Mein Versprechen bei wepromise.eu – Digitale Rechte möchte ich im Europa-Parlament verteidigen!

Die Initiative wepromise hat einen 10 Punkte Forderungskatalog für digitale Rechte (siehe unten) aufgestellt und Kandidat*innen für die Wahl zum Europa-Parlament aufgefordert, sich zur Umsetzung dieser Forderungen zu verpflichten. Das habe ich bei meinem Besuch in Brüssel im Europa-Parlament getan (siehe hier meine Berichte Teil 1, Teil 2 und Teil 3 zu dieser Reise).
In einem 2 Min Videostatement, zu dem es auch englische und französische Untertitel gibt, habe ich erklärt,

  • warum ich mich dazu verpflichte,
  • wofür ich mich in Brüssel besonders einsetzen würde und
  • warum es wichtig ist, wählen zu gehen.

HIER oder bei Klick auf das Bild könnt Ihr das Video auf YouTube sehen:
YT - Selbstverpflichtung zu Wepromise
Die 10 Forderungen von wepromise sind die folgenden (Details gibts bei Klick auf die einzelnen Forderungen):

  1. Ich werde mich für Transparenz, Zugang zu Dokumenten und Bürgerbeteiligung einsetzen.

  2. Ich werde Gesetze zur Stärkung von Datenschutz und Privatsphäre unterstützen.

  3. Ich werde mich für uneingeschränkten Zugang zum Internet und Internetdiensten einsetzen.

  4. Ich werde die Modernisierung des Urheberrechts unterstützen.

  5. Ich setze mich gegen flächendeckende, unkontrollierte Überwachungsmaßnahmen ein.

  6. Ich werde Anonymität und Verschlüsselung im Internet unterstützen.

  7. Ich werde Maßnahmen zur privatisierten Rechtsdurchsetzung außerhalb der Rechtsstaatlichkeit ablehnen.

  8. Ich werde mich für Exportkontrollen von Zensur- und Überwachungstechnologien  einsetzen.

  9. Ich werde mich für das Multistakeholder- und Mitbestimmungsprinzip einsetzen.

  10. Ich werde die Nutzung von Freier Software unterstützen (Open Source Software).

Auch Wählerinnen und Wähler bittet wepromise.eu, eine Verpflichtung abzugeben, nämlich, dass sie ihre Stimmabgabe bei den Wahlen zum Europa-Parlament an die Abgabe der Selbstverpflichtung durch wählbare Kandidat*innen binden werden.
 

Besuch im Europäischen Parlament – Teil 2 – Gespräche mit Piraten MEPs und Eindrücke

Dies ist Teil 2 meiner Berichte zum Besuch im Europäischen Parlament vom 19-22.03.2014. In Teil 1 habe ich über Lobbyismus und das Thema Copyright geschrieben. In diesem Teil soll es um die Eindrücke am gleichen Tag gehen. In einem dritten Teil schreibe ich zur Gründung der European Pirateparty und zur Internet Governance Conference, die am 21.03.2014 stattgefunden haben.

EU Parlament - Glasgang

EU Parlament – Glasgang zwischen Gebäuden


An meinem ersten Besuchstag im Europaparlament haben wir, Julia Reda, Fotio Amanatides und ich, mehrere Mitglieder des Europaparlaments und Mitarbeiter treffen können. Von allen Gesprächen habe ich sehr profitiert.
Unser Tag sah in der Übersicht so aus: Donnerstag, 20.03.2014

  • 08:00 Meet up am EU Parlament, Eingang Rue Wiertz, Akkreditierung
  • 08:30-10:00 Copyright Breakfast mit MEP Amelia Andersdotter. Member Salon
  • 10:00-10:45 Abstimmung deutscher Piratenpartei Kandidat*innen (Julia, Fotio, Anke).
  • 10:45-11:30 Führung durch das EU Parlament mit Mattias Bjarnemalm, Mitarbeiter im EU Parlament, Gespräch mit Christian – Mitarbeiter der Grünen-Fraktion für die Piraten-MEPs
  • 11:30-12:30 Video-shooting für wepromise.eu pledge mit Fotio und Anke
  • 12:30-14:00 Lunch mit MEP Martin Ehrenhauser
  • 14:15-14:30 Foto-shooting mit Team von wepromise.eu (goVeto)
  • 14:30-16:00 Meeting mit MEPs der schwedischen Piratenpartei: Amelia Amersdotter und Christian Engström
  • 16:00-16:45 Kaffee mit Strategieberater der Grünen-Fraktion Eduard Gaudot
  • 18:30-20:00 European Pirates Internet Governance Conference – opening event

