Immer wenn es wieder einmal Dezember wird, frage ich mich, wie ein Jahr denn schon wieder so schnell vergehen konnte und was ich denn so damit angestellt habe. Dieser Jahresrückblick ist daher keine Auswertung dessen, was in der übrigen Welt so passiert ist, sondern mein ganz persönlicher Rückblick auf dieses 2014 und meine Arbeit in dieser Zeit.
Ich habe viel geschrieben, zum Beispiel ein Buch.
Im Januar 2014 kam mein erstes Buch in die Welt: „Mauern einreißen! Weil ich glaube, dass wir die Welt verändern können.“ Es erschien bei Heyne, hatte Vorabdrucke in Die ZEIT und der FAZ, wurde in vielen Medien freundlich besprochen (siehe HIER für einen Überblick) und bescherte mir Lesungen in der ganzen Republik, die stets von lebendigen Debatten gefolgt wurden. Meine gelernte Erfahrung: ich kann gut vorlesen und sowohl ich als auch das Publikum haben etwas davon. In dem Buch geht es um diverse einzureißende Mauern, es kommt auch die deutsch-deutsche Mauer darin vor, die ich noch als Studentin in der DDR erlebt habe. Weil durch die Kombination aus Überwachungsskandal (NSA, BND und so weiter) und Mauerfall-Jubiläum das Interesse an den „Alten Zeiten“ hoch war, habe ich auch viele originale Unterlagen aus der Wende in der DDR hochgeladen.
Ich habe auch vor einem Vierteljahrhundert schon viel geschrieben – Tagebücher, Resolutionen, Manifeste…
Im Oktober / November 2014 habe ich meine alten Tagebuchnotizen des heißen Herbst 1989 veröffentlicht. Aufgrund des hohen internationalen Interesses habe ich sie auch ins englische übersetzt. Diese Reihe an Veröffentlichungen hatte 7 Teile, sie sind alle im ersten Beitrag dazu verlinkt – deutsche Fassung HIER und englische Fassung HIER.
Obwohl ich das Buchschreiben als insgesamt anstrengenden Prozess empfunden habe (das Schreiben geht schnell, aber das Kürzen und Überarbeiten ist die Hölle!), habe ich es nicht lassen können und gleich ein zweites Buch hinterher geschrieben. Das hat mich den ganzen Sommer und Herbst 2014 beschäftigt. Mein zweites Buch heißt „Ein bisschen gleich ist nicht genug. Warum wir von Geschlechtergerechtigkeit noch weit entfernt sind.“ und wird Anfang März 2015 ebenfalls bei Heyne erscheinen. Ich glaube, jetzt brauche ich aber doch eine Pause vom Bücher-schreiben.
Man nennt mich jetzt häufiger Publizistin, wohl weil ich öfter mal was schreibe, was man dann veröffentlicht lesen kann, hier einige Artikel, die in 2014 erschienen:
- Silicon.de “Glaube an No-Spy-Abkommen ist naiv und realitätsfern”, 02/2014
- Prager Frühling “Leaken für die Demokratie – Lobbyismus sichtbar machen”, 02/2014
- Prager Frühling “Die Zukunft des Produzierens”, 10/2014
- Handelsblatt “Die Alternative zu Sozialismus und Kapitalismus heißt Shareconomy”, 11/2014
- Berliner Zeitung “Ich lebte wie auf Eisschollen im Sommer”, 7.11.2014
- Goetheinstitut/China “Auch digitale Mauern müssen weg“, 11/2014
- Social Mania – Medien, Politik und die Privatisierung der Öffentlichkeit, Schriftenreihe Medienethik Band 13: von mir stammt das Kapitel: “Mit dem Internet zu mehr Transparenz und Mitbestimmung – notfalls durch Demokratie von unten” (erschienen im Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2014)
Als unverbesserliche Missionarin ihrer Ideen und Überzeugungen schreibe ich nicht nur, ich rede und debattiere auch viel, im Radio, auf Konferenzen, in Talkshows, hier ein kleiner Überblick über ein paar Termine aus 2014 (Aufzeichnungen finden sich in der Regel auf YouTube):
- Markus Lanz (09.07.2014) – Thema Überwachung, Freiheit versus Sicherheit, gemeinsam mit meinem Mann Daniel
- Maybrit Illner (17.07.2014) – Thema Überwachung, NSA, BND, u.a. mit Altmaier und Konstantin v. Notz
- Maybrit Illner (11.09.2014) – Thema Shareconomy, Internet – u.a. mit Jeremy Rifkin
- Münchner Runde (04.11.2014) – Thema 25 Jahre Mauerfall
- Anne Will (05.11.2014) – Thema Bodo Ramelow und Thüringen – ein Linker MP – ist Deutschland schon so weit? (offenbar JA)
Gefühlt habe ich eine zillion Interviews gegeben, zu allen möglichen Themen, hier und da erschienen auch Portraits von mir, hier mal eine Auswahl:
- SWR2 Kulturgespräch – „Warum wir die Welt verändern können“, 01/2014
- Berliner Zeitung – Portrait “Anke Domscheit-Berg – die Überzeugungstäterin”, 02/2014
- Handelsblatt “Kopf der Woche – Hauptberuflich frech”, 03/2014 (paywall)
- Politik und Kommunikation – Doppelinterview mit Daniel Domscheit-Berg zu Piraten, digitaler Gesellschaft, Buch “Mauern einreißen”, 03/2014
- MDR Figaro – Interview zum Buch “Mauern einreißen”, 03/2014
- Galore.de – Interview mit Bezug zum Buch “Mauern einreißen”, 03/2014
- Märkische Allgemeine Zeitung, Portrait und Buch “Mauern einreißen” 02/2014
