Erster Europäischer Mauerfall – das würdigste Gedenken zum 25. Mauerfall-Jahrestag

Das Zentrum für Politische Schönheit wird am 9. November 2014 den Ersten Europäischen Mauerfall inszenieren, als Kunstaktion an der „größten Bühne der Welt“ – an den europäischen Außengrenzen.

„Während in Berlin Ballons in die Luft steigen und nostalgisch-sedierende Reden gehalten werden, wird die deutsche Zivilgesellschaft in einem Akt politischer Schönheit die europäischen Außenmauern zu Fall bringen.“ (Zentrum für Politische Schönheit)

Was haben denn deutsche Mauertote, die beim Verlassen eines Landes (der DDR) getötet wurden, zu tun mit Menschen, die beim Betreten einer Landesgrenze in die andere Richtung zu Tode kommen? Sterben beim Ausreisen ist doch überhaupt nicht vergleichbar mit Sterben beim Einreisen! Ü.B.E.R.H.A.U.P.T. N.I.C.H.T. Sagen jedenfalls ganz viele und, dass ein Vergleich der mehr als 23.000 Toten an Europas Grenzen in den letzten 14 Jahren mit den vermutlich mindestens 138  Maueropfern, (andere Quellen nennen über 1000 Tote), die in den 28 Jahren der deutsch-deutschen Mauer ums Leben kamen, sich verbietet – weil es das Gedenken an die letzteren verunglimpft, oder DDR Unrecht verharmlost.

Mein Mann Daniel Domscheit-Berg kurz vor dem Aufbruch zum Ersten Europäischen Mauerfall am Gorki-Theater Berlin, 7.11.2014

Mein Mann Daniel Domscheit-Berg kurz vor dem Aufbruch zum Ersten Europäischen Mauerfall am Gorki-Theater Berlin, 7.11.2014


Ich kann mit dieser Kritik nichts anfangen. Die Argumentation ist mir schleierhaft. Welchen Unterschied macht es für einen Menschen, wenn er oder sie beim Ein- oder Ausreisen an einer Grenze stirbt? Welchen Unterschied macht es für die Hinterbliebenen? Ist nicht in beiden Fällen eine Einschränkung der Reisefreiheit ursächlich für das Lebensrisiko beim Grenzüberschreiten? Ist nicht in beiden Fällen der Wunsch nach einem besseren Leben (nach in allen Fällen sehr individueller Interpretation dessen, was das jeweils bedeutet) die Motivation für den Mut, es trotz Lebensgefahr einfach zu versuchen?
Natürlich weiß ich, dass die Berliner Mauer ein perfides Konstrukt war, um die Bevölkerung einzusperren. Ich war eine der Eingesperrten und ich finde nichts daran verharmlosungswürdig. Aber für mich gibt es keine mehr oder weniger wichtigen Grenztoten. Ich finde JEDEN Tod an einer Grenze nicht nur unnötig sondern zutiefst unmenschlich und absolut unvereinbar mit dem Artikel 1 unseres Grundgesetzes, das sich bekanntlich nicht nur auf deutsche Staatsangehörige bezieht. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Jedes Menschen. Die Art und Weise, wie die europäischen Außengrenzen „gesichert“ werden, ist eine extreme Verletzung der Würde von Menschen, die aus unhaltbaren Zuständen fliehen, um woanders ein würdevolleres Leben führen zu können. Hunger, Krieg und bittere Armut verjagen sie aus ihrer Heimat. Zustände, an denen der Reichtum der westlichen Teil einen sehr großen Teil zu verantworten hat. Unsere Antwort darauf ist eine Grenzkonstruktion, die durch ihr Design und das verwendete Material nicht nur Unüberwindbarkeit als Ziel hat, sondern offenbar auch schwere Verletzungen bis hin zum Tod – um abzuschrecken.
Ein Stück Natostacheldraht am Gorki-Theater, vor dem Start der Busse zum Europäischen Mauerfall

Ein Stück Natostacheldraht am Gorki-Theater, vor dem Start der Busse zum Europäischen Mauerfall


Mit Verlaub, ich finde das widerlich. Ich schäme mich dafür, wieder in einem Land – als Teil der Europäischen Union – zu leben, in dem man ganz bewußt in Kauf nimmt, das Menschen, die aus Not von woanders her fliehen, an unseren Grenzen sterben. Ich könnte kotzen bei der Vorstellung. Leider ist das aber tägliche Realität. Ja, jeden Tag sterben Menschen an unseren Grenzen – WEGEN dieser Grenzen. Während der Lektüre dieses Textes ist vielleicht jemand im Mittelmeer ertrunken, weil das Fluchtboot nur eine Nußschale war oder ein Grenzbewacher mit Gummigeschossen auf Flüchtlinge schoss. Oder es stürzte jemand an der spanischen Außengrenze beim Versuch den 7 meter hohen Zaun zu überklettern in den Nato-Stacheldraht, der mit geschliffenen Metallschneiden besetzt ist,  oder auf die andere Seite in ein Drahtgeflecht, wo zusätzlich reizende Flüssigkeiten aus automatischen Spritzanlagen am danach stehenden, fast 6 meter hohen Zaun in die offenen Wunden dringt. Das ist keine Fantasie. Solche haarsträubenden Zustände herrschen wirklich an den Außengrenzen unserer demokratischen Europäischen Union. Wir investieren sogar Millionen in den Ausbau dieser tödlichen Konstrukte.
schematische Darstellung der "Grenzsicherungsanlagen" bei Melilla, Spanien. Quelle: Zentrum für Politische Schönheit

schematische Darstellung der „Grenzsicherungsanlagen“ bei Melilla, Spanien. Quelle: Zentrum für Politische Schönheit


Ich finde es daher völlig angemessen und eine besonders gute Art des Mauerfall-Gedenkens vom Zentrum für Politische Schönheit, sich nicht nur der Nostalgie hinzugeben und davon zu schwärmen, wie großartig es war, durch Widerstand der Massen und diverse glückliche Umstände für 16 Mio DDR Bürger*innen die Freiheit zu erringen und die Mauer einzureißen sondern aus der Geschichte für die Gegenwart und die Zukunft zu lernen und das Gelernte auf das Leben zu übertragen.

Eine solche Lektion heißt: tödliche Grenzen sind unmenschlich und mit demokratischen Grundwerten nicht vereinbar, sie gehören eingerissen.