EU Parlamant Kunst am BauDas Gebäude des Europa-Parlamentes besteht eigentlich aus mehreren Gebäuden, die teilweise über Brücken miteinander verbunden sind. Die meisten Teile sind hell und freundlich, hier und da steht ein riesiges Kunstelement herum. Das hier abgebildete soll sogar im ganzen Haus Töne verbreiten, wenn man an eine der Stangen schlägt ;-). Ohne Mattias, unserem „Reiseführer“ mit Insiderkenntnissen, wären wir sehr schnell in all diesen Gängen verloren gegangen. Er zeigte uns Bereiche, in die man als normale Besucher gar nicht kommt, die Fraktionsbüros der Grünen-Fraktion zum Beispiel, die diversen Cafés (es gibt sogar eines, das Mickey Mouse heißt), und die Labyrinthe, die alle möglichen Gebäudeteile miteinander verbinden.
Eindrucksvoll war die „Newsstation“ (wie der Ort tatsächlich heißt, weiß ich nicht – Update: Julia wußte es, es heißt „voxbox“). Dieser Counter sah jedenfalls aus wie eine TV Station, mit vielen flimmernden Bildschirmen, auf denen Interviews oder Einspieler liefen, Menschen, die wie Moderatoren oder Berichterstatter aussahen herumsaßen, und einem hinteren Gelände, in dem man jederzeit einen fertigen Hintergrund hatte für eine beliebige EU Talkshow, ein Interview oder was auch immer. Im diesem Bild steht Julia Reda, unsere Spitzenkandidatin daneben – wenn sie gewählte MEP ist (dafür reichen 0,5%!) – wird sie dort bestimmt noch oft stehen :-).

Julia Reda, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland für die EU Wahlen, am Newscounter im EU Parlament

Julia Reda, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland für die EU Wahlen, am Newscounter im EU Parlament (Update: das Ding heißt „voxbox“)


Die Glasgänge hatten es mir angetan – nachstehend nur eines von vielen Bildern, die ich dort gemacht habe. Im Foto: Julia Reda mit Martin Ehrenhauser. Ein wenig spacig sah es dort schon aus. Mir gefiel der transparente Charakter dieser Architektur.
Julia Reda, Piratenpartei Deutschland, mit Martin Ehrenhause in den Glasbrückengängen des EU Parlamentes

Julia Reda, Piratenpartei Deutschland, mit Martin Ehrenhause in den Glasbrückengängen des EU Parlamentes


Mit Martin Ehrenhauser – fraktionsloses Mitglied des EU Parlaments – sind wir in der Mittagspause in die Sonne gegangen. In einem Imbiß haben wir uns ein paar Kleinigkeiten geholt, die wir in einem Park in der Nähe als Picknick verspeist haben. Nebenbei haben wir uns über Alltag im Europa Parlament unterhalten, über Fraktionspolitik und solche Dinge.
EUParl-MitJuliaBeimPicknick
Ernster wurde es wieder nach dem Mittag, als wir mit den Piraten-MEPs Amelia Andersdotter und Christian Engstrom zusammen trafen. Nicht alles, was wir erfuhren, war ermutigend und machte Lust auf Europapolitik. Aber besser, man weiß vorher, was einen erwartet. Spannend war für mich, was die beiden MEPs erreichen konnten und in wie weit man überhaupt als einzelne Person dort einen Unterschied machen kann.
Christian Engstrom, Piraten-MEP aus Schweden. Mate gibt es in Brüssel offenbar genug.

Christian Engstrom, Piraten-MEP aus Schweden. Mate gibt es in Brüssel offenbar genug.


Gerade beim Widerstand gegen ACTA haben die beiden Parlamentarier jedoch viel erreichen können. In der Grünen-Fraktion, der die Piraten angehören, gab es keine besonderen Netzpolitik Kompetenzen, erst auf Bestreben der Piraten MEPs wurde ein Mitarbeiter dafür eingestellt.
Die Piraten-MEPs sorgten dafür, dass die Zivilgesellschaft Druck auf einzelne Abgeordnete machte, dass Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen entstanden, sie bereiteten den Boden innerhalb des Europa Parlamentes, auf den dann der externe Druck durch weltweite Anti-ACTA Proteste traf – so wurde der Widerstand besonders effektiv und am Ende kippte ACTA. Amelia Andersdotter hatte als Rapporteurin des Industrie-Ausschusses in diesem Gremium ein Proposal eingereicht, das einer der Sargnägel für ACTA wurde.
Amelia Andersdotter und ihr Team im EU Parlament (ganz links Mattias Bjarnemalm) - Ihr Büro befindet sich im Gebäudebereich 6E - außerhalb der Grünen-Fraktion, daher "Exile"

