Wasserfest in Fürstenberg – Piraten lassen NSA und BND baden gehen

ADB am Infostand in FürstenbergAm 13. und 14.07.2013 fand in Fürstenberg an der Havel das jährliche Wasserfest statt, das 10.000 Gäste anzog. Wir waren mit einem Informationsstand auf dem Marktplatz das ganze Wochenende präsent, zum Teil in Piratenkleidern – passend zur Feststimmung in der Stadt.
Höhepunkt des Festes war wieder die Spaßbootregatta am Samstag, an der sich auch Piraten aus Brandenburg, Berlin und Hessen mit drei Booten beteiligten. Wir hatten uns für unseren Spaßbootbeitrag überlegt, wie wir einerseits dem Charakter des Festes entsprechen und andererseits uns wichtige Botschaften vermitteln konnten.
Überwacherboot - wir werden ausgehorcht und beobachtetDie Idee dazu hatten wir zwei Wochen vor dem Fest, das war zwar wenig Zeit, aber Piraten können schnell mobilisieren und organisieren. Mit zehn Piratinnen und Piraten hatten wir eine Besatzung für drei Kanus schnell zusammen. Eines der Boote und seine Besatzung symbolisierten die Massenüberwachung, die anlasslos durch ausländische aber auch durch deutsche Geheimdienste offenbar Alltag ist und Menschen im ganzen Land empört.
Überwacherboot Stasi 2.0Das Boot trug entsprechende Beschriftungen, eine britische Fahne (Tribut für das Spionierprogramm Tempora, mit dem der britische Geheimdienst monatlich 500 Millionen deutsche Kommunikationsdatensätze speichert) und zwei perfekt als Überwacher verkleidete Piraten.
Mit ihren schwarzen Anzügen, Sonnenbrillen und Krawatten nebst Abhörgeräten, die sie auf die Besucher des Festes richteten – und auf uns anderen Piraten – sahen sie beunruhigend aus, Bilderbuchstereotype aus Spionagekrimis.
Piratenboot - mit ADB, Cornelia Otto, Friedrich SchumannAuf unseren beiden anderen Booten waren wir alle in historischen Piratenkostümen verkleidet, an Bord waren auch Piraten- und Friedensfahnen. In unserer kleinen Choreographie griffen die Piratenboote das Überwacherboot an, ich enterte es und hatte das Vergnügen, die beiden Überwacherdarsteller in den Schwedtsee zu werfen. Mit mir im Boot Cornelia Otto, die Spitzenkandidatin für die Piraten Berlin bei der Bundestagswahl 2013.
Der Überwacher landet im WasserWie in alten Märchen triumphierte bei uns auf dem Wasserfest das Gute über das Böse. Im realen Leben geht das leider nicht so schnell und vor allem nicht so einfach. Immer noch erfahren wir in jeder Woche neue erschreckende Details zum Überwacherskandal und was unsere Bundesregierung eigentlich doch alles gewußt hat aber immer noch nicht zugeben mag. Jede Woche gibt es ein Programm mehr, das seltsamerweise auch Prism heißt- aktuell sind es drei davon. Dafür werden die verhinderten Terroranschläge immer weniger. Sprach Bundesinnenminister Friedrich nach seiner USA Reise noch von 5 in Deutschland verhinderten Anschlägen, waren es kurz darauf nur noch 2, inzwischen ist keiner übrig geblieben, bei dem durch anlasslose Massenüberwachung ein nennenswerter Hinweis erbracht wurde.
Beim Wasserfest in Fürstenberg gab es auch ein Boot des „Herrn Wichmann von der CDU“, bekannt aus einem unterhaltsamen Dokumentarfilm für den er bei seinem erfolglosen Wahlkampf für den Bundestag 2009 begleitet wurde. Vor dem Start der Regatta besuchte er unsere Boote und schnell entspann sich eine heftige Debatte um die Überwachung von Telefon- und Internetdaten. Man darf Herrn Wichmann getrost unter den „Extrem Hardlinern“ mit wenig Kenntnis des Grundgesetzes einsortieren – zumindest bekam ich durch seine Aussagen diesen Eindruck. Seine Meinung lässt sich kurz zusammenfassen: wer nichts zu verbergen hat (so wie er selbst), dem ist es doch egal, ob er überwacht wird, außerdem ist doch eh klar, wenn man das Internet nutzt, dass die Daten da vogelfrei sind und wer das nicht will, der soll das Internetnutzen halt sein lassen. Er fragte uns auch, ob wir schon persönlich einen Schaden erlitten hätten, weil jemand unsere Daten mitgelesen hätte und wies auf die Terrorbekämpfung hin. Unsere Argumente, dass es doch ein Post- und Fernmeldegeheimnis mit Verfassungsrang gäbe, zählten für ihn nicht. Seine Pseudoargumente hielt er dagegen. Ich glaube, dass Politik auch baden geht, so wie der Überwacher, den wir ins Wasser warfen, wenn unsere Volksvertreter der Verfassung so wenig Gewicht beimessen.
Überwacher geht badenUnd ja, ich habe einen Schaden erlitten, wenn jemand meine Daten abzapft und speichert und inzwischen ist ja hinreichend bekannt, dass das praktisch die gesamte Internetkommunikation betrifft – also auch meine. Mein Schaden ist die Verletzung eines hochrangigen Grundrechtes, meines Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung, das Post- und Fernmeldegeheimnis – das grundsätzlich auch für elektronische Post- und Kommunikation gelten muss. Herr Wichmann hatte auch darauf eine Antwort – nämlich, dass das alles sowieso niemanden außer uns interessieren würde und deshalb die CDU 40% hätte und die Piraten nur 3%. Am nächsten Tag wurde übrigens eine EMNID Prognose veröffentlicht, die die Piraten bei 4% und damit nur noch ein Haarbreit vor der Einzugshürde in den Bundestag sah, Forsa in der Woche darauf hat diese Prognose bestätigt. Aber davon mal ganz abgesehen, ist es für eine Bewertung der Verfassungswidrigkeit einer anlasslosen Massenüberwachung der gesamten internet-basierten Kommunikation der deutschen Bevölkerung auch völlig unerheblich. Seine Aussage zeugt allein von Arroganz und davon, dass das Grundgesetz für ihn offenbar eine Bagatelle ist.
Tagesthemen 15.07.2013Über das Wasserfest und unsere Beteiligung haben jedenfalls viele Medien berichtet, selbst die Tagesthemen zeigten unsere Boote und ein kurzes Statement von mir. So macht Wahlkampf Spaß – auch bei ernsten Themen. Diesen Teil der Tagesthemen gibt es natürlich auch auf YouTube.
Am Samstag, dem 27.07.2013 bin ich in Stralsund dabei, wenn am weltweiten Aktionstag gegen Prism und sonstige inländische und ausländische Massenüberwachung auch an vielen Orten in Deutschland demonstriert wird. Wer sich kurzfristig beteiligen möchte, findet eine Übersicht der Veranstaltungsorte HIER. Ich werde im Wahlkreis von Angela Merkel dabei sein – diesmal wieder im historischen Kostüm, schließlich sind dort noch die Wallensteintage :-).
Meine Petition bei change.org hat inzwischen schon 44.000 Mitzeichner. Ich bin zuversichtlich, dass es noch 100.000 werden (dazu bitte mit Unterschrift und Verbreitung beitragen!).
Wer sich noch fragt, warum er oder sie betroffen sein sollte, der kann diesen Artikel von Sascha Lobo lesen. Spätestens danach sollte man heftige Gefühle haben, die nach Protest auf der Strasse verlangen.