Erster Europäischer Mauerfall - YouTube Film des Zentrums für Politische Schönheit (with engl. subtitles)

Erster Europäischer Mauerfall – YouTube Film des Zentrums für Politische Schönheit (with engl. subtitles)


Das Argument: „aber dann kommen doch Abermillionen Afrikaner*innen!!!EinsElf!! und was machen wir dann?!“ kann ich nicht gelten lassen, denn wie schon zitiert, die Würde des Menschen ist unantastbar. Immer. Man tötet einfach nicht. Niemanden. Nicht direkt aber auch nicht indirekt. Wenn wir dazu beitragen, dass woanders das Leben nicht mehr lebenswert ist, und Menschen deshalb Strapazen auf sich nehmen, um ihre Heimat zu verlassen, dann sollten wir uns endlich einmal aufrichtig fragen, wie wir das ändern können. Wir wir unser Leben so leben können, dass nicht unseretwegen woanders Not und Armut herrschen anstatt immer noch tötlichere Grenzanlagen zu bauen, damit auch ja die Ärmeren alle draußen bleiben.
Die westliche Welt verursacht den größten Anteil des Klimawandels, aber die dadurch ausgelösten Katastrophen haben vorwiegend Menschen in anderen, ärmeren Ländern zu ertragen. Wir exportieren die Waffen, mit denen in allen Kriegs- und Konfliktgebieten dieser Welt Menschen getötet werden. Wir kaufen die Billigjeans, die in Bangladesh in brüchigen Fabriken unter finstersten Bedingungen genäht werden. Wir verschenken die Blumen, die in Lateinamerika mit soviel Gift gezüchtet werden, dass dort die Schwangeren ihre Babies verlieren. Wir tanken den Biosprit, für den Ackerflächen gebraucht werden, auf denen früher Nahrungsmittel wuchsen, die jetzt andernorts fehlen. Wir tragen goldene Ringe und telefonieren mit Handies, an denen das Blut von Kindern klebt, die die dafür notwendigen Rohstoffe aus der Erde kratzen. Diese Liste ist leider beliebig lang fortsetzbar.
Eindringliche, wunderschöne Musik gabs am Gorki-Theater zum Start der Aktion Europäischer Mauerfall, der auch Start des Festivals Voicing Resistance war

Eindringliche, wunderschöne Musik gabs am Gorki-Theater zum Start der Aktion Europäischer Mauerfall, der auch Start des Festivals Voicing Resistance war


Wir sind ohne eigenes Zutun an der günstigeren Stelle der Welt geboren worden und meinen daraus ableiten zu können, dass wir mehr Wert sind und einen höheren, gewissermaßen naturgegebenen Anspruch auf die Reichtümer dieser Welt haben. Aber so ein Denkansatz ist purer Egoismus, er führt in gerader Linie zu den Grenzanlagen der EU-Außengrenzen. Wer von Euch würde einem Hungernden die Schale Essen wegnehmen oder einer Verdurstenden die Flasche Wasser aus der Hand schlagen? Wer würde ein Kind zurück in die Schußlinie zwischen verfeindeten Rebellen schubsen? Niemand mit Herz würde das fertig bringen. Aber diese Grenzanlagen haben das gleiche Ergebnis. Mit dem komfortablen Nebeneffekt, dass wir die Not nicht mehr sehen müssen und unsere Hände in Unschuld baden können. Dass wir nachts schön in unseren weichen und sauberen Betten schlafen können, weil uns nicht die Bilder der Hungernden, Durstenden und Traumatisierten verfolgen, die wir ausgestoßen und sich selbst überlassen haben. Wir schließen wie kleine Kinder die Augen und denken, dann ist das Problem nicht mehr da. Aber wir sind groß und wissen, dass das Unsinn ist. Das Problem ist da. Es einfach aussperren führt leider nie zu einer Lösung.
Kein Mensch ist illegal... Aufnahme vom Start zum Ersten Europäischen Mauerfall am Gorki-Theater Berlin, 7.11.2014

Kein Mensch ist illegal… Aufnahme vom Start zum Ersten Europäischen Mauerfall am Gorki-Theater Berlin, 7.11.2014


Wir müssen endlich kreativer werden, unsere enormen Ressourcen diesen Problemlösungen widmen und uns endlich daran erinnern, dass wir ALLE Menschen sind, die etwas verbindet, eine globale Empathie, ein Band aus Menschlichkeit. Würden wir gemeinsam an den Problemen dieser Welt arbeiten, wir hätten sie längst gelöst oder wären ihrer Lösung schon sehr nahe gekommen. Hunger ist kein Naturgesetz. Krieg auch nicht. Auch nicht Ebola.
Daran möchte ich an diesem 9. November, 25 Jahre nach dem Mauerfall gern erinnern. An die Notwendigkeit von Menschlichkeit, von Reisefreiheit und die Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Ich bin stolz auf alle, die die Idee mit dem Europäischen Mauerfall hatten und ihre Umsetzung durch Spenden ermöglichten (Spenden geht immer noch!)  und vor allem auf die, die die Risiken und Strapazen auf sich nahmen, mit zwei Bussen Tausende von Kilometern zurückzulegen, um mit Bolzenschneidern in einer Zweiten Friedlichen Revolution dem unmenschlichen Bollwerk zuleibe zu rücken. Mein Mann ist einer dieser Reisenden. Ich hoffe, er und alle anderen kommt unbehelligt zurück.
Ausschnitt ZDF Aspekte vom 7.11.2014

Ausschnitt ZDF Aspekte vom 7.11.2014 – im Bild einer der beiden Reisebusse, noch bewacht von Polizei, sowie Teilnehmende der Aktion Europäischer Mauerfall


Neben den neuen Mauern an Europas Außengrenzen gibt es noch viele andere Grenzen, an denen Menschen sterben. Egal ob in Mexiko, Israel oder Nordkorea: sie alle müssen weg.
Mehr zur Aktion:

Hintergrund zum Thema:

Medienberichte (Inland):

Medienberichte (Ausland):

 

English Version Part 7: My Diary from Autumn 1989 – My First Time in the WEST – 13th Nov.1989

„It was so unbelievable, you pass through it as if yesterday, there had not been a death field with mines, electric barbed wires and and and, everybody passed by, just like that, it was totally normal. The reception war equally indescribable. Total strangers hugged each other. Westberliners clapped, everybody laughed and cried. Never in my life I will forget this.“
This is the English Version, the German version is HERE.
My Diary notes of 13th November 1989
This is part 7 of my series „My diary – 25 years ago – Autumn 1989“. Earlier parts are linked at the end of this post, as well as documents, old fotographs, and my book „Mauern einreißen!“ („Tearing down walls“ LINK). However, except for the diary parts, all the other pages are in German… I took out some parts which are private, you will recognise this at „(…)“, explanations come in brackets with my initials: „(ADB: explanation)“ or (= explanation). More detailed explanations will be found in footnotes (numbers in brackets) at the end of this post.

***

Today is the 13th Nov 89, 11:15, Main Station on Monday
I still don’t get it, one hour ago I sat down in the S-Bahn Charlottenburg…coming from Riki (1) where I lived a weekend. Such a full one, crazy, indescribable, God, give me words to express the extent of emotions – impossible. Trying?

So eine Zählkarte hatte ich noch für den Grenzübertritt am 11.11.1989 ausfüllen müssen, sehen wollte sie aber dann doch keiner mehr an der Grenze...