Amelia Andersdotter und ihr Team im EU Parlament (ganz links Mattias Bjärnemalm) – Ihr Büro befindet sich im Gebäudebereich 6E – außerhalb der Grünen-Fraktion, daher „Exile“


Amelia riet uns, im Wahlkampf verstärkt auf das Thema Copyright zu setzen, denn das Parlament kann sich nicht selbst aussuchen, welche Themen auf seine Tagesordnung kommen, da nur die Kommission das Initiativrecht für Gesetze hat. Bei einigen Themen steht jedoch schon fest, dass die kommende Legislatur sie auf den Tisch bekommt – dieses gehört dazu. Wir lernten, dass jede*r MEP Vollmitglied in einem der 20 Ausschüsse ist und stellvertretendes Mitglied in einem weiteren. Wer in welchen Ausschuss kommt, ist Verhandlungssache – vor allem innerhalb der Fraktion, der man angehört, denn jede Fraktion hat nur eine begrenzte Anzahl Ausschußmitgliedschaften zu verteilen. Mit einem Thema befasst sich meist ein Ausschuss federführend, andere arbeiten ggf. zu etwa durch Stellungnahmen. Beim Urheberrecht wird die Federführung wohl der Rechtsausschuss haben aber der Kultur und Bildungsausschuss und weitere werden Zuarbeit leisten.
Foto: GoVeto, von links nach rechts: Julia Reda, ich, Fotio Amanitides, Martin Ehrenhauser (MEP) vor dem Altiero Spinelli Gebäude des EU Parlamentes

Foto: GoVeto, von links nach rechts: Julia Reda, ich, Fotio Amanatides, Martin Ehrenhauser (MEP) vor dem Altiero Spinelli Gebäude des EU Parlamentes


Wir haben auch gefragt, welche Erfahrungen die MEPs gesammelt haben, von denen sie sich gewünscht hätten, sie hätten sie früher davon gewußt. Hier sind ein paar dieser Tipps (manche finde ich traurig):

  • Was immer Ihr sagt – geht davon aus, dass es auf die negativst mögliche Weise ausgelegt werden wird
  • Was immer Ihr versprecht – geht davon aus, dass es nie vergessen wird und auch unter widrigsten Bedingungen eingefordert
  • Vertraut nicht darauf, dass die Brüsseler Administration Euch die richtigen Prozessinformationen rechtzeitig zur Kenntnis gibt – stellt sicher, dass sich Eure Mitarbeiter*innen darum kümmern, dass alle erforderlichen Schritte frühzeitig bekannt sind
  • Vertraut nicht darauf, dass sich politische Gegner an die Regeln halten – sie werden tricksen, wo immer es geht
  • Delegiert alles, was mit Admin zu tun hat – Ihr braucht jede Minute für die inhaltliche, politische Arbeit; Ihr werdet immer zu viele Akten auf Eurem Tisch liegen haben
  • Erarbeitet Euch die Historie von Anträgen/Akten, die Ihr auf den Tisch bekommt, oft vermittelt die mehrjährige Entwicklungsgeschichte bestimmter Proposals ein besseres Verständnis, auch dazu, wie man die Inhalte entsprechend der eigenen politischen Schwerpunkte beeinflussen kann – und wie man das am besten anstellt.
  • Es gibt kaum MEPs, die ein Transparency Log pflegen – es ist aufwändig und die Grauzonen sind groß. Laßt Euch beraten von NGOs, die Expertise haben – von Transparency oder Lobby Control, wie man das am besten macht.

Illusionen hatten wir bestimmt alle keine, aber trotzdem war es nicht besonders ermutigend, vor allem Warnungen zu erhalten. Ich bin froh, dass wir mit einem guten Team einziehen werden – gemeinsam sind wir stärker.
Am Abend des 20.03.2014 begann die Internet Governance Konferenz der European Pirateparty – die Rede, die ich dort für meinen Mann Daniel und für Peter Sunde, den Gründer der Piratebay und Spitzenkandidat der finnischen Piratenpartei für die EU Wahlen gehalten  habe, habe ich bereits HIER veröffentlicht. In meinem 3. und letzten Bericht zum Besuch im Europäischen Parlament werde ich über die Fortsetzung der Internet Governance Konferenz am 21.3.2014 und die am gleichen Tag stattfindende Gründung der European Pirateparty schreiben.

Platz vor dem EU Parlament Richtung Place Luxembourg

Platz vor dem EU Parlament Richtung Place Luxembourg


Den ersten Teil meines Berichts zum Besuch im EU Parlament, der sich vor allem mit Lobbyismus und der Urheberrechtsreform befaßt, gibt es HIER.
Teil 3 meines Berichts zum Besuch im EU Parlament zu Gesprächen mit Abgeordneten und vielen Eindrücken vor Ort gibt es HIER.
 

