresverdiensten von Frauen und Männern schon 37 Prozent und im Laufe eines Lebens werden daraus aktuell 57 Prozent Rentenunterschied. Das sind die Zahlen, die leider nicht ständig in den News sind, dort lesen wir immer nur von den 21 Prozent Bruttostundenlohn-Gehaltsunterschied bei Vollzeit. Leider sind die 37 und 57 Prozent die wirklich relevanten Zahlen, denn das ist das verfügbare Geld und erst diese Zahlen machen die wahre Benachteiligung transparent.
Fachkräftemangel und Qualitätsprobleme durch fehlende Diversität bei Berufswahl
Ganz nebenbei beklagt sich die Wirtschaft über den Fachkräftemangel, vor allem in MINT Berufen. Rein quantitativ können sie ihre offenen Stellen nicht füllen. Ein Problem ist aber auch die mangelnde Qualität, die die fehlende Diversity gerade in solchen Branchen mit sich bringt. Eine Apple Gesundheits-App wäre mit Frauen im Entwicklungsteam wohl nicht ohne Regelkalender auf den Markt gekommen und hätte es Frauen in den Abteilungen gegeben, die die künstliche Intelligenz trainieren, die hinter Stimmerkennungsprogrammen steckt, dann hätten diese Programme von Anfang an auch Frauen verstehen können und nicht nur Männer. Die Vorteile von Diversity für die Innovationskraft in Teams wurde schon oft nachgewiesen, u.a. von der London School of Economics und Gartner wies nach, dass von Männern und Frauen gemeinsam entwickelte Software eine höhere Nutzerfreundlichkeit aufweist. Kitas und Altenheime beklagen ebenfalls, dass sie zu wenig Personal bekommen und vor allem, dass sie kaum männliche Mitarbeiter finden. Auch daran ist die frühe Prägung von Kindern und die Stereotypisierung von Rollenbildern mindestens mit-schuld. Ich erinnere mich, wie ein 15 jähriger Nachbarsjunge begeistert von seinem Sozialpraktikum in einer Kita erzählte. Er kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus, es hätte ihm Spaß gemacht und die Kinder hätten ihn auch sehr gemocht. Als ich ihn aber fragte, ob das nicht ein späterer Beruf für ihn sein könnte, schaute er sehr irritiert und meinte: „ein Junge macht doch so was nicht als Beruf! Da lachen alle!“. Dass viele denken, sogenannte „Frauenberufe“ seien eine Erniedrigung für Männer, hat mit all diesen einseitigen Bildern zu tun, die unsere Gesellschaft Heranwachsenden vermittelt – inklusive einer Hierarchie der Geschlechter, wonach es zwar cool ist, wenn ein Mädchen „Jungsdinge“ tut (programmieren, auf Bäume klettern), aber total uncool, wenn umgekehrt ein Junge „Mädchendinge“ tut – wie z.B. mit kleinen Kindern spielen. Auch das kann ein Boys Day nicht ausgleichen, denn die zigtausend Werbespots, die Schulbücher und Filme übertragen eine mehrheitlich andere Botschaft.
Aufruf an Unternehmen
Aus all diesen Gründen ist es keineswegs eine Nebensache, wenn Gendermarketing als schädlich für die Gesellschaft, als Bedrohung für die Freiheit und Entfaltung unserer Kinder (und auch Erwachsener) angeprangert wird. Es ist ein hartes Thema und daher rufe ich Unternehmen dazu auf, sich endlich mit ihrer Verantwortung für die Folgen ihrer Produkte und ihres Marketings auseinanderzusetzen. Sie müssen sich informieren über das, was sie anrichten, wenn sie in die rosa-hell-blau cliché Falle tappen, um kurzfristige Profite zu generieren. Corporate Social Responsibility ist mehr als nur nachwachsende Rohstoffe zu verwenden oder auf Kinderarbeit beim Einkauf zu verzichten.
Aufruf an Konsument*innen
Auch meine Leser*innen, die alle auch Konsument*innen sind, möchte ich zum Handeln aufrufen:
- Informiert Euch über die Einflüsse von Gendermarketing und klärt Eure Umgebung darüber auf
- Verweigert den Konsum stereotyper Produkte
- Beschwert Euch über sinnloses Gendermarketing: mündlich, schriftlich, online oder offline – egal wie, hauptsache überhaupt
- Nutzt dazu auch öffentliche Kanäle, wie Twitter oder Facebook
- Reicht Beschwerde ein beim Werberat
- kauft bessere Alternativen, denn es gibt sie fast immer.
Ich wünsche mir sehr, dass wir mit der Preisverleihung eine gesellschaftliche Debatte zum Thema absurdes Gendermarketing anstoßen konnten. Wer mehr darüber lesen will, dem sei mein Buch „Ein bisschen gleich ist nicht genug! Warum wir von Geschlechtergerechtigkeit noch weit entfernt sind“ oder das Buch „Die rosa-hellblau-Falle“ von Almut Schnerring und Sascha Verlan ans Herz gelegt.
Dankbar sind wir über die umfassende und ausschließlich positive Berichterstattung zum Goldenen Zaunpfahl, denn so läßt sich das Thema in die Gesellschaft bringen.
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