Such a „Counting Card“ I had to fill in to cross the border at 11th Nov. 89, however, nobody ever wanted to see it at the actual border

After the sadness on Thursday, washing on Friday morning (2), U. comes into the bath and is beaming – well, what are you saying to our victory? – I did’t know anything, then he talks about the Wall-atrophy… I run to the radio and hear it myself, everybody is allowed to go to the West, just like they want. Unfathomable. With G. I ran immediately to the Police and in 1 hour, we had our Visa. (3) This day was over. Not a bit Design done. Breakfast celebrated with G., one little Liquor was drunken. Called home and sent the parents to the police. Skipped History of Art (-lesson) and drove home. Riki had already gone home. Saturday morning by car off to the new border crossing Bernauerstrasse – Brunnenstrasse, the father pushed his way through, we stood 1 hour, the queue was endless, but it moved forward all the time. Just holding your ID card up. Around us, broken walls, construction workers, border personnel. I was beaming at one of them – they too are happy now, in spite of the stress.
zaehlkarte-RS

On top of the Wall sat West-Berliner youngsters, clapping their hands and waving, I was tearing up too. Everywhere those Westberliners, laughing, waving, uncountable TV teams (maybe M. saw me?). A woman was giving away Nimm-2 sweets, another one roses, white and red, Kaiser (=super market chain) distributed Kaiser-Coffee and chocolate – we looked for a bus and then drove by S-Bahn to Riki. We arrived at lunch time. What a turmoil, so many people. Even the buses are much nicer, the Wall is so colourful, „sauer macht lustig, Mauer macht frustig“ (=literally translated: „sour makes you happy, wall frustrates you“), funny slogans everywhere. Riki lives in front of the Aztec (=jewellery shop), in the Hektorstreet, close to the Ku’damm, very close. A nice old buildings corner, 4th floor, giant windows (in the entire quarter), view over the roof tops, beautiful. A bright, uncomplicated appartment, adorable. Amazing pictures, 2 cats…nice. Son Emil with long hair, 20 years old, a to-be-percussionist. I had a room just for me. My parents went back home at night. Before, we (me on my own) strolled the Ku’damm up and down. I met Simone G. (=class mate) in the Ku-eck in an Indian shop – the world is small (…) Müncheberg (=my home and school town) is everywhere.

Genau an dieser Stelle - direkt hinter dem Brandenburger Tor - war ich mit meiner Mutter auf die Mauer geklettert. Ein unvergesslicher Moment in einer euphorischen Menge. Magie eines Augenblicks. Foto: Wikipedia Commons, Link: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Thefalloftheberlinwall1989.JPG, Autor unbekannt, Reproduktion: Lear 21 von einer Fotodokumentationswand des Berliner Senats

Right at this place – directly behind the Brandenburg Gate – I stood with my mother on top of the Wall. An unforgettable moment in an europhoric mass of people. A magical moment. Pic: Wikipedia Commons, Link: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Thefalloftheberlinwall1989.JPG, Author unknown, Reproduction: Lear 21 from a public foto documentary wall of the Berlin Senate

At 6pm we met at Riki’s place and had dinner at an Italian, at the street which is the prolongation of the Strasse des 17. Juni. The waiters were running, with red aprons, the food was heaven, the Chianti rosso was great and quite strong. The father had calamari (in rings), Riki and my mother had a giant pasta plate with fillings, mushrooms and sauces. I had a pizza calzone with mushrooms, cheese and ham. Starters were fennel, filled pepper, olives, pickled trout (fantastic), artichokes, somehow treated tomatoe (unidentifiable) (4), filled mushrooms, heavenly. I thought I would burst, it felt pity for every bit leftover. We ate everybody from everything, the pasta was the best of all. The waiters whizzed and were beaming. Once we had been replaced at another table, it was so busy there. Riki invited us. Unforgettable everything. Viva la vita, viva l’amore – the waiter when I said something about moving to another table: „that brings life into the house“, so amazing, everything.
When we were leaving, the restaurant owner stopped us at the exit, whether we would not want an amaretto or the likes as a good-bye drink – we were easily convinced, lead to the back of the restaurant and the owner treated everyone of us to a drink, a sambucco for me (anis, lighted, fine and sweet), amaretto for the father, champaign for the mother. The boss was thrilled to have us, he had only slept 2 hours, went at 3am after work to the Wall to watch (5). Everything was so funny. I look forward to the Italian G. (=pen friend, he had invited me).
Time was flying. The parents went home, I was studying maps with Riki. M. lives north of New York, not too far. Boston is not far neither. Riki’s son will soon be half a year in Hollywood, at school, thats in California. I look so much forward to travelling! Padua (= where my pen friend lived) is very close to Venice – a dream! In Amsterdam, I even found the Helmerstraat of Wiel (=dutch pen friend), a long street. Amsterdam makes a decent impression. I slept like an angel and only dreamt of Italians, waiters who were running in the courtyard, serving. (…) I wanted to get to Leipzig already yesterday. I will just come today, hopefully they (=my friends) are still there. I will still make it to the demo (=THE mondays demo). Tonight we want to celebrate. (…). I will now go to Schoeneweide, surely have some more time there.

***

(1) This is the westberliner documentary film maker Riki Kalbe, a friend of my mother, with whom we enjoyed a close friendship. She documented the changes around the Potsdamer Platz after the Fall of the Wall with fotographs. Riki was affectionate and had a great sense of humour, but she died in 2002 far too early, after already her son Emil, a talented musician, had died at age 30. My memories of the Fall of the Wall in 1989 will forever be connected with Riki and her contagious laughter, her hospitality and with inner pictures e.g. of fotographs she had taken and turned into post cards, or maps which hang at her walls in her appartment, or of the small kitchen, in which beautiful ceramics piled up and where we enjoyed turkish coffee and red wine.

Unser alter Waschraum im Wohnheim der Fachschule für Angewandte Kunst in Ober-Schlema/Erzgebirge

Our old wash room at the dormitory of the Art School in Ober-Schlema/Erzgebirge

(2) There was a common wash room in our student dormitory, a wooden barack. I meant this – unisex – wash room in my diary. It was, however, no more the old wash room, which you see at the picture above, but a new one, with real tiles at the walls and tiled shower cabins, not a steel-sheet cabin like the one we had in my earlier study years (where you see a fellow student stepping out).
(3) In the news they said that you need a stamp from the police, hence we went to the registration office, which belonged to the Police to get this type of visa. We also got a „Counting Card“, which I filled in but which nobody ever wanted to see when I passed the border to the West.
(4)  My very first italian meal….even until today the most delicious italian food I ever tasted. Maybe also because of the circumstances, but it really was heavenly. I described the food with so much detail, because none of them were available in East Germany. No Calamary, no filled mushrooms. And I had no idea how dried tomatoes look, thats why I described them as „unidentifiable“.
(5)  Only at our leaving the restaurant owner noticed that we had been coming from the East and had had our first western meal. Thats why he invited us in again, to celebrate together. It was a magic moment of joint happiness.