Neues von der NSA, Besuch im EU Parlament, Gründung der PPEU

Programm MYSTIC – mehr Überwachung geht kaum
Immer, wenn man denkt, schlimmer kann es ja nun nicht mehr werden, setzt die NSA noch eins drauf. Seit gestern wissen wir, dass der US amerikanische Geheimdienst die vollständige Telekommunikation eines ganzen Drittlandes nicht nur an- sondern vollständig abzapft, speichert für einen Monat und mittels Algorithmen durchsucht. Getan wird das für mindestens ein Land, welches ist (noch) unbekannt, weitere 5-6 Ländern sind jedoch mindestens geplant – vielleicht sind sie auch schon längst Teil des Programms, das sich MYSTIC nennt.

Dies ist ein Teil eines Screenshots von Inforadio Berlin Brandenburg - für das früher darin enthaltene Bild ließ mir die Caro Fotoagentur eine Abmahnung über 554€ schicken... deshalb nun ohne dieses künstlerisch nicht erwähnenswerte Bild

Dies ist ein Teil eines Screenshots von Inforadio Berlin Brandenburg, auf dem das Interview mit mir beschrieben und verlinkt war. Für das früher darin enthaltene Bild ließ mir die Caro Fotoagentur eine Abmahnung über 554€ schicken… deshalb nun ohne dieses künstlerisch wirklich nicht erwähnenswerte Bild.


Auch diese Enthüllung verdanken wir dem Whistleblower Edward Snowden, der immer noch beim Superdemokraten Putin ausharren muss, weil keine der europäischen Demokratien genug Mumm in den Knochen hat, ihm politisches Asyl zu bieten. Selbst in der EU wiegen Menschenrechte nicht schwer genug, um im Vergleich gegen wirtschaftlichen oder politischen Druck der USA nicht wohlfeil zu sein. Ich finde das unerträglich. Mehr lesen zu MYSTIC kann man bei Washington Post, heute.de, und Spiegel Online. Dem RBB Inforadio habe ich am 19.3.2014 ein Interview gegeben, HIER kann man es nachhören.
EU Asyl für Whistleblower wie Edward Snowden
Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014

Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014


Wo bleibt ein “europäisches Asyl” mit einem festgelegten Prozess, rechtssicher, in dem nach klaren Kriterien Whistleblowern, die Rechtsverletzungen mit Bezug auf die EU an die Öffentlichkeit bringen, vor politischer Verfolgung in ihren Herkunftsländern geschützt werden? Ein solches europäisches Asyl würde verhindern, dass Nationalstaaten einer auf den anderen zeigen und jeder einzelne zu feige ist, sich allein gegen die USA zu stellen. Das Rückgrat der EU kann viel stärker und größer sein als es das jedes einzelnen Mitgliedslandes sein könnte. Worauf wartet die EU? Wer immer noch an den Motiven von Edward Snowden zweifelt oder sich nicht klar darüber ist, was seine Aufdeckungen für uns in Europa bedeuten, dem empfehle ich, seine Antworten zu lesen, die er schriftlich den Mitgliedern des europäischen Parlamentes auf ihre Fragen schickte (pdf), da er nicht persönlich zur Anhörung im Untersuchungsausschuss kommen durfte.
Besuch bei Piraten MdEPs in Brüssel
Am 20.03.2014 werde ich im Europa-Parlament Abgeordnete der Piratenpartei Schwedens treffen und Martin Ehrenhauser, österreichischer, fraktionsfreier MdEP, der Spitzenkandidat des neuen Wahlbündnisses für die anstehende EU Wahl in Österreich ist, dem auch die dortige Piratenpartei angehört. Ich habe viele Fragen zum politischen Alltag in der EU aber auch konkret zur Arbeit der Piratenabgeordneten. Ich bin gespannt darauf, von Amelia Andersdotter zu hören, wie genau sie es (natürlich mit anderen) geschafft hat, ACTA im EU Parlament zu kippen. Ich möchte lernen, was man mit viel Motivation und Engagement schaffen kann – und wo die Grenzen sind. Ich möchte nicht zu denen gehören, die im Wahlkampf Unmögliches versprechen aber ich möchte nichts, was irgend geht, unversucht lassen. Von den Erfahrungen der bisherigen Piratenmitglieder im europäischen Parlament läßt sich sehr viel lernen. Darauf freue ich mich schon sehr!
Gründung der PPEU
Wahlplakat der Piratenpartei zur Europawahl 2014