- WDR5 – Neugier genügt – Redezeit – Interview zum Tod von Schirrmacher und Buch Mauern Einreißen, 13.06.2014
- Die ZEIT – Interview zum Mauerfall, 17.07.2014
- RBB Inforadio – Interview zum Sommer 1989, 06.08.2014
- MDR Figaro Trifft – Interview zur Person, 27.08.2014
- Frankfurter Rundschau – “Geheimdiensten das Geheime nehmen”, 25.08.2014
- Berliner Morgenpost – Portrait – “Das Internet ist für Anke Domscheit-Berg wie ein zweiter Mauerfall”, 9.11.2014
- Radio Bremen – Interview „Was tun gegen Shitstorms?„, 18.11.2014
- SWR Radio Interview “Cybermobbing – Toleranz im Internet”, 19.11.2014
- Funkhaus Europa – Interview zu Toleranz im Internet, 11/2014
- dbate skype-talk Interview zu Überwachung durch Google (Video), (auf YouTube) 29.11.2014
- BR2 – Notizbuch – Aufzeichnung der Livedebatte mit Julian Nida-Rümelin zu „Machbarkeit und Moral“ beim Tollwood Festival in München, 12.12.2014
Auch international gab es viel Nachfrage, vor allem rund um das Mauerfalljubiläum, hier ein paar davon:
- UK: BBC Live TV Interview am 9.11.2014 in Berlin
- UK: SkyNews Reportage zum Tagebuch 1989 (“Young Woman’s Berlin Wall Diary Revealed”, 8.11.2014)
- UK: The Guardian: “Berlin’s digital exiles: where tech activists go to escape the NSA“, 9.11.2014
- Dänemark: Information: (Dän. Tageszeitung) “’Jeg kunne altid mærke, at Stasi var efter mig’” – 5.11.2014
- Mexiko: TV Interview am 9.11.2014 in Berlin
- Holland: Trouw (Tageszeitung): Interview zum 25. Jahrestag des Mauerfalls: “25 jaar na de Muur” (print), Ausgabe 7.11.2014
Das Mauerfall-Jubiläum hat mich emotional sehr aufgewühlt, so viele Erinnerungen kamen hoch (siehe die Tagebücher und Originaldokumente). Gleichzeitig wurde durch das allgemeine und positive Gedenken an den Mauerfall die Widersprüchlichkeit noch krasser zwischen der Glorifizierung von „Fluchthelfern“ in der DDR Zeit und der Kriminalisierung von „Schleusern“, die in der Gegenwart Menschen auf der Flucht dabei helfen, die kranken Grenzanlagen rund um Europa (sie kosten Milliarden Euro!) zu überwinden. Ich habe mir dazu etwas von der Seele geschrieben, als mein Mann an einer Aktion des Zentrums für politische Schönheit teilnahm, um die Europäischen Außengrenzen einzureißen.
Ja und dann gab es noch die Piraten… kurz vor dem 04. Januar 2014 ließ ich mich dazu überreden, mich als Kandidatin der Piratenpartei für die Europawahlen anzubieten – auf dem Aufstellungsparteitag am 4.1. in Bochum wurde ich dann auf Platz 3 der Piraten-Europaliste gewählt. Es folgten wilde Wahlkampfmonate. Eigentlich war ich vom Bundestagswahlkampf noch ganz platt, da war ich erst ein paar Monate vorher auf Listenplatz 2 in Brandenburg als Kandidatin angetreten. Ich war außerdem Landesvorsitzende der Piratenpartei in Brandenburg, was auch eine Menge Arbeit bedeutete. Am 23.5.2014 war dann auch nicht nur die Europawahl sondern auch Kommunalwahl in Brandenburg. Der Wahlkampf war aufregend, ausbrennend, gleichzeitig er- und entmutigend. Ich kam überall in Deutschland herum, hatte auch beim Flauschwahlplakat-Guerillastricken an all meinen Wahlkampforten viel Spaß, lernte jede Menge großartiger Pirat*innen kennen aber auch Widerstand, Angriffe, #keinhandschlag Vertreter*innen und anderes, das mich sehr frustrierte. Die Wahlen waren leider nicht sehr erfolgreich, aber immerhin zog mit Julia Reda eine Piratin in das Europaparlament, die dort schon jetzt einen beeindruckenden Job macht. Für sie hat sich jede Minute Wahlkampfstress schon gelohnt. Dennoch entwickelte sich die Piratenpartei als Ganzes in Deutschland in eine für mich nicht mehr erträgliche Richtung, deshalb bin ich im September 2014 ausgetreten und habe 2,5 Jahre Piratendasein für mich beendet. Meine Gründe habe ich HIER erklärt.
Das war mein Jahr im Schnelldurchlauf. Ich habe ganz sicher viel vergessen, für Bilder reicht die Zeit jetzt auch nicht mehr (vielleicht füge ich sie später ein), denn ich bin auf dem Sprung zum letzten Highlight in diesem Jahr – dem 31. Kongress des Chaos Computer Clubs: #31C3. Auf dem weltgrößten Hackerkongress werden sich dieses Jahr über 8.000 Menschen treffen, über Überwachung, Selbstschutz, 3D Drucker, Copyright, Informationsfreiheit, TTIP und vieles andere diskutieren. Ich freue mich darauf, dort wieder Freunde von überall her zu treffen und dort auch wieder eine Guerillastrickaktion zu machen, zum 4. mal in Folge (HIER kann man ein paar Bilder vom 29C3 sehen).
Ach ja, die Kunst – auch dieses Jahr habe ich wieder Umwelt verschönert, nach dem Spitzenbaum in Himmelpfort gab es dieses Jahr einen Spitzenbaum in Fürstenberg/Havel. Dazu folgt ganz bestimmt bald ein Bild!