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This is my last post of the series „my diary 25 years ago“, as a bonus, below a postcard,which I wrote a few days after the Fall of the Wall to a friend in West Germany. She gave it back to me years later with some other letters from this time, as a memory, and I am very thankful she did!

Dear Elisabeth,               – 19th Nov.1989, Schlema
before I sneak into my bed, some few lines. Firstly, many thanks for the Havel-article, maybe nowadays nothing is disappearing anymore? You surely heard what happens here at our side, its coming thick and fast. The euphoria was big. Already at the 10th of November (=it was actually the 11th) we sat in the car to be witnesses in Berlin of the unimaginable to be the truth. Funnily, I wandered through the former Wall, freshly broken through, at exactly 11:11 o’clock. I cannot describe emotions, absolutely impossible. Like many others I fought back my tears.

It was so unbelievable, you pass through it as if yesterday, there had not been a death field with mines, electric barbed wires and and and, everybody passed by, just like that, it was totally normal. The reception war equally indescribable. Total strangers hugged each other. Westberliners clapped, everybody laughed and cried. Never in my life I will forget this. Hopefully, it was not too early, I fear an economic catastrophe. In W-Berlin they have already exchange rates of 1:20, what will happen to our GDR-Mark? Hopefully we get over the winter. Apropos, you invited me so often, I would really like to come. I only have time off in December, than again in summer. Would it be possible between 27th and 30th Dec.? If you already have visitors or prefer to be on your own at this time of the year, I of course understand. I would drive in the night and arrive in the morning in FFM. It would be so nice. All the best and greetings to all,
Anke

This was the 7th and last part of my little series of diary entries of the revolutionary autumn 1989. Should you want to read more from me about my time in East Germany, you can read my book „Tearing down Walls“ (original title „Mauern einreißen!“) which only exists in German so far.
Further Information around the Fall of the Berlin Wall ’89:

For German versions, see HERE.

English Version Part 6: My Diary from Autumn 1989 – The Berlin Wall is falling – 09th Nov.1989


„Today, today several hours ago the news – border of the GDR opened! Emigration within 24 hours, private trips from today onwards with just 1-2 weeks notice possible. Unbelievable. Big joy? Big sadness, incomprehensible? – Every hour 3.500 emigrants, every hour!! Alas, they all leave us.“

This is the English Version, the German version is HERE.
My Diary notes of 9th November 1989
This is part 6 of my series „My diary – 25 years ago – Autumn 1989“. Earlier parts are linked at the end of this post, as well as documents, old fotographs, and my book „Mauern einreißen!“ („Tearing down walls“ LINK). However, except for the diary parts, all the other pages are in German… I took out some parts which are private, you will recognise this at „(…)“, explanations come in brackets with my initials: „(ADB: explanation)“ or (= explanation). More detailed explanations will be found in footnotes (numbers in brackets) at the end of this post.

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9th Nov. 89 – 0:15, student dormitory, Friday
Brother lost? (1) Today, today several hours ago the news – border of the GDR opened! Emigration within 24 hours, (and) private trips from today onwards with just 1-2 weeks notice possible.

My diary entry from the 9th Nov. 1989

Unbelievable. Big joy? Big sadness (2), incomprehensible? – Every hour 3.500 emigrants, every hour!! Alas, all leave us. Is Kuno (=my brother) still here after all? The (people from the) Demokratischer Aufbruch (= oppositional group (3)) went to the border crossings and tried to convince people to stay here. Everybody leaves, in masses, everything breaks down. Continuously new resignations (4), everything is coming thick and fast.

At this radio recorder I heard and taped the news on the East German border at the evening of 9th Nov. 1989

At this radio recorder I heard and taped the news on the East German border at the evening of 9th Nov. 1989

New Year in Italy? (5) How is Sebastian? (6) Such news and he there, inside (=the prison), important times. Historic times. Berlin demonstration of millions unforgettable. Banner slogans contemporary documents. Next to me, Cesar is purring, our 3rd dormitory cat, next to Susi and Detlef. K. is like exchanged, so kind. Ach. We will request a 6 months study interruption to work in the production. We already volunteered to help out in health care as temps. In KMST (=Karl-Marx-Stadt, today City of Chemnitz) they want to “try” to keep up the Dispensaire-care, the DMH (DMH = Dringliche Medizinische Hilfe = emergency care) and the intensive care, all the rest is gravely underserved, the staff barely ever has time off. Will it help to ease the situation for the doctors? Working in a company or an old-age home – good for the people, true, earning some money at the same time for travels. In the summer to the US? Can I afford the passage? M. invites me, such a kind soul! Visiting France? Mediterranean Sea, the Netherlands, all people (=means my friends (7)), Tunisia, Luanda, where to get the vacation days from, where the money?? I have a longing to (go) everywhere, but to come back.
Anke

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(1) My brother had filed for emigration and as I already wrote earlier in my diary, I feared to never see him again should he get his emigration approved. Hence the news meant for me something important: my brother is NOT lost, regardless of him emigrating or not, I will be able to see him again!

Selbstportrait, entstanden am 11.09.1989 unter dem Eindruck von Grenzöffnung und Massenflucht

Self portrait, painted with ink at the evening of 9th Nov. 1989 under the impression of the East German border opening and the immediate mass emigration

(2) That with the „big sadness“ today, only few people will understand, but it was indeed like that. I had very ambivalent feelings. The alternative of which I had dreamt, „The Third Way“ of a democratic socialism, which I and many other oppositionals imagined, had all of a sudden become obsolete with the Fall of the Wall. It was apparent that no more masses will go marching in the streets for this goal. Besides this, the news also told of an emigration-tsunami, with an immediately starting mass flight which concerned me a lot. Thats why I was not only happy but also sad at this evening. We had not only fought for freedom of travels but for a bigger whole. When I heard the news of the border opening, I had been drawing self portraits for the subject Life Drawing. My ambivalent emotions are easy to recognize in these pictures, painted with reed pen and ink. They are not very beautiful … but impressive.  
(3) The Demokratische Aufbruch (DA) was one of the many oppositional groups in the GDR. It only existed from Oct. 1989 until August 1990 and is mainly known for its personnel issues. Within the GDR opposition, the DA was a rather conservative stream. Its press speaker was e.g. Angela Merkel (yes, its her). Its last president Rainer Eppelmann had not only a seat at the Round Table in Berlin but also became a Minister in the first freely elected government in East Germany in 1990. Rather famous AND notorious was the first president of the DA, Wolfgang Schnur, a lawyer, whos telephone number I also got when I was seeking legal assistance for my friend Sebastian. I called this number many times but since I was lucky, nobody ever picked up. It turned out later, that Schnur was a long time Stasi spy and diligently reported on the inner circles of the opposition. This cost him his job as president of the Demokratischer Aufbruch and made the post available for Rainer Eppelmann. In August 1990, the Demokratischer Aufbruch ceased to exist as an independent party and fusioned with the East-CDU (christian democrates party), which in October 1990 fusioned with the West German CDU. Thats how Angela Merkel came from the Demokratischer Aufbruch to the CDU, her first step towards the Chancellerie…