Wahlplakat der Piratenpartei zur Europawahl 2014


Am 21.03.2014 wird in Brüssel der Gründungsprozess der Europäischen Piratenpartei PPEU formell abgeschlossen, aktuell gehören ihr 16 nationale Piratenparteien an. Das ist ein historischer Moment und ich bin jetzt schon stolz dabei zu sein! Die Piratenparteien Europas werden mit einem gemeinsamen Wahlprogramm antreten – das ist in der EU einmalig. Unser anderer Ansatz zeigt, dass wir auch anders Politik machen wollen. Wir sehen uns nicht als Vertreterinnen und Vertreter einer einzelnen Nation sondern von Bürgerinnen und Bürger in der EU. Wir vertreten gemeinsame Werte, wir stehen wir ein Demokratie Update – mit mehr Transparenz und mehr demokratischer Teilhabe für jeden, für ein offenes Europa, für freien Zugang zu Wissen, Kunst und Kultur, für ein offenes Internet, das niemanden diskriminiert, nicht zur Massenüberwachung mißbraucht wird, und keine Zensurinfrastuktur enthält. In Ergänzung  zum gemeinsamen Wahlprogramm gibt es das erweiterte Wahlprogramm der Piratenpartei in Deutschland für die Europawahl, wir haben es bei unserem Bundesparteitag im Januar verabschiedet.
Internet Governance Conference der Piraten im EU Parlement
Im Anschluss an die Gründung der PPEU findet im EU Parlament eine Internet Governance Konferenz statt, ausgerichtet von Piraten MdEP. Fast 400 Teilnehmer*innen haben sich angemeldet – es wird ein sehr internationales Treffen werden. Auf die Piraten-Konferenz zu diesem Thema bin ich sehr gespannt, eine Reihe  spannender Redner*innen sind angekündigt, u.a. unsere Spitzenkandidatin für Europa, Julia Reda, aber auch Jacob Appelbaum, Experte für Anonymität im Internet, fukami vom CCC, Marietje Schaake (MdEP aus Holland für die D66) und viele andere. Das Programm zur Konferenz findet sich HIER. Es geht dabei um viele verschiedene Aspekte von Internet Governance, die auch die überfällige Urheberrechtsreform, Fragen des Datenschutzes und die Sicherung der Netzneutralität betreffen.
Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014

Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014


Im April findet in Brasilien die internationale Tagung NetMundial statt, auf der die aktuell kaputte Internet Governance debattiert und Grundlagen für eine Restrukturierung geschaffen werden sollen. Bisher haben die USA den Finger auf den wichtigsten Infrastrukturen des Internets, z.B. DNS Root Server, über die die ICANN die Aufsicht tätigt, die wiederum dem US Handelsministerium untersteht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Das Internet ist nicht nur eine Technologie, es beeinflusst alle Aspekte der Gesellschaft, überall auf der Welt. Es ist daher nicht hinnehmbar, dass ein einzelnes Land – ohne Legitimation, ohne demokratische Kontrolle, intransparent und ohne jede Rechenschaftspflicht, die wesentliche Steuerung innehat. Es gibt viele gute Überlegungen, wie eine bessere Governance des Internets aussehen könnte, eine sehr lesenswerte hat die in Indien gegründete Just Net Coalition ausgearbeitet und als Vorschlag an die brasilianische Governance Konferenz eingereicht. Sehr lesenswert ist auch die Sammlung von Inhalten bei Knowledge Commons zum Themenfeld Internet Governance. Erst vor wenigen Tagen habe ich in der französischen Botschaft mit Senatorin Catherine Morin-Desailly über Fragen der Internet Governance debattiert. Wie war sehr interessiert an den Ideen und Visionen, die ich ihr als Vertreterin der Piratenpartei und mit Hintergrund in der Zivilgesellschaft erzählen konnte. Auch auf allen formellen Ebenen ist jedoch nicht nur ein Austausch an Ideen sondern ein echtes MItspracherecht für Vertreter*innen der Zivilgesellschaft erforderlich, aus allen Regionen der Welt.
Ich werde vor lauter Wahlkampf wohl nicht allzu viele Blogposts schaffen – ich gebe mir Mühe, aber der Tag hat nur 24 Stunden und das Netz in der Bahn, wo ich in den nächsten Wochen viel Zeit verbringen werde, ist schlecht… Aktuelles erfährt man aber auch über mein Twitteraccount @anked.

Warum ich für das Europaparlament (doch) kandidiere

Oft wurde ich in den letzten 6 Monaten gefragt, ob ich für die Wahlen zum Europaparlament im Mai 2014 kandidieren werde. Immer habe ich mit „nein“ geantwortet. Heute antworte ich mit „ja“ und beides möchte ich erklären.
Im letzten Jahr war ich Kandidatin für die Bundestageswahl in Deutschland, als Listenkandidatin auf Platz 2 und Direktkandidatin in meinem Wohn-Wahlkreis Oberhavel. Mitten in der heißesten Phase wurde auch der Landesvorstand in Brandenburg neu gewählt und ich damit zur Landesvorsitzenden. Im gleichen Sommer verließ Edward Snowden die USA in Richtung Hong Kong, im Gepäck des Whistleblowers Zeugnisse für den unfaßbarsten Überwachungsskandal der Welt. Mein fachlicher Schwerpunkt ist der „Gläserne Staat“ – offene, transparente Politik und mehr Möglichkeiten der Mitsprache und Mitentscheidung für Bürgerinnen und Bürger. In diesem Sommer habe ich jedoch vor allem mit dem durch Snowden in die Schlagzeilen gebrachten Phänomen des „Gläsernen Bürgers“ zu tun gehabt, in unzähligen Interviews, Artikeln, Reden auf Demonstrationen, in Talkshows, in- und ausländischen Medien dazu Position bezogen. Nebenbei habe ich ein Buch geschrieben, in dem es ebenfalls um die Gefahren durch Überwachung geht, die eine Folge des grundsätzlichen Mißtrauens des Staates gegenüber seinen Bürgern ist. Wir alle sind pauschal potenzielle Verbrecher, deren Grundrechte daher eingeschränkt werden in beispielloser Weise. Gleichzeitig herrscht jedoch ein generelles Mißtrauen von Bürgern gegenüber ihrem Staat, geschürt durch den intransparenten Staat und die Macht des Industrie-Lobbyismus. Das ist eine der Verbindungen zwischen gläsernem Staat und gläsernem Bürger. In meinem Buch schreibe ich auch über meine Erfahrungen in der Opposition der DDR, darüber wie es sich fühlt, wieder überwacht zu werden – diesmal durch einen Staat, der sich Demokratie nennt, aber vielleicht bald keine mehr ist. Diese Erfahrungen halte ich für sehr wertvoll, denn ich habe in der DDR lernen müssen, wie auch „unschuldige“ Informationen gegen einen verwendet werden können, wie Menschen dadurch manipulierbar und erpressbar werden. Ich habe aber auch noch eine Lektion gelernt im Wendejahr 1989: die Möglichkeit, Gesellschaft so zu verändern, wie man sie lieber hätte und die Erkenntnis, dass man dafür kämpfen muss und das ganzen Einsatz fordert. Mich hat das Buchschreiben in diesem wilden Sommer 2013 parallel zum Bundestagswahlkampf sehr beansprucht, zeitlich, intellektuell und emotional. Ich war danach platt.
Kurz – die letzten 12 Monate waren enorm arbeitsreich (wer möchte, kann ja auch mal in meine Rubrik „Termine“ oder mein Logbuch im Piratenwiki schauen, was ich so getrieben habe) und so überwog in den letzten Monaten der Wunsch nach mehr Ruhe, mehr Familienzeit, weniger Politik. Ich wollte einfach ein paar Gänge rausnehmen. Ich liebe meine Familie, meinen Garten und mein Sohn geht auf die 14 zu – kein einfaches Alter. Die Vorstellung, ein halbes Jahr nach dem kräftezehrenden Bundestagswahlkampf schon wieder mitten im Wahlkampf zu stehen und wenn es klappt, meine Familie für 5 Jahre kaum noch zu sehen, war einfach nicht sehr verlockend. Das ist der Grund für mein wiederholtes Nein auf die Frage nach einer Kandidatur.
In den letzten Wochen wurde jedoch eine Bundesregierung konstituiert, von der NICHTS zu erwarten ist, außer noch mehr Überwachung. Diese eiskalte Ignoranz des Bürgerwillens, diese Scheinheiligkeit ist wirklich schwer zu ertragen. Das Argument für die Vorratsdatenspeicherung: „wir müssen ja EU Richtlinien umsetzen“. Ja, es stimmt. Politik wird in Europa gemacht und Deutschland spielt dabei oft eine negative Rolle. Die Stärke, die unser Land dort haben könnte, wird zum Nachteil genutzt. Wie wir in Europa durch unsere Regierung vertreten werden, mißfällt mir zutiefst. In diese Frustration über die GroKo hinein kamen immer häufiger werdende Fragen, von Menschen, die mir wichtig sind, aber auch von mir völlig fremden, offline und online und immer war der Tenor gleich: bitte mach das mit der Kandidatur für Europa, wir wollen das und genau jetzt ist Engagement besonders wichtig. Über die Feiertage konnte ich mich erholen und unsere Familie hat noch ein paar mal hin- und her überlegt. Es standen sich gegenüber: der gemeinsame Wunsch nach mehr Familienzeit und die gemeinsame Überzeugung, jetzt in einem Möglichkeitsfenster von Politik zu leben, das sich vielleicht bald schließt und als Einzelperson hier einen Unterschied machen zu können und dann doch eigentlich auch machen zu müssen – will man sich vor Verantwortung nicht drücken. Wir haben uns am Ende zugunsten der Politik entschieden – meinem Mann und seiner uneingeschränkten Unterstützung ist zu danken, dass wir jetzt für ein paar Jahre die Prioritäten gemeinsam verschieben würden – wenn es so gewünscht wird auf dem Bundesparteitag.
Was möchte ich tun in Europa?
Meine Schwerpunkte in Europa sind inhaltlich ähnlich den bisherigen – die Themen sind ja auch nicht neu:

  • Gläserner Staat in Europa: mehr Transparenz! Nie wieder Verträge wie seinerzeit ACTA und heute TTIP hinter verschlossenen Türen verhandeln mit Entwürfen, die von Lobbyisten diktiert werden und die außer Industrievertretern niemand außerhalb der Politik sehen kann – obwohl solche Vertragswerke direkt in demokratische Rechte eingreifen und direkt 500 Millionen Europäerinnen und Europäer – aber auch den Rest der Weltbevölkerung beeinflussen – überwiegend zum Nachteil der Menschen und zum Vorteil der Großindustrie. Auch Subventionen gehören ans Tageslicht – alle – auf Euro und Cent. Wer Geld von der EU möchte, der darf diese Transparenz nicht scheuen.
  • Demokratie Upgrade für Europa: mehr direkte Demokratie durch Bürgerentscheide, und endlich eine Legislative, die den Begriff auch repräsentiert und nicht nur abstimmen darf sondern auch Gesetzesvorlagen selbst einbringen (Richtig, das darf das EU Parlament bisher nicht!); mehr Einbeziehung der Zivilgesellschaft in meinungsbildende Prozesse.
  • Energiewende 2.0 europaweit: Förderung und Beschleunigung der Energiewende, konsequenter Fokus auf erneuerbare Energien, Stärkung regionaler, dezentraler Energieerzeugung, von Energiespeichern, von lokalen Netzen. Mir schwebt ein Energienetz vor, dass der Struktur des Internets entspricht, damit ausfallsicherer und versorgungssicherer ist mit Energie, die vor allem dort erzeugt wird, wo man sie auch verbraucht.
  • Europäisches BGE: Vollbeschäftigung ist für die EU als Ganzes noch aussichtsloser als für Deutschland. Menschen brauchen eine Perspektive, auch in Ländern, in denen 50% junger Erwachsener erwerbslos sind. Wir müssen neu denken und größer denken und uns von alten Schablonen befreien. Ein BGE schafft sich nicht von heute auf morgen aber ich möchte daran arbeiten, dass diese Idee ernsthaft weiterentwickelt wird, solange es keine Alternative dazu gibt, Menschen ihre Würde auch in Zeiten der Unverfügbarkeit ausreichend bezahlter Erwerbstätigkeit zu erhalten. „Das geht doch nicht“ ist mir als Antwort zu einfach. Ich wüßte das gern genauer.
  • Offenes Europa: Ich wuchs in einem Land auf, in dem Menschen an der Grenze starben, weil sie das Land verlassen wollten. Jetzt lebe ich als Europäerin in einer Region, an deren Grenzen noch viel mehr Menschen sterben, weil sie in unsere Region immigrieren wollen. Eine der reichsten Regionen der Welt läßt Menschen wie Ratten ersaufen, um sie draußen zu lassen und investiert Millliarden in immer mehr Abschottung und immer „todsicherere“ Grenzen, dabei könnte man mit diesem Geld soviel sinnvolleres tun – zum Beispiel für die Integration von Einwanderern, ohne die wir in Zeiten demographischen Wandels ohnehin nicht mehr auskommen. Ich will für ein offenes Europa kämpfen und für eine Ende des Sterbens im Mittelmeer. Ein eingemauertes Europa ist nicht vereinbar mit meiner Vorstellung von Demokratie und Freiheit.
  • Grundrechteschutz: Die EU Menschenrechtscharta ist eine gute Grundlage. Sie muß jedoch auch berücksichtigt werden und in der Realpolitik Anwendung finden. Die Vorratsdatenspeicherung steht dazu im Widerspruch. Sie gehört endlich in die Mottenkiste – damit der Bundesregierung die letzte Ausrede wegfällt. Unter Grundrechteschutz verstehe ich aber auch massive Maßnahmen gegen EU Mitgliedsländer, die wie Großbritannien andere Mitgliedsländer millionenfach bespitzeln. Bisher sehe ich nichts dergleichen. Was ich sehe, sind anstandslose Lieferungen der persönlichen Daten von EU Bürgern an ausländische Geheimdienste, ohne effektive Kontrolle, was mit diesen Daten passiert und wer sie überhaupt und wofür und wie lange verwendet. Ich möchte ein Verbot der massenhaften Datenlieferung an ausländische Geheimdienste. Gezielte Ermittlungen bei konkreten Verdachtsmomenten darf es gern weiter geben – aber keine Massenüberwachungsbeifhilfe.
  • Whistleblowerschutz auf EU Ebene: Mehrere EU Mitgliedsländer haben dem Flugzeug des bolivianischen Präsidenten keine Überfluggenehmigung erteilt und es damit zur außerordentlichen Landung in Wien gezwungen – weil die USA das so wollten und weil diese vermuteten, Edward Snowden könnte darin sitzen. Ich schäme mich noch heute für dieses lakaienhafte Verhalten der EU. Ich möchte, dass die EU wieder souveräner wird und vor allem möchte ich, dass es einen Rechtsschutz für Whistleblower auf EU Ebene gibt mit der Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Europa verdankt Edward Snowden eine große Chance – die Chance, eine Entwicklung hin zu einem digitalen Totalitarismus zu verhindern. Wir haben die Verantwortung und die Pflicht, ihn dafür anzuerkennen und zu schützen. Dafür will ich kämpfen.