So signierte ich die 6-7 Selbstportraits auf der Rückseite, die am 09. Nov. 1989 entstanden

This is the signature at the back of the 6-7 self portraits I created at 9th Nov. 1989, the two words mean: „Mass Flight“ and „Border Opening“

(4) The most important resignation was of course that of Erich Honecker, the president of the Staatsrat, at 18th Oct. 1989, further members of the Politbuerau followed. The culmination point of the bacchanal of resignations was the step down of Erich Mielke, Chief of the Stasi, at 7th Nov. 1989, together with the government around Willi Stoph (president of the Ministers Council). At the next day, the 8th Nov. 1989, the remaining members of the Politbureau of the Central Committee of the SED party resigned. Unforgettable is the (last?) appearance of Erich Mielke in the GDR Volkskammer-Parliament, where he declared in front of laughing MPs (and the rest of the world) that he loved them all… „Yes, I love, I DO love all… all people… I do love…“ The tears are tripping me… (Video – german – on  YouTube).

Screen Shot 2014-11-02 at 18.11.08

(5) I had a pen friend in Italy who had invited me many times to visit him in Padua. Now, a visit seemed possible. 
(6) Sebastian has another name in real life. A friend of childhood days who was imprisoned in Halle. I had pretended to be his fiancée in order to get writing and visiting rights. There had been protests in early October in that prison too, of which he wanted to inform me in his smuggeled letter. He was caught red handed (see Part 4 and 5 of this series) and suffered tightened confinement conditions.

(7) In all these countries I had pen-friends. I had many such letter-based-contacts, since for me, this was a kind of travelling and an option for a cultural and language exchange. When all of a sudden we were granted free movement, my head was buzzling with all opportunities. I had so many potential invitations, so many access points, so many potential travel destinations, that I started to pragmatically consider where to go and where to take the time and money from in order to actually do it. With this, I realised for the first time, that freedom to move is in itself only a theoretical possibility (to start with). My next summer holiday brought me indeed with a Trabbi (=Trabant, small and typical East German car) to the french Normandie and with PanAm (a big airline at that time) to the USA, to my friend M. With her, I drove by car from Massachussets through 11 Federal States, down to Tennessee to her bread-baking uncle. On our way back we marvelled at the Niagara Falls, I visited Boston and New York City. There, I saw the first homeless people in my life, right at the bus station, amongst them younger women, sleeping on card boards. This image haunted me for a long time.

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This was the 6th part of a small series of diary entries from autumn 1989 in East Germany. Further posts will follow in the next days. Should you want to read more from me about my time in East Germany, you can read my book „Tearing down Walls“ (original title „Mauern einreißen!“) which only exists in German so far.
Further Information around the Fall of the Berlin Wall ’89:

For German versions, see HERE.

Teil 7 – Aus meinem Tagebuch vor 25 Jahren – mein erstes Mal im Westen – 13.11.1989

„Gefühle kann ich nicht beschreiben, ist absolut unmöglich. Ich hab wie viele mit den Tränen gekämpft. Es war so unglaublich, man geht da durch, als wäre es nicht gestern noch ein Todesfeld mit Minen, ein Stromstacheldraht und und und, alle gingen durch, nur so, es war völlig normal. Der Empfang war ebenso unbeschreiblich. Wildfremde Menschen umarmten sich. Westberliner klatschten, alles lachte und heulte. Nie im Leben vergeß ich das.“

Meine Tagebuchnotizen vom 13. November 1989. (English Version coming soon!)

Dies ist Teil 7 aus der Reihe “Aus meinem Tagebuch – vor 25 Jahren – Herbst 1989″, frühere Teile sind am Ende dieses Posts verlinkt, ebenso wie Dokumente, Fotos aus der Zeit und mein Buch „Mauern einreißen“. Es gibt alle Teile auch in englischen Übersetzungen auf meinem Blog. Kürzungen (private Inhalte) sind erkennbar an “(…)”, Erklärungen gibt es in Klammern: (ADB: Erklärung) oder so: (=blabla). Ausführlichere Erklärungen gibt es in Fußnoten.

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Heute ist der 13.11.89, 11:15, Hauptbahnhof am Montag
Ich faß es noch gar nicht, vor 1 Stunde genau setzte ich mich in die S-Bahn-Charlottenburg… kam von der Riki (1), wo ich ein Wochenende gelebt hatte. Ein so volles. Wahnsinn, unbeschreiblich, Herr Gott, gib mir Worte, das Maß an Emotion auszudrücken – unmöglich. Versuchen?

So eine Zählkarte hatte ich noch für den Grenzübertritt am 11.11.1989 ausfüllen müssen, sehen wollte sie aber dann doch keiner mehr an der Grenze…

Nach der Trauer am Donnerstag – waschen Freitag früh (2). U. kommt ins Bad und strahlt – na, was sagst Du zu unserem Sieg? – Ich wußte nichts, da redet er von Mauerschwund… Ich renne zum Radio und höre es selbst, jeder darf rüber wie er will. Unfaßbar. Ich bin mit Gundi gleich zur Polizei und in 1 Std. hatten wir das Visum. (3) Der Tag war gelaufen. Kein Fatz Entwurf gemacht. Frühstück (mit) Gundel gefeiert, ein Likörchen getrunken. Angerufen zu Hause und die Eltern zur Polizei geschickt. Kunstgeschichte geschwänzt und heim gefahren. Riki war schon weg. Am Samstag früh mit Auto los zum neuen Übergang Bernauerstrasse-Brunnenstrasse, der Vater drängelte sich rein, wir standen 1 Stunde, die Schlange war endlos, es ging ständig vorwärts. Nur Ausweis hochhalten. Ringsherum aufgebrochene Mauern, Bauarbeiter, Grenzer. Ich strahlte einen an – auch die freuen sich jetzt, trotz Streß.
zaehlkarte-RSAuf der Mauer saßen Westberliner Jugendliche, klatschten und winkten, mir standen auch Tränen in den Augen. Überall die Westberliner, lachen, winkend, x-Fernsehteams (vielleicht sah mich M…?) Eine Frau verteilte Nimm-2, andere Rosen, weiß und rot, Kaiser verteilte Kaiserkaffee und Schokolade – wir suchten einen Bus und fuhren dann per SBahn zur Riki. Mittags waren wir da. Ein Taumel, so viele Leute. Schon die Busse sind viel schöner, die Mauer so bunt, “sauer macht lustig, Mauer macht frustig” – schöne Sprüche überall. Riki wohnt gegenüber vom Azteken (=Schmuckladen), in der Hektorstr. (…), neben dem Kudamm, ganz dicht. Eine schöne Altbauecke, 4. Stock, Riesenfenster (im ganzen Viertel), Blick auf die Dächer, wunderschön. Helle, unkomplizierte Wohnung, liebenswert. Tolle Fotos, 2 Katzen… schön. Sohn Emil mit langen Lohden, 20. Jahre, zukünftiger Schlagzeuger. Ich hatte ein Zimmer für mich ganz allein. Die Eltern fuhren nachts zurück. Vorher sind wir (ich allein) den Kudamm auf und ab gebummelt. Hab im Ku-eck im Indienladen die Simone G. (=Schulkameradin) getroffen – die Welt ist klein, (…) Müncheberg (=Heimat- und Schulort) ist überall.