Ihr seht, es ist einfach viel zu viel zu tun und viel zu viel davon so wichtig, dass ich mich der Verantwortung stellen möchte – zumindest der Wahl zur Kandidatin. Mögen die Piraten auf dem Bundesparteitag in Bochum morgen und übermorgen dann entscheiden, ob sie mich aufstellen wollen oder nicht. Ich möchte meinem Kind später gegenüber treten und sagen können: Ich habe mich nicht aus Bequemlichkeit gedrückt vor der Verantwortung, ich habe es zumindest versucht. Meine Aufgaben als Landesvorsitzende würde ich bis zu den Neuwahlen noch wahrnehmen. Diese werden etwa zeitgleich mit dem Beginn der Sitzungsperiode des EU Parlaments stattfinden. Für die Brandenburger Kommunalwahlen (ebenfalls im Mai 2014) und die Landtagswahlen (Sept. 2014) hoffe ich durch eine EU Kandidatur Rückenwind zu erzeugen.
Was bringe ich mit?

  • fachliche Expertise vor allem in den Kernthemen Gläserner Staat (Open Government) und Datenschutz (der nicht-gläserne Bürger)
  • 20 Jahre Berufserfahrung – als Angestellte, Führungskraft (darunter auch mit Einblick in die Funktionsweise von Lobbyismus bei internationalen Großunternehmen), als Selbständige
  • 10+ Jahre Erfahrung in Ehrenämtern (u.a. Gründerin und Vorstand des Government 2.0 Netzwerkes e.V.)
  • Parlamentserfahrung: als Expertin an Anhörungen von Ausschüssen des Bundestages beteiligt, diverse Vorträge und Workshops bei Landesparlamenten, Rede im österreichischen Parlament, als Expertin in 2012 Beteiligung an H2020 Workshop der EU zu Open Government
  • Wahlkampferprobte Kandidatin BTW13
  • sehr gute Vernetzung in der Piratenpartei (Funktionen aktuell: Open Government Themenbeauftragte, Landesvorsitzende BB)
  • kampagnentauglich 🙂 (ich stehe auf kreativen Wahlkampf mit ungewöhnlichen und bildstarken Aktionen)
  • sehr gute englische, französische, spanische Sprachkenntnisse (mein russisch ist recht eingerostet)
  • kommunikationsstarker Faktenjunkie, kann schnell viel lernen
  • umfangreiche Medienerfahrung, Radio, TV, print, online, auch ausländische Medien, auch live und in Fremdsprache
  • nicht angstfrei aber unerschrocken – egal, wer gerade vor mir steht
  • Kampfgeist, hohe Motivation, starkes Rückgrat – ich verrate meine Werte nicht
  • eine Familie, die hinter mir steht – als Entlastung, intellektuelle und emotionale Stütze

Heute abend fahre ich nach Bochum. Den Rest überlasse ich der Basis. Es tut mir leid, dass meine Bewerbung jetzt so knapp kommt. Das war nicht geplant. Wie es dazu kam, habe ich hoffentlich nachvollziehbar erklären können.
PS: Norbert Hense, Kattascha und Julia Reda (@senficon) hatten einen überdurchschnittlichen Anteil an meiner Entscheidung. Beschwert Euch dort 😉