Genau an dieser Stelle - direkt hinter dem Brandenburger Tor - war ich mit meiner Mutter auf die Mauer geklettert. Ein unvergesslicher Moment in einer euphorischen Menge. Magie eines Augenblicks. Foto: Wikipedia Commons, Link: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Thefalloftheberlinwall1989.JPG, Autor unbekannt, Reproduktion: Lear 21 von einer Fotodokumentationswand des Berliner Senats

Genau an dieser Stelle – direkt hinter dem Brandenburger Tor – war ich mit meiner Mutter auf die Mauer geklettert. Ein unvergesslicher Moment in einer euphorischen Menge. Magie eines Augenblicks. Foto: Wikipedia Commons, Link: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Thefalloftheberlinwall1989.JPG, Autor unbekannt, Reproduktion: Lear 21 von einer Fotodokumentationswand des Berliner Senats

Um 18:00 haben wir uns bei Riki getroffen und beim Italiener gegessen, auf der Strasse, die in die des 17. Juni übergeht. Die Kellner rannten, mit roten Schürzen, das Essen war göttlich, der Chianti rosso wunderbar und ziemlich stark. Der Vater aß Calamari (in Ringen), Riki und die Meuder (=Spitzname meiner Mutter) eine Riesennudelplatte mit Füllungen, Pilzen und Saucen. Ich hatte eine Calzonepizza mit Pilzen, Käse und Schinken. Vorspeise war Fenchel, gefüllte Paprika, Oliven, eingelegte Forelle (super), Artischocke, irgendwie bearbeitete Tomate (unkenntlich)(4), gefüllte Pilze etc., göttlich. Ich dachte, ich muß platzen, es tat leid um jeden Rest. Wir aßen jeder von jedem, die Nudeln waren das beste dabei. Die Kellner flitzten und strahlten. Wir wurden einmal an einen anderen Tisch platziert, es war so viel Betrieb dort. Riki hatte uns eingeladen. Unvergeßlich alles. Viva la vita viva l’amore – der Kellner auf meine Umzugsbemerkung: “das bringt doch Leben in die Bude”, so toll alles.
Als wir gingen hielt uns der Restaurantchef vor der Tür an, ob wir nicht zum Abschied noch einen Amaretto oder dergleichen – wir waren schnell überredet, nach hinten geführt und bekamen jeder vom Chef was spendiert, einen Sambucco für mich (Anis, angezündet, fein und süß), Amaretto für den Vater, Sekt für die Meuder. Der Chef freute sich über uns, hatte nur 2 St. geschlafen, war nachts um 3:00 nach der Arbeit noch zur Mauer gewandert um zuzuschauen. (5) Alles war so lustig, ich freue mich schon sehr auf den Italiener, G. (=Brieffreund, er hatte mich eingeladen).
Die Zeit verrennt. Die Eltern fuhren dann heim, ich schaute mit Riki noch Landkarten an, M. wohnt nördlich von New York, gar nicht so weit. Boston ist auch in der Nähe. Riki’s Sohn ist bald ein halbes Jahr in Hollywood, zur Schule, das ist auch in Californien. Ich freue mich so auf die Reise! Padua (=wo mein Brieffreund wohnte) ist ganz dicht bei Venedig – ein Traum! In Amsterdam habe ich sogar die Helmerstraat von Wiel (=holländischer Brieffreund) entdeckt, eine lange Straße. Amsterdam macht einen feinen Eindruck. Geschlafen habe ich wie ein Engel und nur von Italienern geträumt, Kellnern die auf dem Hof herumrannten und servierten. (…) Ich wollte ja schon gestern abend nach Leipzig kommen, komme ich eben heute, hoffentlich sind sie (=meine Freunde) noch da. Zur Demo (=Montagsdemo) schaffe ich es noch. Heute abend wollen wir feten. (…) Ich werde jetzt nach Schöneweide fahren, da ist bestimmt auch noch Zeit.

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(1) Die Rede ist von der westberliner Dokumentarfilmerin Riki Kalbe, eine Freundin meiner Mutter, mit der uns eine enge Freundschaft verband. Sie hat fotographisch u.a. die Veränderungen rund um den Potsdamer Platz nach dem Mauerfall begleitet. Sie war herzlich und humorvoll aber ist leider 2002 viel zu früh gestorben, nach dem schon ihr Sohn Emil, ein begabter Musiker, mit nur 30 Jahren gestorben war. Meine Erinnerungen an den Mauerfall 1989 sind für immer mit Riki und ihrem herzlichen Lachen verbunden, mit ihrer Gastfreundschaft und den inneren Bildern z.B. von Postkartenfotos aus ihrer Kamera, Landkarten, die in ihrer Wohnung an den Wänden hingen, von der kleinen Küche, in der sich schöne Keramik stapelte und in der wir türkischen Kaffee und Rotwein tranken.

Unser alter Waschraum im Wohnheim der Fachschule für Angewandte Kunst in Ober-Schlema/Erzgebirge

Unser alter Waschraum im Wohnheim der Fachschule für Angewandte Kunst in Ober-Schlema/Erzgebirge (Foto: Kathrin Roth-Wagner)

(2) Es gab einen gemeinsamen Waschraum im Studentenwohnheim, einer Holzbaracke. Von diesem (unisex) Waschraum ist die Rede…Es war allerdings nicht mehr der alte Waschraum, wie hier abgebildet, sondern ein neuer, mit richtigen Fliesen an der Wand und gekachelten Duschkabinen, nicht mit so einer aus Blech wie in meinen ersten Studienjahren.
(3) In den Nachrichten hieß es noch, dass man einen Stempel von der Polizei braucht, deshalb sind wir zur Meldestelle, die zur Polizei gehörte und haben uns dieses Visum besorgt. Auch eine Zählkarte bekamen wir, die ich noch ausfüllt hatte, aber die niemand an der Grenze mehr sehen wollte.
(4) Mein allererstes italienisches Essen… bis auf den heutigen Tag das leckerste italienische Essen, dass ich je gegessen habe. Bestimmt auch wegen der Umstände, aber es war einfach auch himmlisch. Ich beschrieb das alles so genau, weil es alle diese Speisen so in der DDR nicht gegeben hatte. Weder Calamari noch gefüllte Pilze. Und wie getrocknete Tomaten aussehen, wußte ich auch nicht, daher beschrieb ich ihre Bearbeitung als “unkenntlich”.
(5) Erst beim Herausgehen hatte der Restaurantbesitzer mitbekommen, dass wir Ossis und bei unserem ersten West-Essen waren. Deshalb lotste er uns wieder hinein, um gemeinsam zu feiern. Es war ein magischer Moment des gemeinschaftlichen Glücks.

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Dies ist mein letzter Beitrag aus der Serie „Mein Tagebuch vor 25 Jahren“, als Bonus gibt es noch eine Postkarte, die ich wenige Tage nach dem Mauerfall an eine Freundin in Westdeutschland schrieb. Sie gab sie mir Jahre später mit anderen Briefen aus der Wendezeit zurück, als Erinnerung, und ich bin dafür sehr dankbar!

Liebe Elisabeth,               – 19.11.1989, Schlema

bevor ich ins Bett verschwinde, noch schnell ein paar Zeilen. Zuerst lieben Dank für den Havel-Artikel, vielleicht verschwindet heute wirklich nichts mehr? Ihr hört sicher, was so alles los ist bei uns, es überschlägt sich. Die Euphorie war groß. Gleich am 10.11. haben wir uns ins Auto gesetzt, um uns in Berlin von der Wahrheit des Unvorstellbaren zu überzeugen. Ich bin ulkigerweise just 11:11 Uhr durch die ehemalige Mauer – frisch durchgebrochen gewandert. Gefühle kann ich nicht beschreiben, ist absolut unmöglich. Ich hab wie viele mit den Tränen gekämpft.

Es war so unglaublich, man geht da durch, als wäre es nicht gestern noch ein Todesfeld mit Minen, ein Stromstacheldraht und und und, alle gingen durch, nur so, es war völlig normal. Der Empfang war ebenso unbeschreiblich. Wildfremde Menschen umarmten sich. Westberliner klatschten, alles lachte und heulte. Nie im Leben vergeß ich das. Hoffentlich war es trotz allem nicht zu früh, ich fürchte eine ökonomische Katastrophe. In W-Berlin tauscht man schon 1:20, was soll da aus der DDR-Mark werden? Hoffentlich kommen wir über den Winter. Apropos, so oft habt Ihr mich schon eingeladen, da würde ich so gern wirklich kommen. Ich habe nur im Dezember frei, sonst erst im Sommer. Wäre es vom 27.-30.12. möglich? Wenn Ihr schon Besuch habt, oder um diese Zeit lieber unter Euch seid, versteh ich das natürlich. Ich würde nachts fahren und vormittags ankommen in FFM. Es wäre so schön. Alles Liebe und Grüße an alle,

Anke

Dies war der 7. und letzte Teil einer kleinen Reihe von Tagebucheinträgen aus dem Herbst 1989.  Wer mehr als Tagebücher von mir zu dieser Zeit lesen möchte, dem sei mein Buch ans Herz gelegt.

For english versions, see HERE.
Weitere Informationen rund um die Wende ’89:

Teil 6 – Aus meinem Tagebuch vor 25 Jahren – Die Mauer fällt – 9.Nov.1989


„Heute – heute vor Stunden die Nachrichten – Grenze der DDR geöffnet! Ausreisen innerhalb von 24 Stunden, Privatreisen ab sofort bei 1 Wo – 2 Wo. Anmeldung möglich. Unglaublich. Große Freude? Große Trauer, unbegreiflich? – Je Stunde 3.500 Ausreiser, je Stunde!! Oh je, alle verlassen uns.“


Meine Tagebuchnotizen vom 09. November 1989. (English version HERE!)

Dies ist Teil 6 aus der Reihe “Aus meinem Tagebuch – vor 25 Jahren – Herbst 1989″, frühere Teile sind am Ende dieses Posts verlinkt, ebenso wie Dokumente, Fotos aus der Zeit und mein Buch „Mauern einreißen“. Es gibt alle Teile auch in englischen Übersetzungen auf meinem Blog. Kürzungen (private Inhalte) sind erkennbar an “(…)”, Erklärungen gibt es in Klammern: (ADB: Erklärung) oder so: (=blabla). Ausführlichere Erklärungen gibt es in Fußnoten.

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09.11.89 – 0:15, WH, FREITAG
Bruder verloren? (1) Heute – heute vor Stunden die Nachrichten – Grenze der DDR geöffnet! Ausreisen innerhalb von 24 Stunden, Privatreisen ab sofort bei 1 Wo – 2 Wo. Anmeldung möglich.

Unglaublich. Große Freude? Große Trauer (2), unbegreiflich?  – Je Stunde 3.500 Ausreiser, je Stunde!! Oh je, alle verlassen uns. Ist Kuno (= mein Bruder) überhaupt noch da? Der Demokratische Aufbruch (3) hat sich vor dem Übergang hingestellt und Leute versucht, zum hierbleiben zu bewegen. Alles geht, zu so vielen, alles bricht zusammen. Ständig neue Rücktritte, (4) alles überschlägt sich.

Auf diesem Radiorecorder habe ich am 9.11.1989 die Nachrichten von der Grenzöffnung verfolgt

Auf diesem Radiorecorder habe ich am 9.11.1989 die Nachrichten von der Grenzöffnung verfolgt

Neujahr in Italien? (5) Wie geht es Sebastian? (6) Solche Nachrichten und er da drin (= Gefängnis), wichtige Zeit. Zeitgeschichte. Berliner Millionendemo unvergesslich, Plakatsprüche Zeitdokumente. Neben mir schnurrt Cäsar, unsere 3. WH Katze, neben Susi und Detlef. K. wie ausgewechselt, so lieb. Ach ja. Wir werden eine 6 Mon. Studienunterbrechung beantragen, um in der Prod. zu arbeiten. Fürs Gesundheitswesen haben wir uns jetzt schon zur Aushilfe gemeldet. In KMST (=Karl Marx Stadt, heute Chemnitz) will man “versuchen”, die Dispensairebetreuung, die DMH (=Dringliche Medizinische Hilfe) und die Intensivtherapie aufrecht  zu erhalten… der Rest liegt brach, frei haben sie dort kaum. Wird das die allg. Lage der Ärzte verbessern helfen? Arbeit im Betrieb oder Altersheim – gut für den Menschen, wahr, nebenbei Geld für Reisen verdienen. Im Sommer nach Amerika? Kann ich die Überfahrt bezahlen? M. lädt mich ein, eine so liebe Seele. Frankreich besuchen? Mittelmeer, Holland, alle Leute, (7) Tunesien, Luanda, woher Urlaub, woher Geld?? Ich habe Sehnucht, überallhin, um wiederzukommen.
Anke.

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(1) Mein Bruder hatte die Ausreise beantragt und wie ich früher in mein Tagebuch schon schrieb, fürchtete ich bei einer Ausreise, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Bei den Nachrichten war mir also eine der wichtigsten Erkenntnisse: Mein Bruder ist nicht verloren, egal, ob er nun ausreist oder nicht, ich werde ihn wieder sehen können :-).

Selbstportrait, entstanden am 09.11.1989 unter dem Eindruck von Grenzöffnung und Massenflucht

Selbstportrait, entstanden am 09.11.1989 unter dem Eindruck von Grenzöffnung und Massenflucht

(2) Das mit der „großen Trauer“ versteht heute wohl kaum jemand mehr, aber so war es tatsächlich, ich hatte sehr ambivalente Gefühle. Die Alternative von der ich träumte, der Dritte Weg eines demokratischen Sozialismus, der mir und anderen Oppositionellen damals vorschwebte, war mit der Maueröffnung schlagartig obsolet geworden. Es war sonnenscheinklar, dass nun keine Massen mehr dafür auf die Straße gehen werden. Außerdem gab es gleichzeitig die Nachricht eines Ausreise-Tsunamis und die sofort einsetzende Massenflucht machte mir große Sorgen. Deshalb war ich eben nicht nur froh sondern auch traurig an jenem Abend. Wir hatten nicht nur für Reisefreiheit gekämpft sondern für ein großes Ganzes. Als ich die Nachrichten von der Grenzöffnung hörte, zeichnete ich gerade für das Fach Naturstudium Selbstportraits. Meine ambivalente Gefühlswelt ist in diesen grob mit Rohrfeder und Tusche gezeichneten Bildern gut erkennbar. Schön sind sie nicht geworden…aber eindringlich.

(3) Der Demokratische Aufbruch (DA) war eine der zahlreichen oppositionellen Gruppen der DDR. Sie existierte nur von Oktober 1989 bis August 1990 und ist vor allem durch Personalien bekannt. Innerhalb der DDR Opposition war der DA eine konservativere Strömung, seine Pressesprecherin war z.B. Angela Merkel, sein letzter Vorsitzender Rainer Eppelmann saß nicht nur am Runden Tisch in Berlin sondern wurde auch Minister in der ersten frei gewählten Regierung der DDR 1990. Eher berühmt berüchtigt war der zuerst als Vorsitzende amtierende Wolfgang Schnur, ein Rechtsanwalt, dessen Telefonnummer ich auch erhalten hatte, als ich Hilfe für meinen Freund Sebastian suchte. Ich habe diese Nummer vielfach angerufen aber zum Glück hob nie jemand ab. Es stellte sich nämlich heraus, dass Schnur langjähriger Stasispitzel war und insbesondere aus dem Inneren der Opposition fleißig berichtet hatte. Das kostete ihn dann auch den Job als Vorsitzender beim Demokratischen Aufbruch und machte damit den Posten frei für Rainer Eppelmann. Im August 1990 beendete der Demokratische Aufbruch seine Existenz als eigenständige Partei und schloss sich der DDR- CDU an, die wiederum im Oktober mit der West-CDU fusionierte. Und so kam Angela Merkel vom Demokratischen Aufbruch zur CDU, der erste Schritt in Richtung Kanzlerinnenamt.

So signierte ich die 6-7 Selbstportraits auf der Rückseite, die am 09. Nov. 1989 entstanden

So signierte ich die 6-7 Selbstportraits auf der Rückseite, die am 09. Nov. 1989 entstanden

(4) Der wichtigste Rücktritt war natürlich der von Erich Honecker, dem Staatsratsvorsitzenden, am 18.10.89, weitere Mitglieder des Politbüros folgten. Ein Kulminationspunkt in der Rücktrittsorgie war jedoch der Abgang von Erich Mielke, Chef der Staatssicherheit, am 7.11.89 – zusammen mit der Regierung Willi Stoph (Vorsitzender des Ministerrates). Am nächsten Tag, dem 8.11.89, trat das verbliebene Politbüro des ZK der SED zurück. Unvergessen sein (letzter?) Auftritt in der DDR Volkskammer, wo er den lachenden Abgeordneten und dem Rest der Welt erklärte, dass er sie doch alle liebe… „Ja, ich liebe, ich liebe doch alle… alle Menschen… ich liebe doch…“. Mir kommen die Tränen. (Video auf YouTube)

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(5) Ich hatte einen Brieffreund in Italien, der mich schon oft eingeladen hatte zu sich nach Padua. Nun schien ein Besuch auf einmal möglich…

(6) Sebastian heißt eigentlich anders. Ein Freund aus Kindertagen, der in Halle im Gefängnis saß. Ich hatte mich als seine Verlobte ausgegeben, um Schreib- und Besuchsrechte zu erhalten. Es hatte Anfang Oktober auch in der Justizvollzugsanstalt Proteste gegeben, von denen er mir in einem Schmuggelbrief berichten wollte. Er war erwischt worden (siehe dazu auch Teil 4 und 5 der Tagebücherserie) und litt unter verschärften Haftbedingungen.

Ausschnitt aus einem der 6-7 Selbstportraits, die am 9.11.89 entstanden

(7) In all diesen Ländern hatte ich Brieffreundschaften. Ich pflegte viele solche Briefkontakte, da es auch eine Art des Reisens war und  ein sprachlich-kultureller Austausch. Als auf einmal Reisefreiheit herrschte, schwirrte mir der Kopf voller Möglichkeiten. Ich hatte so viele potenzielle Einladungen, so viele Anlaufpunkte, so viele mögliche Reiseziele, dass ich ganz pragmatisch anfing zu überlegen, wo ich denn nun hinfahre, und wo ich die Zeit und das Geld dafür bekomme. Ich begriff erst dadurch, dass Reisefreiheit erst einmal nur eine theoretische Möglichkeit ist. Mein folgender Sommerurlaub führte mich aber dann tatsächlich mit dem Trabbi nach Frankreich in die Normandie und mit PanAm (das war früher mal eine recht große Airline) in die USA zu meiner Freundin M. Mit ihr fuhr ich per Auto von Massachusetts durch 11 Bundesstaaten, bis nach Tennessee zu ihrem brotbackenden Onkel. Auf dem Rückweg bestaunten wir die Niagarafälle, ich besuchte Boston und New York City. Dort sah ich die ersten Obdachlosen gleich am Busbahnhof, darunter jüngere Frauen, die auf Pappen schliefen. Ich wurde diesen Anblick sehr lange nicht mehr los…

***

Dies war der 6. Teil einer kleinen Reihe von Tagebucheinträgen aus dem Herbst 1989. Weitere folgen in den nächsten Tagen. Wer mehr als Tagebücher von mir zu dieser Zeit lesen möchte, dem sei mein Buch ans Herz gelegt.
For english versions, see HERE.
Weitere Informationen rund um die Wende ’89: