Terminhinweis: am 09.07.2014 – debattiere ich mit meinem Mann bei Markus Lanz zum Überwachungsskandal

Auch mehr als ein Jahr nach Beginn des NSA-Überwachungsskandals vergeht kein Tag, ohne das die Medien neue Enthüllungen daraus veröffentlichen. Ständig werden wir mit weiteren erschreckenden Details überrascht – wobei, eigentlich überrascht einen ja inzwischen nichts mehr, nicht einmal ein BND Mitarbeiter, der für den CIA den NSA-Untersuchungsausschuss gegen Geld ausspioniert und sich dann per Googlemail (!!!) dem russischen Geheimdienst anbietet, natürlich auch für Geld.

Ausschnitt aus Spiegel Online " Spionage-Affäre beim BND: Alle Spuren führen in die USA", Matthias Gebauer, 06.07.2014

Ausschnitt aus Spiegel Online “ Spionage-Affäre beim BND: Alle Spuren führen in die USA“, Matthias Gebauer, 06.07.2014


Fast könnte man wieder Hoffnung bekommen, bei soviel Inkompetenz in unseren Geheimdiensten. Aber das war jetzt Sarkasmus und  nicht ernst gemeint. Wir können uns gar nicht genug Sorgen machen um den Zustand unserer Demokratie.
Bundestagspräsident trägt Überwachung „mit Fassung“, Bundestag applaudiert
Der NSA Untersuchungsausschuss wird aktiv von der Bundesregierung an der Aufklärung behindert, indem die Anhörung des wichtigsten Zeugen, Edward Snowden, verhindert wird. Der Bundestagspräsident Lammert trägt die vollständige Überwachung aller Bundesbürger – sich eingeschlossen – mit Fassung, eine Mehrheit im Bundestag lacht dazu und findet das witzig, klatscht auch noch Beifall, statt vor Entsetzen aufzustehen und Protestrufe zu skandieren.
YouTube: Schlagabtausch Gysi - Lammert am 25.06.2014 im Bundestag

YouTube: Schlagabtausch Gysi – Lammert am 25.06.2014 im Bundestag


Wie wenig kann eine Volksvertretung denn noch das Volk vertreten? Wie falsch kann eine Regierung die Prioritäten denn noch definieren? Wie sehr kann sie sich noch den USA anbiedern und die Interessen der eigenen Wählerinnen und Wähler verraten? Was muss noch passieren, damit das Volk zu Hunderttausenden auf die Straße geht, um die Regierung vor sich her zu treiben und endlich zum Handeln zu zwingen? Wie kommt es, dass die meisten Menschen es offenbar nicht empört, dass ihre Bundeskanzlerin in China einen Sack Reis umschubst, statt harte Regierungsarbeit zu machen und ihre Aufgabe als oberste Kontrolleurin der deutschen Geheimdienste zur Abwechslung einmal ernst zu nehmen und ganz hoch auf die politische Agenda zu setzen – da wo sie seit mehr als einem Jahr hingehört?
Es gibt kein räumliches Entrinnen mehr in einem globalen Überwachungsstaat

Markus Lanz - Logo Um diese und noch viel mehr Fragen wird es gehen bei der Markus Lanz Sendung vom Mittwoch, 09.07.2014, Ausstrahlung um 23:45 Uhr im ZDF, zu der mein Mann Daniel und ich gemeinsam eingeladen sind. Ich bin froh über jede Plattform mit Reichweite, die man nutzen kann, um die Dinge beim Namen zu nennen, der Bundesregierung ihren heuchlerischen Schleier vom Gesicht zu ziehen und ihre wahre Fratze zu zeigen: eine Fratze, die mit Integrität wenig zu tun hat, der man ansieht, dass es letztlich nur um Machterhalt und die Möglichkeit zur Manipulation der Massen geht, für die demokratische Grundrechte und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einfach so gar keine Rolle spielen. Diese Wahrheit wird immer noch viel zu selten benannt und von viel zu wenigen verstanden. Ich rede mir zumindest ein, dass die immer noch vorherrschende Lethargie in der Zivilgesellschaft nur am „nicht ausreichend verstanden“ liegt, denn die Alternative: „die Menschen haben das wohl verstanden, aber es juckt sie nicht sonderlich“, ist für mich zu schrecklich, um sie für wahrscheinlich zu halten. Es gäbe nicht einmal einen Ort, an den ich in einem solchen Fall auswandern wollen würde – oder könnte. Es gibt ja kein räumliches Entrinnen mehr in einem globalen Überwachungsstaat der digitalen Gesellschaft, den wir unweigerlich bekommen werden, wenn wir uns nicht gemeinschaftlich dagegen wehren.
Nein, ich bin Optimistin, ich glaube an die Aufklärung und daran, dass wir rechtzeitig und massenhaft aufstehen werden, um den Untergang der Demokratie zu verhindern. Ich glaube daran, weil ich die alternative Hoffnungslosigkeit nicht ertragen könnte und weil ich seit dem Mauerfall 1989 auch die unwahrscheinlichsten und größten gesellschaftlichen Veränderungen für möglich halte.
Ich hoffe, die Lanz Sendung ist eine gute Gelegenheit für diese Art von Aufklärung, so wie sie das früher auch schon war, als etwa mein Mann dort zu diesem Thema schon einmal zu Gast war. Ein Ausschnitt jener Lanz-Sendung vom 02.07.2013 zeigt, dass wir genau ein Jahr später immer noch die gleichen Fragen diskutieren müssen.
Daniel Domscheit-Berg bei Markus Lanz am 02.07.2013 zur Massenüberwachung (Ausschnitt)

Daniel Domscheit-Berg bei Markus Lanz am 02.07.2013 zur Massenüberwachung (Ausschnitt)


Im übrigen bin ich der Meinung, dass die deutsche Bundesregierung dem Whistleblower Edward Snowden politisches Asyl gewähren muss.
UPDATE (17.07.2014):
Im Rumfunk Kanal auf YouTube gibt es einen 16Min Zusammenschnitt der Lanz-Sendung mit Fokus auf das Überwachungsthema (es gab auch Fußball, Schönheits-OPs und Biographisches von Schauspielerinnen). Hier kann man ihn sich anschauen:
Zusammenschnitt Lanz-Sendung vom 9.7.2014 von Rumfunk - auf YouTube

Zusammenschnitt Lanz-Sendung vom 9.7.2014 von Rumfunk – auf YouTube


 Und noch ein Nachtrag: die Sendung wurde offenbar viel länger aufgezeichnet, als es Sendezeit gab. Ich habe das gar nicht bemerkt. Aber beim Anschauen der Sendung viel mir auf, wie viele Dinge herausgeschnitten wurden, die ich besonders wichtig fand. Es fehlen ca. 20 Minuten.
Am bedauerlichsten fand ich den Wegfall von zwei Themen:

  1. Wie Daniel den Mißbrauch von „Big Data“ im Dritten Reich beschrieb und die Beiträge, die IT Unternehmen wie IBM – Hollerith dazu leisteten, denn deren Technologie machte die verhängnisvolle Nutzung der Volkszählungsdaten für die Jugenverfolgung erst möglich. Wir könnten nicht nur, wir müssen auch aus der Geschichte lernen – tun wir aber bisher nicht.
  2. Wie ich das Argument „Überwachung ist wichtig, weil sie uns vor Terrorismus schützt“ widerlege und als Ammenmärchen der Regierungen entlarve. Wie Sascha Lobo so treffend beschrieb, handelt es sich bei Geheimdiensten und deren Regierungen um Überwachungsfanatiker, mithin selbst um Extremisten und um Sicherheitsesotheriker. Deren Lieblingsausrede (Terrorbekämpfung) ist hinreichend und wissenschaftlich ad absurdum geführt worden. Schade, dass diese Beiträge dem Schnitt zum Opfer fielen.

Mein Versprechen bei wepromise.eu – Digitale Rechte möchte ich im Europa-Parlament verteidigen!

Die Initiative wepromise hat einen 10 Punkte Forderungskatalog für digitale Rechte (siehe unten) aufgestellt und Kandidat*innen für die Wahl zum Europa-Parlament aufgefordert, sich zur Umsetzung dieser Forderungen zu verpflichten. Das habe ich bei meinem Besuch in Brüssel im Europa-Parlament getan (siehe hier meine Berichte Teil 1, Teil 2 und Teil 3 zu dieser Reise).
In einem 2 Min Videostatement, zu dem es auch englische und französische Untertitel gibt, habe ich erklärt,

  • warum ich mich dazu verpflichte,
  • wofür ich mich in Brüssel besonders einsetzen würde und
  • warum es wichtig ist, wählen zu gehen.

HIER oder bei Klick auf das Bild könnt Ihr das Video auf YouTube sehen:
YT - Selbstverpflichtung zu Wepromise
Die 10 Forderungen von wepromise sind die folgenden (Details gibts bei Klick auf die einzelnen Forderungen):

  1. Ich werde mich für Transparenz, Zugang zu Dokumenten und Bürgerbeteiligung einsetzen.

  2. Ich werde Gesetze zur Stärkung von Datenschutz und Privatsphäre unterstützen.

  3. Ich werde mich für uneingeschränkten Zugang zum Internet und Internetdiensten einsetzen.

  4. Ich werde die Modernisierung des Urheberrechts unterstützen.

  5. Ich setze mich gegen flächendeckende, unkontrollierte Überwachungsmaßnahmen ein.

  6. Ich werde Anonymität und Verschlüsselung im Internet unterstützen.

  7. Ich werde Maßnahmen zur privatisierten Rechtsdurchsetzung außerhalb der Rechtsstaatlichkeit ablehnen.

  8. Ich werde mich für Exportkontrollen von Zensur- und Überwachungstechnologien  einsetzen.

  9. Ich werde mich für das Multistakeholder- und Mitbestimmungsprinzip einsetzen.

  10. Ich werde die Nutzung von Freier Software unterstützen (Open Source Software).

Auch Wählerinnen und Wähler bittet wepromise.eu, eine Verpflichtung abzugeben, nämlich, dass sie ihre Stimmabgabe bei den Wahlen zum Europa-Parlament an die Abgabe der Selbstverpflichtung durch wählbare Kandidat*innen binden werden.
 

Neues von der NSA, Besuch im EU Parlament, Gründung der PPEU

Programm MYSTIC – mehr Überwachung geht kaum
Immer, wenn man denkt, schlimmer kann es ja nun nicht mehr werden, setzt die NSA noch eins drauf. Seit gestern wissen wir, dass der US amerikanische Geheimdienst die vollständige Telekommunikation eines ganzen Drittlandes nicht nur an- sondern vollständig abzapft, speichert für einen Monat und mittels Algorithmen durchsucht. Getan wird das für mindestens ein Land, welches ist (noch) unbekannt, weitere 5-6 Ländern sind jedoch mindestens geplant – vielleicht sind sie auch schon längst Teil des Programms, das sich MYSTIC nennt.

Dies ist ein Teil eines Screenshots von Inforadio Berlin Brandenburg - für das früher darin enthaltene Bild ließ mir die Caro Fotoagentur eine Abmahnung über 554€ schicken... deshalb nun ohne dieses künstlerisch nicht erwähnenswerte Bild

Dies ist ein Teil eines Screenshots von Inforadio Berlin Brandenburg, auf dem das Interview mit mir beschrieben und verlinkt war. Für das früher darin enthaltene Bild ließ mir die Caro Fotoagentur eine Abmahnung über 554€ schicken… deshalb nun ohne dieses künstlerisch wirklich nicht erwähnenswerte Bild.


Auch diese Enthüllung verdanken wir dem Whistleblower Edward Snowden, der immer noch beim Superdemokraten Putin ausharren muss, weil keine der europäischen Demokratien genug Mumm in den Knochen hat, ihm politisches Asyl zu bieten. Selbst in der EU wiegen Menschenrechte nicht schwer genug, um im Vergleich gegen wirtschaftlichen oder politischen Druck der USA nicht wohlfeil zu sein. Ich finde das unerträglich. Mehr lesen zu MYSTIC kann man bei Washington Post, heute.de, und Spiegel Online. Dem RBB Inforadio habe ich am 19.3.2014 ein Interview gegeben, HIER kann man es nachhören.
EU Asyl für Whistleblower wie Edward Snowden
Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014

Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014


Wo bleibt ein “europäisches Asyl” mit einem festgelegten Prozess, rechtssicher, in dem nach klaren Kriterien Whistleblowern, die Rechtsverletzungen mit Bezug auf die EU an die Öffentlichkeit bringen, vor politischer Verfolgung in ihren Herkunftsländern geschützt werden? Ein solches europäisches Asyl würde verhindern, dass Nationalstaaten einer auf den anderen zeigen und jeder einzelne zu feige ist, sich allein gegen die USA zu stellen. Das Rückgrat der EU kann viel stärker und größer sein als es das jedes einzelnen Mitgliedslandes sein könnte. Worauf wartet die EU? Wer immer noch an den Motiven von Edward Snowden zweifelt oder sich nicht klar darüber ist, was seine Aufdeckungen für uns in Europa bedeuten, dem empfehle ich, seine Antworten zu lesen, die er schriftlich den Mitgliedern des europäischen Parlamentes auf ihre Fragen schickte (pdf), da er nicht persönlich zur Anhörung im Untersuchungsausschuss kommen durfte.
Besuch bei Piraten MdEPs in Brüssel
Am 20.03.2014 werde ich im Europa-Parlament Abgeordnete der Piratenpartei Schwedens treffen und Martin Ehrenhauser, österreichischer, fraktionsfreier MdEP, der Spitzenkandidat des neuen Wahlbündnisses für die anstehende EU Wahl in Österreich ist, dem auch die dortige Piratenpartei angehört. Ich habe viele Fragen zum politischen Alltag in der EU aber auch konkret zur Arbeit der Piratenabgeordneten. Ich bin gespannt darauf, von Amelia Andersdotter zu hören, wie genau sie es (natürlich mit anderen) geschafft hat, ACTA im EU Parlament zu kippen. Ich möchte lernen, was man mit viel Motivation und Engagement schaffen kann – und wo die Grenzen sind. Ich möchte nicht zu denen gehören, die im Wahlkampf Unmögliches versprechen aber ich möchte nichts, was irgend geht, unversucht lassen. Von den Erfahrungen der bisherigen Piratenmitglieder im europäischen Parlament läßt sich sehr viel lernen. Darauf freue ich mich schon sehr!
Gründung der PPEU
Wahlplakat der Piratenpartei zur Europawahl 2014

Wahlplakat der Piratenpartei zur Europawahl 2014


Am 21.03.2014 wird in Brüssel der Gründungsprozess der Europäischen Piratenpartei PPEU formell abgeschlossen, aktuell gehören ihr 16 nationale Piratenparteien an. Das ist ein historischer Moment und ich bin jetzt schon stolz dabei zu sein! Die Piratenparteien Europas werden mit einem gemeinsamen Wahlprogramm antreten – das ist in der EU einmalig. Unser anderer Ansatz zeigt, dass wir auch anders Politik machen wollen. Wir sehen uns nicht als Vertreterinnen und Vertreter einer einzelnen Nation sondern von Bürgerinnen und Bürger in der EU. Wir vertreten gemeinsame Werte, wir stehen wir ein Demokratie Update – mit mehr Transparenz und mehr demokratischer Teilhabe für jeden, für ein offenes Europa, für freien Zugang zu Wissen, Kunst und Kultur, für ein offenes Internet, das niemanden diskriminiert, nicht zur Massenüberwachung mißbraucht wird, und keine Zensurinfrastuktur enthält. In Ergänzung  zum gemeinsamen Wahlprogramm gibt es das erweiterte Wahlprogramm der Piratenpartei in Deutschland für die Europawahl, wir haben es bei unserem Bundesparteitag im Januar verabschiedet.
Internet Governance Conference der Piraten im EU Parlement
Im Anschluss an die Gründung der PPEU findet im EU Parlament eine Internet Governance Konferenz statt, ausgerichtet von Piraten MdEP. Fast 400 Teilnehmer*innen haben sich angemeldet – es wird ein sehr internationales Treffen werden. Auf die Piraten-Konferenz zu diesem Thema bin ich sehr gespannt, eine Reihe  spannender Redner*innen sind angekündigt, u.a. unsere Spitzenkandidatin für Europa, Julia Reda, aber auch Jacob Appelbaum, Experte für Anonymität im Internet, fukami vom CCC, Marietje Schaake (MdEP aus Holland für die D66) und viele andere. Das Programm zur Konferenz findet sich HIER. Es geht dabei um viele verschiedene Aspekte von Internet Governance, die auch die überfällige Urheberrechtsreform, Fragen des Datenschutzes und die Sicherung der Netzneutralität betreffen.
Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014

Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014


Im April findet in Brasilien die internationale Tagung NetMundial statt, auf der die aktuell kaputte Internet Governance debattiert und Grundlagen für eine Restrukturierung geschaffen werden sollen. Bisher haben die USA den Finger auf den wichtigsten Infrastrukturen des Internets, z.B. DNS Root Server, über die die ICANN die Aufsicht tätigt, die wiederum dem US Handelsministerium untersteht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Das Internet ist nicht nur eine Technologie, es beeinflusst alle Aspekte der Gesellschaft, überall auf der Welt. Es ist daher nicht hinnehmbar, dass ein einzelnes Land – ohne Legitimation, ohne demokratische Kontrolle, intransparent und ohne jede Rechenschaftspflicht, die wesentliche Steuerung innehat. Es gibt viele gute Überlegungen, wie eine bessere Governance des Internets aussehen könnte, eine sehr lesenswerte hat die in Indien gegründete Just Net Coalition ausgearbeitet und als Vorschlag an die brasilianische Governance Konferenz eingereicht. Sehr lesenswert ist auch die Sammlung von Inhalten bei Knowledge Commons zum Themenfeld Internet Governance. Erst vor wenigen Tagen habe ich in der französischen Botschaft mit Senatorin Catherine Morin-Desailly über Fragen der Internet Governance debattiert. Wie war sehr interessiert an den Ideen und Visionen, die ich ihr als Vertreterin der Piratenpartei und mit Hintergrund in der Zivilgesellschaft erzählen konnte. Auch auf allen formellen Ebenen ist jedoch nicht nur ein Austausch an Ideen sondern ein echtes MItspracherecht für Vertreter*innen der Zivilgesellschaft erforderlich, aus allen Regionen der Welt.
Ich werde vor lauter Wahlkampf wohl nicht allzu viele Blogposts schaffen – ich gebe mir Mühe, aber der Tag hat nur 24 Stunden und das Netz in der Bahn, wo ich in den nächsten Wochen viel Zeit verbringen werde, ist schlecht… Aktuelles erfährt man aber auch über mein Twitteraccount @anked.

International Day of Privacy – Internationaler Tag der Privatsphäre – 01.Feb.2014 Berlin

Gestern war der Internationale Tag der Privatsphäre und überall auf der Welt fanden Protestveranstaltungen statt – eine auch in Berlin am Pariser Platz. Ich war dabei, gemeinsam mit etlichen anderen Brandenburger Pirat*innen. Es hätten viel mehr Menschen sein müssen, die gegen die millionenfache Grundrechtsverletzung demonstrieren. Leider war das nicht der Fall. Das war auch Thema meiner Rede auf der Abschlusskundgebung – aber nicht nur das. Ich sprach auch von der Macht, die wir als Bürgerinnen und Bürger haben können, wenn wir uns dieser Möglichkeit bewußt werden – so wie wir DDR Bürger das 1989 verstanden hatten, als wir die Mauer zu Fall brachten. Hier könnt Ihr sie nachhören.

Rede beim IDP-2014-Berlin

Gerade gefunden – auf YouTube gibt es noch einen Zusammenschnitt von der Demo (8Min), den könnt Ihr HIER ansehen. Beide Videos hat Edda Dietrich eingestellt (Danke dafür).

YouTube - IDP14 Demo Berlin 1.2.2014

24 Stunden im Gläsernen Mobil am Marktplatz von Fürstenberg/Havel

Überwachung kann man sich schlecht vorstellen, man kann sie nicht spüren, man kann sie nur ahnen aber viele Menschen verdrängen diese Ahnung. Weil das so ist, regen sich immer noch nicht genug Menschen auf gegen den Überwachungswahn in unserem Land – und bei unseren „Freunden“ und nehmen passiv die Erosion unserer demokratischen Freiheitsrechte hin.
Gläsernes MobilIch möchte das Phänomen Überwachung erlebbarer machen und beteilige mich daher an der Tour des Gläsernen Mobils der Piratenpartei in Brandenburg. Dieser durch Seitenverglasung einsehbare, bewohnbare Anhänger ist mit einer gemütlichen Sitzgruppe ausgestattet, auf der mein Mann und ich ab heute abend offen für alle miteinander reden, am Laptop arbeiten oder Fragen von Bürgern beantworten werden, die uns dort besuchen möchten. Natürlich haben wir auch jede Menge Informationsmaterial zum Wahlprogramm der Piratenpartei dabei – nicht nur zum Thema Überwachung und Datenschutz.
Abends schieben wir die Sitzecke dann an die Seite und versuchen, es uns im Gläsernen Mobil bequem zu machen, denn wir werden auch die Nacht gemeinsam und von jedem einsehbar dort verbringen. Ich hoffe, uns leuchtet nicht jeder Kneipenheimgänger mit der Taschenlampe in die Augen – wir wollen ja schlafen. Wie gut das geht, weiß ich nicht, denn das Gefühl, von jedem Spaziergänger beim schlafen beobachtet zu werden ist kein schönes. Vielleicht debattieren wir auch lieber die halbe Nacht oder gucken Filme am Laptop. Jeder kann jedenfalls alles sehen, was wir da machen – NSA, BND, Verfassungsschutz, und all die anderen „lieben Geheimdienste“ haben es diesmal gaaaaaanz einfach.
Aber unsere Botschaft mit dieser Aktion ist:

So einfach haben es die Dienste in virtuellen Räumen fast überall und immer. Nichts ist mehr geheim, wir sind längst gläserne Bürger geworden.

Ohne dass wir es merken, können unsere Handydaten in eine Funkzellenabfrage geraten, nur weil ein paar hundert Meter weiter ein Taschendieb sein Unwesen trieb. Unsere Bewegungen im Internet können deutsche Behörden verfolgen, selbst wenn wir nur eine Ordnungswidrigkeit begangen haben. Ordnungswidrigkeit? Dazu gehört schon Falschparken. Dieser Datenabruf heißt Bestandsdatenauskunft, das Gesetz dazu wurde von der Regierungskoalition noch schnell vor der Sommerpause durchgewunken. Das gleiche Gesetz räumt Behörden weitreichende Befugnisse ein, auch an die PIN von Mobiltelefonen oder an Passwörter für alle möglichen Dienste, die wir nutzen, heranzukommen. Passwörter, mit denen man online Banking macht oder Bilderdatenbanken vor Zugriff schützt. Passwörter, die Zugang  zu Emailkonten, Facebookprofilen, Amazon und eBay ermöglichen. Ich finde diese Vorstellung gruselig. Wir alle sollten das gruselig finden und etwas dagegen tun. Selbst 80-jährige, die das Internet links liegen lassen, sollten sich im Namen ihrer Kinder und Enkel aufregen, denn diese Jugend ist die erste Generation, die es je gab, deren Privatleben, pubertäres Verhalten und persönliche Beziehungen so überwachbar und einsehbar sind, wie die Sitzgruppe im Gläsernen Mobil.
Wir freuen uns auf Besucher und Diskutanten am Gläsernen Mobil – ab heute, 04. September ca. 16/17:00 bis morgen früher abend werden wir am Marktplatz in Fürstenberg/Havel im Norden Brandenburgs sein.
Von Berlin ist das in 55 Min ohne Umsteigen prima zu erreichen, der Bahnhof ist nur 4 Min Fußweg vom Marktplatz entfernt. Am 5. September ist übrigens auch Wochenmarkt – auf dem gleichen Marktplatz 🙂 (wir müssen also wenigstens nicht verhungern).
Für Twitterfans: der Hashtag ist #GLMfbg
Stoff zum Nachlesen und ein Demoaufruf
Und weil es so gut in den Kontext paßt, mein Mann und ich haben in den letzten Tagen beide für englischsprachige Medien zum NSA Skandal geschrieben, hier sind die Links dazu:

FSA Aufruf
Der kommende Samstag ist übrigens der 07. September – „Freiheit statt Angst“ Tag – der Tag, an dem wir Berlin erschüttern werden durch eine Massendemonstration, die diesen Namen verdient hat! Um 13:00 Uhr geht es am Alexanderplatz los. Kommt alle, nehmt Eltern, Onkel und Enkel, Tanten und Cousinen, Brüder und Schwestern, Freunde und Bekannte, Nachbarn und Kolleginnen und Kollegen mit! Es ist kurz vor der Bundestagswahl, NIE innerhalb einer Legislaturperiode sind Politiker so aufmerksam und hören so gut zu – laßt uns diese Gelegenheit gut nutzen. Laßt uns laut genug sein, dass man sich auch nach der Wahl noch unseren Protest erinnert!  Nehmt Trillerpfeifen mit und Eure Aluhüte, bastelt Euch Pappkameras zum Überwachen der Überwacher, malt Euren Frust auf Transparente! Seid viele! Ich freue mich darauf! Für die Romantiker unter meinen Leserinnen und Lesern verrate ich noch etwas: Bei der FSA Demo 2009 habe ich meinen Mann fotografiert – nur kannte ich ihn damals noch gar nicht, ich habe das viel später erst durch Zufall entdeckt :-).
Link zum Demoaufruf Freiheit statt Angst: http://blog.freiheitstattangst.de/about/
Link zu Demo-Orga-Informationen: http://blog.freiheitstattangst.de/
Link zum Demo-Video: https://www.youtube.com/watch?v=2A3Nw9_ZZ6c
Wer sich ein altes Video von der Freiheit statt Angst Demo 2009 (ja, genau die Demo, wo mir zum ersten Mal unerkannt mein Mann begegnete) anschaut, kann auch das Gläserne Mobil in Aktion sehen!
FSA 2009 Video
 

Beim Anti-Prism Aktionstag in Stralsund haben wir Merkels Wahlkreisbüro besucht

Am 27.07.2013 gab es einen internationalen Aktionstag gegen PRISM und generell gegen Massenüberwachung und für einen stärkeren Schutz von Whistleblowern wie Bradley Manning und Edward Snowden. Diese Initiative bündelte unter dem Slogan #StopWatchingUs viele Aktionen unterschiedlichster Interessensgruppen. Allein in Deutschland gingen ca. 10.000 Menschen in fast 40 Städten auf die Strasse – obwohl es einer der heißesten Tage dieses Jahres war, mit weit über 30 Grad im Schatten.

Foto: Markus Hoffmann

Foto: Markus Hoffmann


Ich war bei der Protestveranstaltung #Merkelentern in Stralsund dabei, zu der die Piratenpartei in Mecklenburg-Vorpommern eingeladen hatte. Auch dort brannte die Sonne erbarmungslos, aber mehr als 100 Demonstranten hat das nicht davon abgehalten, in der Mittagshitze durch die Altstadt zu ziehen und an der Abschlusskundgebung vor Angela Merkels Wahlkreisbüro teilzunehmen. Einige Fernsehteams hatten sich dort auch eingefunden, der NDR hat auch darüber berichtet (Video auf YouTube). Ich bin im Foto die ganz links am Front-Transparent, mit dem roten Kopftuch (ohne hätte ich einen Sonnenstich bekommen). Einige von uns haben sich etwas historisch piratig angezogen – damit haben wir Bezug genommen auf die Wallensteintage, ein Mittelalterspektakel, das zu diesem Zeitpunkt in Stralsund statt fand.
An Merkels Wahlkreisbüro in Stralsund #StopwatchingusAuf Plakaten haben wir Schilder mit dem „Merkelator“ getragen. Auf meinem Plakat stand der aktuelle Stand der Unterzeichner meiner Petition auf change.org. Schon fast 45.000 haben inzwischen unterschrieben. In 12 Sprachen gibt es jetzt diese Petition. Wer noch nicht unterschrieben hat und/oder die Petition verbreiten möchte: hier ist der Link: www.change.org/prism (die anderen Sprachen sind dort verlinkt).
Bei der Abschlusskundgebung habe ich neben anderen eine Rede gehalten, ein Video davon gibt es auf YouTube zu sehen.
Screenshot YouTube Video by Bartjez
Nachlesen kann man sie hier:

Ich bin Anke Domscheit-Berg, Kandidatin für die Bundestagswahl, aus dem Land Brandenburg und ich bin hierher gekommen zu Angela Merkels Wahlkreisbüro, um ihr meine Meinung – unsere Meinung – zu übermitteln.
Ich habe 21 Jahre in einem Überwachungsstaat gelebt. Das ist 24 Jahre her. 24 Jahre, das ist fast ein Vierteljahrhundert. Das ist lange, verdammt lange. Aber es ist nicht lange genug, um zu vergessen, wie sich das anfühlt, wie beschissen sich das anfühlt, permanent überwacht zu sein. Wie das ist, wenn Briefe geöffnet ankommen. Wenn es im Telefon so komisch knackt und man immer denkt, da hört einer mit. Wie das ist, wenn man ins Studentenwohnheim nach Hause kommt und man sieht an den verstellten Farbbändern an der Schreibmaschine, an der man Aufrufe fürs Neue Forum abgetippt hat, dass da einer dran war und die Papiere durcheinander gebracht sind.
Ich weiß noch ganz genau, wie sich das anfühlt, aber über 20 Jahre habe ich da nicht besonders oft dran gedacht. Seit Wochen zwingt mich diese Gegenwart, jeden Tag und jede Stunde daran zu denken – und vor allem nicht nur daran zu denken, sondern mich genauso zu fühlen, wie damals. Und das ist ein Gefühl, das wollte ich nie wieder haben.
Heute ist die Überwachung aus verschiedenen Gründen viel schlimmer noch als ich sie damals empfunden habe. Sie ist umfassender, sie ist totaler. Es wird alles überwacht, nicht nur eine Auswahl, was damals aus Ressourcengründen gar nicht anders ging, sonst hätte es die Stasi natürlich auch gemacht. Heute geht das aber. Und heute wird es gemacht. Es wird nicht nur von einem Geheimdienst gemacht, sondern von mindestens dreien. Einem deutschen Geheimdienst, der alle möglichen Dinge über uns ausspioniert, seit zehn Jahren ermächtigt durch alle möglichen Überwachungsgesetze, durch den britischen und amerikanischen Geheimdienst. Alles das jeden Tag und das ist nur das, was wir wissen und jeden Tag erfahren wir mehr.
Ein anderer Grund, warum es heute viel schlimmer ist: Totalitäre Methoden passen zu einem totalitären Staat. Da enttäuscht einen das ja nicht mal, da erwartet man das. Aber wir leben in einer Demokratie, da habe ich andere Erwartungen. Da will ich nicht den Methoden eines totalitären Regimes begegnen. Da will ich, dass das Grundgesetz wirklich Realität ist, dass man sich daran hält, dass das nicht bloß Klopapier ist. Das ist unsere heutige Gesellschaft und so will ich sie nicht haben. Wir leben in einer Demokratie – ich will sie zurück!
Frau Merkel, haben Sie das alles vergessen? Wissen Sie nicht mehr, wie das war und was das macht mit den Menschen? Wie sie misstrauisch werden, wie sie Angst haben, zu reden und zu schreiben, zu tun und zu lassen, was sie eigentlich wollen und was rein theoretisch auch nach DDR-Verfassung erlaubt war? Haben Sie das alles vergessen? Wollen Sie in einem Land leben, in dem die Geheimdienste außer Kontrolle geraten sind und nicht mal Sie selbst als Kanzlerin wissen, was da abgeht und wer Sie abhört? Wollen Sie die Kanzlerin sein, die ihr Land schutzlos den Cyberwar-Attacken ausländischer Geheimdienste ausliefert? Die Architektin eines neuen deutschen Überwachungsstaats? Wollen Sie das wirklich?
Ich habe gesagt, die Überwachung fühlt sich für mich heute so ähnlich an, wie damals bei der Stasi. Aber eine Botschaft möchte ich Frau Merkel und allen andern auch noch mitgeben: Etwas ist heute anders. Wir haben ein historisches, kollektives Gedächtnis und in diesem Gedächtnis, da ist festgeschrieben, dass wir damals gesiegt haben. Dass wir uns gewehrt haben gegen diesen Überwachungsstaat und dass es nicht möglich war, ihn aufrecht zu erhalten. Und genau das, das machen wir nochmal!
Frau Merkel, Sie sind unsere Kanzlerin – zumindest noch. Übernehmen Sie endlich Verantwortung als Kanzlerin und oberste Chefin der Geheimdienste! Das ist ein falscher Moment zum Aussitzen, zum Schweigen, zum Heucheln und zum das Volk belügen! Wir merken es nämlich trotzdem! Zeigen Sie, dass Sie die Lektionen aus der DDR gelernt haben und sich noch erinnern, wie falsch Überwachung ist und wie gefährlich. Wie wenig das mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Wie es uns verändert und die Wurzeln der Demokratie kaputt macht!
Wollen Sie in einem Land leben, in dem das Volk Angst vor der eigenen Regierung hat? Schon wieder?! Sie wissen doch, wie sich das anfühlt! Egal wie, wir werden uns wehren! Wir werden weiter auf die Straße gehen! Wir werden nicht Ruhe geben, bis unsere Grundrechte wieder gelten!
Ich habe auf change.org eine Petition gestartet an das EU-Parlament und an die Europäische Kommission. Der Link steht hier unten: change.org/prism. 44.000 Menschen hatten diese Petition bis gestern schon unterschrieben. Die kann man nicht einfach ignorieren! In dieser Petition steht drin, dass wir uns Transparenz wünschen über das, was gelaufen ist. Wir wollen ja nicht nur, dass es aufhört, wir wollen überhaupt erst einmal verstehen, was da abgeht. Es ist ja nicht nur so, dass Frau Merkel keine Ahnung hat. Wir wissen ja auch nichts. Keiner weiß ja was. Der BND nicht, der Verfassungsschutz, alle haben keine Ahnung gehabt: “alles aus den Medien gelesen”. Bis man es dann ein paar Tage später selbst anders in den Medien liest.
In dieser Petition steht auch drin, dass wir ein internationales Überwachungsabrüstungsabkommen wünschen. Deutschland ist eine starke Kraft in der EU. Es spielt eine Rolle, ob sich eine Kanzlerin hinter so ein Ziel stellt, oder nicht. Es mag sich anhören wie eine unrealistische Zukunftsvision. Aber nukleare Abrüstung hat auch mal klein angefangen, sie ist noch nicht abgeschlossen, aber wir haben Fortschritte gemacht. Und solche Fortschritte brauchen wir wieder!
Und noch ein Letztes möchte ich Kanzlerin Merkel mitgeben: Wir leben heute nicht nur mit der Erinnerung an unseren damaligen Sieg gegen die Überwachungsgesellschaft, wir leben heute auch in einem Land, dass sich „Neuland“ nennt. Wir können uns heute viel besser vernetzen, mobilisieren und Transparenz herstellen. Notfalls von unten. Wir kriegen alles raus! Es gibt Menschen, wie Snowden, die dafür sorgen, die Whistleblower sind und unseren Schutz brauchen. Geheimdienste können nicht mehr richtig geheim sein. Die Überwacher werden jetzt auch überwacht und zwar von uns allen!
Kanzlerin Merkel, wir lassen Ihnen die Erosion unserer Grundrechte nicht durchgehen! Wir sind Piraten! Wir werden außerparlamentarisch und im Bundestag das Salz in der Wunde sein, um die Demokratie wieder zu schützen. Sie werden uns wegwünschen, aber nicht wegbekommen.
Wir sind Piraten, wir sind gekommen, um zu bleiben!

Sag noch mal einer, die Piraten sind eine Männerpartei 🙂 An dem nachstehenden Foto sieht man unschwer, das das wohl nicht (mehr) zutrifft. Zwei weitere Rednerinnen der Abschlusskundgebung sind auf diesem Bild zu sehen – 3. von links ist Cornelia Otto, Spitzenkandidatin für das Land Berlin und rechts neben ihr ist Melanie Kalkowski, die Spitzenkandidatin von Nordrhein-Westfalen, direkt neben mir steht Christiane Schinkel, der wir die schönen Demoschilder zu verdanken hatten.

Foto: Markus Hoffmann

Foto: Markus Hoffmann


Hier noch einige weitere Links:

 
 
 
 

Petition an die EU: Massenüberwachung muss verboten werden, unser Datenschutz gestärkt

Petition an die EU - gegen TemporaMeine erste Petition, die sich an Kanzlerin Merkel richtete und sich auf der US Überwachungsprogramm PRISM bezog, hat in knapp zwei Wochen mehr als 40.000 Unterschriften erhalten. Sie bezog sich auf den Besuch des US Präsidenten Obama, der nun Geschichte ist. Seitdem hat sich einiges getan: aus England wurde bekannt, dass mit TEMPORA ein noch größeres und umfassenderes Massenüberwachungsprogramm genutzt wird, um unser aller Kommunikation zu überwachen, diesmal durch den britischen Geheimdienst. Edward Snowden, der Whistleblower, durch den alles das ans Tageslicht kam (Danke, Edward!) ist auf der Flucht, die USA hat ihn der Spionage angeklagt, seine Zukunft ist ungewiß.
Es gibt also noch viel mehr Grund zur Empörung und noch viel mehr Grund dazu, Druck auszuüben auf unsere gesetzlichen Vertreter, hier für strukturelle Veränderungen zu sorgen, damit diese unfassbaren Massenüberwachungen endlich aufhören, die ganze Bevölkerungen unter Generalverdacht stellen und abhören, als wären wir alle Verbrecher. Wir brauchen Veränderungen nicht nur in der deutschen Gesetzgebung und Kontrolle der deutschen Geheimdienste sondern auch auf europäischer Ebene, damit Programme wie TEMPORA nicht mehr möglich sind und wir Bürgerinnen und Bürger einen Schutz der EU davor genießen.
Ich habe deshalb heute eine Petition gestartet, die sich an das EU Parlament und an die EU Kommission richtet und folgenden Wortlaut hat:

Wir Bürgerinnen und Bürger sorgen uns, weil wir Ziel von Massenüberwachungen sind und unsere Freiheitsrechte verletzt sehen. Wir fordern daher einen Untersuchungsausschuss beim EU Parlament zur Aufklärung der jüngsten Überwachungsskandale, ein Verbot der Weitergabe von europäischen Nutzerdaten an ausländische Geheimdienste sowie der gegenseitigen Bespitzelung der Bevölkerung von Mitgliedsländern, das Anstoßen eines internationalen Abkommens zur Überwachungsabrüstung und einen gesetzlich verankerten Whistleblowerschutz in Europa, um auch künftig ein Fehlerkorrektiv gegen Rechtsverletzungen zu ermöglichen.
Petition an
Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlamentes
José Manuel Durão Barroso, Präsident der Europäischen Kommission
Wir Bürgerinnen und Bürger sorgen uns, weil wir unsere Freiheitsrechte verletzt sehen und nicht in einer Kultur der Überwachung leben möchten, in der wir alle unter Generalverdacht gestellt werden. Deshalb möchten wir Sie bitten, unsere nachfolgenden Forderungen ernst zu nehmen und für Europa aber auch international eine Kehrtwende anzustoßen.
1. Transparenz schaffen: Wir fordern das EU-Parlament auf, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, der die Massenüberwachung europäischer Bürgerinnen und Bürger durch alle bisherigen Überwachungsprogramme wie PRISM und TEMPORA aufklärt und insbesondere transparent macht, wer davon Kenntnis hatte und welche EU Rechtsgüter dabei verletzt worden sind.
2. Datenschutz stärken: Wir fordern die Stärkung des europäischen Datenschutzes. Die neue EU Datenschutz-Grundverordnung muss ein Verbot von Datenlieferungen an ausländische Geheimdienste enthalten und die gegenseitige Bespitzelung von Mitgliedsstaaten untersagen. Datenschutz muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verwirklichen.
3. Massenüberwachungsprogramme verbieten: Nach unserem Rechtsverständnis dürfen Menschen ohne Vorliegen eines konkreten Verdachtes und ohne richterlichen Beschluss nicht überwacht und damit unter Generalverdacht gestellt werden. Daher fordern wir Massenüberwachungsprogramme in der EU grundsätzlich zu verbieten.
4. Überwachung international abrüsten: Wir fordern das EU-Parlament und die EU-Kommission auf, ein internationales Abkommen zur Überwachungsabrüstung zu initiieren, um anlasslose Massenüberwachung überall auf der Welt einzuschränken.
5. Whistleblower gesetzlich schützen: Wir fordern die gesetzliche Schaffung einer Möglichkeit für politisches Asyl und Schutz für Whistleblower auf europäischer Ebene. Whistleblower wie Edward Snowden, über den die Weltbevölkerung erst von der Massenüberwachung durch US amerikanische und britische Geheimdienste erfahren hat, sind ein wichtiges Korrektiv bei Fehlentwicklungen in einer Demokratie und müssen vor Strafverfolgung geschützt werden.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterzeichnende der Petition)

Diese Petition wird es auch auf anderen Sprachen geben und ich hoffe, dass sie viele Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa unterschreiben werden.
Bitte helft mit, Unterschriften zu sammeln und die Petition zu verbreiten! Hier ist der noch einmal der Link:
Lang: http://www.change.org/de/Petitionen/eu-parlament-und-eu-kommission-überwachung-abrüsten-datenschutz-stärken-whistleblower-schützen
Kurz: http://www.change.org/tempora
Heute morgen kam im ZDF Morgenmagazin ein Interview mit mir zu TEMPORA, eine ungekürzte Version gibt es in der Mediathek des ZDF –  HIER .
Wer noch ein sehr gutes Interview von Datenschutzbeauftragten Peter Schaar zu PRISM und TEMPORA lesen möchte, der kann das HIER tun.
UPDATE 27.06.2013
Die Petition gibt es jetzt auch auf English – Link: https://www.change.org/petitions/eu-parliament-and-eu-commission-stop-mass-surveillance-protect-our-data-and-our-whistleblowers
Und in der FAZ vom 25.06.2013 erschien ein sehr lesenswerter Artikel von Georg Mascolo.

Interview mit dem ZDF Morgenmagazin zum Überwachungsprogramm TEMPORA

ZDF MoMa screenshotAm 26.06.2013 habe ich für das ZDF Morgenmagazin ein Interview gegeben, in dem es um das Massenüberwachungsprogramm TEMPORA ging, mit dem der britische Geheimdienst große Teile der deutschen Internetkommunikation angezapft hat.
Dabei stellen sich jede Menge Fragen auch an unsere Politik:

  • Welchen Umfang hatte und hat diese Bespitzelung unserer Bevölkerung?
  • Auf welcher „Rechtsgrundlage“ ist sie erfolgt bzw. welche Rechtsgüter wurden konkret verletzt
  • Wer in Deutschland hat davon gewußt?
  • Wenn (nach eigener Aussage) nicht einmal unser Geheimdienst etwas davon wußte – was ist dieser Geheimdienst dann noch wert?
  • Wenn unser Geheimdienst (und ggf. andere Behörden und die Politik) davon wußten – warum wurde es verschwiegen? – und welche Grundrechtsverletzungen bedeutet das?
  • An welcher Stelle hat unsere parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste versagt?
  • Wie verhindern wir, dass wir weiterhin von ausländischen Geheimdiensten – selbst von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – überwacht werden, als wären wir ein Volk von Schwerverbrechern?
  • Wie müssen wir unser Rechtssystem so verändern, dass auch in einer digitalen Gesellschaft unsere verfassungsrechtlichen Grundrechte geschützt sind – also etwa elektronische Briefe so wie die aus Papier oder Fotos auf unseren Festplatten genauso wie Bilder im Fotoalbum zuhause?

Auf diese Fragen bin ich im Interview eingegangen und HIER kann man es sich vollständig anschauen.

Massenüberwachung heute erzeugt Ängste, Selbstzensur und Unfreiheit – wie bei der Stasi

An ENGLISH version is HERE.
Der nachfolgende Text ist meine Rede, die ich bei der Kundgebung gegen Massenüberwachungsprogramme wie PRISM und für Whistleblowerschutz anläßlich des Obama Besuchs in Berlin am 19.06.2013 am Großen Stern gehalten habe. Von der Rede gibt es auch eine Aufzeichnung bei YouTube. Lesen kann man sie nun auch hier.
ADB Rede Prism Kundgebung „Meine Name ist Anke Domscheit-Berg. Ich war 21 Jahre alt als die Mauer fiel. Im November 1989 stand ich mit meiner Mutter auf der Berliner Mauer am Brandenburger Tor und feierte mit Tausenden anderen die Freiheit. Wir waren das Volk. Wir hatten Widerstand geleistet, gegen das Eingesperrtsein, gegen die Einschränkungen der Meinungsfreiheit, gegen Überwachung und Bevormundung. Wir waren das Volk. Wir sind auf die Strasse gegangen und wir haben uns gewehrt. Damals – es ist erst 24 Jahre her, feierten wir unseren Sieg und fühlten uns grenzenlos frei.
Zur Zeit der Wende war ich Kunst-Studentin im Süden der DDR. Wir waren „oppositionelles Gesindel“, wie man damals diejenigen nannte, die keine Lust mehr hatten, auf Überwachung und Unfreiheit. Nächtelang schrieb ich Aufrufe ab, vom Neuen Forum und anderen Reform-Gruppen, die sich damals bildeten. Meine Briefe im Studentenwohnheim kamen häufig geöffnet an. Die Stasi machte sich nicht einmal die Mühe, die Überwachung geheim zu halten. Wenn es im Telefon knackte, dann dachten wir immer, die STASI hört mit, dabei war es manchmal bestimmt nur eine schlechte Leitung. Aber wir achteten auf unsere Wortwahl und benutzten jede Menge Umschreibungen. Wir wurden Meister in einer Kommunikation, die von Andeutungen und Anspielungen lebte, ohne so konkret zu werden, dass es vielleicht böse Konsequenzen haben konnte.
Bevor wir politische Witze erzählten, überlegten wir, wer uns hören konnte, und wie vertrauenswürdig diejenigen waren. Und manchmal gingen wir auf Nummer sicher und verkniffen uns einen Witz. Wenn uns jemand mal zu lange ansah oder scheinbar auffällig und sinnlos irgendwo herumstand oder in unseren Augen verdächtig nach STASI aussehende Kleidung trug, waren wir verunsichert. Wir bekamen Angst und fühlten uns verfolgt – und manchmal war das auch so aber oft waren es bestimmt völlig unbeteiligte Menschen, die wir verdächtigten, offiziell oder inoffiziell für die Stasi zu arbeiten. Ich habe hundertmal in meiner Kindheit und Jugend den Satz gehört: „sag das bloß nicht in der Schule“ oder „sag das bloß nicht woanders, Du redest Dich um Kopf und Kragen“. Meinem Vater wurde geraten, weniger Kritik zu üben, weil die Tochter doch Abitur machen und studieren wollte. Das alles macht etwas mit einem. Man verändert sich. Man übt Selbstzensur. Man überwacht sich selbst.

Das Wissen um potenzielle Überwachung allein, beschränkt schon unsere Freiheiten!

Als ich im Wohnheim an der Schreibmaschine meines Großvaters diese Aufrufe oder Gedächtnisprotokolle polizeilicher Übergriffe aus der Wendezeit abschrieb, habe ich bei jeder Rückkehr in mein Zimmer zuerst die Schreibmaschine und meine versteckten Papiere untersucht. Ich sah an verstellten Farbbändern, dass jemand in meinem Zimmer war. Ich bekam anonyme Briefe, die mich warnten, vorsichtiger zu sein. Man informierte mich darüber, dass in meinem hunderte Kilometer entfernten Heimatort fremde Männer nach mir fragten, um Auskünfte über mich zu erhalten. Ich hatte keine Privatsphäre mehr. Genauso wenig wie Millionen anderer Ostdeutscher.

Dieses schreckliche Gefühl, auf einem Präsentierteller zu leben, das habe ich gehaßt. Und dieses beklemmende Gefühl – es kommt jetzt langsam zu mir zurück. Je mehr wir erfahren über inländische und ausländische Überwachungen, um so mehr kommt es zurück und macht mir Angst.

In DDR gab es auch eine Verfassung und in der stand auch was von Briefgeheimnis. Aber niemand nahm die DDR Verfassung für voll. Sie war ein Stück wertloses Papier, wunderbare Texte darin, aber leider nicht real. Jetzt lebe ich in einer Demokratie, in der das Grundgesetz etwas bedeutet. Aber dennoch gibt es jetzt mehr denn je den Trend, das Grundgesetz auszuhöhlen, durch andere Gesetze immer breiter auszulegen – zum Nachteil unserer Privatsphäre – oder es einfach zu ignorieren und uns ohne gesetzliche Grundlage zu überwachen und Daten über uns zu sammeln, z.B. weil wir gegen Nazis auf die Strasse gehen. Was hilft es denn, Jahre später vor einem Gericht Recht zu bekommen, wenn das Kind längst im Brunnen liegt?
Ich bekomme scharfe Kritik, wenn ich die Überwachungsstrategien heute mit denen der STASI vergleiche, aber ehrlich gesagt, waren die Möglichkeiten der STASI Kinderkram gegen das, was heute nicht nur möglich ist, sondern auch gemacht wird. Ein häufiges Argument ist dabei, dass man doch eine Demokratie nicht mit einem Unrechtsstaat vergleichen kann. Aber ich vergleiche nicht die gesellschaftlichen Systeme als Ganzes, ich vergleiche die Eingriffe in die Privatsphäre. Und da kann ich nur sagen: 37 Millionen Emails 2010 durch den BND ausgewertet – das wäre der feuchte Traum der STASI gewesen.

Aber wollen wir in unserem demokratischen System denn mit Methoden operieren, die denen eines Überwachungsstaates gleichen? Müßten wir uns nicht gerade in diesem Punkt viel mehr unterscheiden?

Ein weiteres Argument, dass ich oft zu hören bekomme ist: „in der DDR, da waren doch Tausende IMs am spitzeln, das ist doch viel schlimmer, wenn einen Freunde, Bekannte und Kollegen aushorchen“. Ich höre auch: „damals gings doch um Gesinnung, heute geht’s um Kinderschänder und Terrorismus, aber ich hab nichts zu verbergen, ich breche keine Gesetze, also können sie meine Daten ruhig alle angucken, wenn es der Sache dient“.
Aber wie wurde denn aus einem Freund, Bekannten oder Kollegen ein IM – ein informeller Mitarbeiter der STASI? Und haben wir alle wirklich nichts zu verbergen? Gibt es nichts in unserem Leben, das wir nicht unbedingt bekannt machen möchten, das einfach niemanden etwas angeht? Ein Seitensprung? Etwas ausgefallenere sexuelle Präferenzen? Der LSD Trip auf dem Festival vor  20 Jahren? Die Google Suche nach der nächstgelegenen Gruppe Anonymer Alkoholiker oder der Selbsthilfegruppe von Angehörigen HIV Infizierter? Gibt es keine Fotos auf unseren Festplatten, die peinlich oder einfach nur sehr privat sind? Von uns oder von anderen? Ich muss den Menschen noch treffen, der auf diese Fragen wirklich mit Nein antwortet. Denn es ist menschlich, Geheimnisse zu haben und ein Interesse an Privatheit. Aber wie war das jetzt mit den IMs?
Viele IMs begannen nicht zu spitzeln, weil sie es toll fanden, für die Staatssicherheit zu arbeiten, auch nicht aus glühender Überzeugung. Viele wurden erpresst oder mit Versprechungen gelockt. Dieses Vorgehen war überaus erfolgreich, denn die STASI hat sich vorher die potenziellen IMs genau angeguckt: Welche Schwächen und Laster hat der Mensch? Welche Leidenschaften und Begierden? Wovon träumt er und wovor hat er Angst? Mit diesen zutiefst privaten und individuellen Erkenntnissen wurde dann auch sehr individuell das Anwerbegespräch geführt. Man hat gedroht, private Geheimnisse dem Arbeitgeber, dem Ehemann oder der Ehefrau zu verraten, man hat Versprechungen gemacht für Belohnungen und Gefälligkeiten, die sonst schwer zu bekommen waren und die genau den Schwächen und Leidenschaften dieser Menschen entsprachen. Kaum einer davon hat irgendetwas illegales getan. Es war ihr eigenes, unschuldiges Privatleben, das man gegen sie verwendet hat. Ich finde es schlimm, dass sich so viele IMs haben anwerben lassen, denn ohne sie hätte das System STASI nicht funktioniert. Aber diese Arbeitsweise zeigt uns auch heute noch, dass zu viel Wissen über einen Menschen in den falschen Händen Macht verleiht und Macht kann immer auch mißbraucht werden.

Informationen über uns – je vollständiger das Profil umso besser, macht uns manipulierbar, erpressbar, durchschaubar und das alles macht uns unfrei. Es verletzt unsere Würde und unsere Privatsphäre und damit Grundrechte der deutschen Verfassung.

Wir sollten unserem Wunsch laut und deutlich Ausdruck verleihen, dass wir unsere Verfassung wieder buchstabengetreu gelebt sehen möchten. Dass wir keinen Bundestag wollen, der immer wieder neue Überwachungsgesetze verabschiedet, die das Verfassungsgericht kassiert. Dass wir höhere Hürden wollen für den Zugriff auf Daten über uns durch staatliche Stellen und härtere Sanktionen, wenn diese Hürden verletzt werden. Dass wir mehr Transparenz wollen über die Tätigkeiten und Befugnisse aller staatlichen Stellen, die Daten über uns sammeln!
Das ist ein Problem, das wir hier zu hause in Deutschland haben. Der Auslandsgeheimdienst kommt zusätzlich dazu. Es gibt also viele Stellen, von denen ich nichts weiß, die alles was ich kommuniziere, fotographiere, schreibe, meine Bewegungen von A nach B und meine Beziehungen zu X und Y aufzeichnen, speichern und auswerten können. Mit einem Ehemann, der ein paar Jahre bei Wikileaks gearbeitet hat, ist es nicht einmal unwahrscheinlich, dass genau das vielleicht auch tatsächlich passiert. Dabei verstoße ich gegen gar kein Gesetz. Ich habe nichts verbrochen. Genauso wenig wie mein Mann gegen irgendein deutsches Gesetz verstoßen hat.
Es ist ein Märchen,  zu denken, wer halbwegs gesetzestreu lebt, hat keine Überwachung zu befürchten. Gestern riet Rainer Wendt, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Zuschauern im Fernsehen auf die Frage, wie sie sich schützen können vor Überwachung, dass sie keine Bombenanleitungen sondern Kochrezepte aus dem Internet herunterladen sollten. Denkt mal alle darüber nach, woher der Staat wissen will, wer wann eine Bombenanleitung heruntergeladen hat, ohne den gesamten Datenverkehr anzuschauen mit allen Kochrezepten, Katzenvideos und Nacktfotos von x-beliebigen Menschen?
Ich möchte nie wieder in einem Überwachungsstaat leben, deshalb kämpfe ich für mehr Transparenz im Staat und gegen einen gläsernen Bürger. Ich möchte aber auch nicht aus dem Ausland bespitzelt werden, weil es letztlich egal ist, wer mich überwacht, denn beides verletzt meine Privatsphäre. Deshalb habe ich am Wochenende eine Petition bei Change.org gestartet, die bereits mehr als 37.000 Menschen in diesen paar Tagen unterschrieben haben.
Ich möchte unsere Bitte hier kurz vorlesen:

An Bundeskanzlerin Angela Merkel
Das Brandenburger Tor steht für die Freiheit Deutschlands. Die Bilder vom Fall der Berliner Mauer, mit Tausenden Menschen die auf der Mauer tanzten, um die neue Freiheit zu feiern, gehören zum historischen Gedächtnis der Welt.
Es ist eine bittere Ironie, dass genau an diesem geschichtsträchtigen Ort Barack Obama eine Rede halten soll: Der US Präsident, der mehr als jeder Präsident vor ihm Whistleblower verfolgt und unter dessen Amtsführung mit PRISM die umfassendste Überwachung der Kommunikation und Internetnutzung von Staatsbürgern der USA und anderer Länder erfolgt – auch von uns in Deutschland.
Am Brandenburger Tor, das 1989 zum Symbol für das Ende eines Überwachungsstaates wurde, einen Strategen der globalen Überwachungskultur reden zu lassen, zeugt von mangelnder Sensibilität.
Wir fordern, dass Sie die Gelegenheit nutzen, um Barack Obama am Brandenburger Tor ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Deutschland die Überwachung durch Programme wie PRISM nicht toleriert und dass die deutsche Bundesregierung sich klar gegen eine Strafverfolgung des PRISM-Whistleblowers Edward Snowden ausspricht.
Mit freundlichen Grüßen
37.000 Bürgerinnen und Bürger

Ich hoffe sehr, dass Angela Merkel diese vielen Stimmen nicht ignoriert und unsere Rechte gegenüber Barack Obama verteidigt.
Vielen Dank.“
There is an English language version of this speech HERE.

PRISM und der Überwachungsstaat – mein Wunsch an Kanzlerin Merkel zum Obama Besuch

Nach Bradley Manning hat Anfang Juni erneut ein Whistleblower aus den USA Schlagzeilen in der ganzen Welt gemacht: Edward Snowden, ehemaliger Mitarbeiter des höchstgeheimen Auslandsgeheimdienstes NSA (National Security Agency). Die von ihm u.a. an den Guardian geleakten Unterlagen weisen nach, dass der NSA in unvorstellbarem Ausmaß Kommunikation von US Bürgern und Ausländern überwacht. Er legte Informationen offen zu einem Programm, das sich PRISM nennt (deutsche Wikipedia: PRISM), und durch das Daten von Menschen gesammelt und ausgewertet werden, die z.B. bei der Nutzung von Microsoft, Facebook, Yahoo, Google oder von Produkten weiterer Dienstleister anfallen. Das betrifft auch Telefonate über Skype oder Chats auf Facebook… Das Programm soll einen direkten Zugriff auf die Daten ermöglichen, auch in Realzeit. US Behörden behaupten, es wären nur Ausländer betroffen – aber zum einen ist diese Behauptung inzwischen widerlegt, zum anderen sind wir alle Ausländer aus Sicht der USA und der größte Teil unseres Internetdatenverkehrs passiert US-amerikanisches Territorium. Damit hat die NSA freie Hand, uns alle auszuspionieren, erst recht, wenn wir Dienste von US Firmen nutzen, die Vertragspartner bei PRISM sind.
Über PRISM und seine Auswirkungen ist schon viel geschrieben worden, z.B. bei ZEIT Online, von Richard Gutjahr, von Daniel Ellsberg (englisch) oder von Cory Doctorow (englisch). Bei netzpolitik.org gibt es eine ganze Reihe Beiträge. In diesem Blogpost möchte ich daher auf einen speziellen Aspekt hinweisen:
US Präsident Barack Obama trat an, die transparenteste Regierung aller Zeiten und der ganzen Welt aufzubauen. Das ist ein paar Jahre her und wir stellen leider jetzt alle fest, dass er dabei ist, stattdessen die transparentesten Bürger aller Zeiten und in der ganzen Welt zu schaffen. Das wird ein Überwachungsstaat – auch jenseits der US-amerikanischen Grenzen. Das macht mir Angst.
In keinem anderen europäischen Land werden soviele Daten von der NSA abgezogen und ausgewertet, wie über Deutschland. Das ist an der ebenfalls geleakten Karte über die Überwachungsintensität gut zu erkennen – wir sind der gelbe Fleck in Europa. Wir sollten uns Sorgen machen.
Graphik PRISM Aktivitäten in der Welt
Präsident Obama ist jedoch am 18. und 19.6.2013 wieder einmal in Deutschland zu Besuch. Diesmal spricht er nicht vor mehreren Hunderttausend Begeisterten am Großen Stern in Berlin, diesmal fürchtet er die Nähe zum Volk, weil ihm wohl klar ist, dass die Begeisterung der Deutschen, sich von seinen Geheimdiensten überwachen zu lassen, begrenzt ist. Nur wenige Tausend Menschen – vorher handverlesen – werden durch die weiträumigen Absperrungen vorgelassen, wenn er am 19.06.2013 am Pariser Platz eine Rede halten wird. Wir, als ganz normale Bürgerinnen und Bürger, haben also kaum eine Chance, ihm zu zeigen, was wir davon halten.
Petition change.org/prismAber wir haben eine Regierung gewählt und an deren Spitze steht unsere Kanzlerin Angela Merkel. Kanzlerin Merkel wird mit Barack Obama sprechen. Deshalb habe ich auf Change.org eine Petition gestartet, in der ich Angela Merkel auffordere, am Brandenburger Tor Barack Obama öffentlich zu sagen, was die Deutsche Regierung von dem Überwachungsprogramm PRISM hält: nämlich gar nichts. Außerdem fordere ich sie in der Petition auf, sich dafür einzusetzen, dass Edward Snowden als Whistleblower geschützt wird vor Strafverfolgung. Er hat der Weltgemeinschaft einen großen Dienst erwiesen, unter maximalen persönlichen Risiken. Ohne Whistleblower hat die Demokratie jedoch kein Korrektiv. Wir brauchen Menschen wie ihn. In den ersten 24 Stunden haben mehr als 1.300 Menschen diese Petition unterschrieben. Ich wünsche mir noch viel mehr Unterzeichnende, damit wir Kanzlerin Merkel ein deutliches Signal für den Obama Besuch mitgeben.
ePETITION: Bitte unterschreibt zahlreich, verbreitet diese Petition auf allen Wegen!
In einem Interview mit dem Guardian  äußerte sich Edward Snowden zu seinen Motiven für diesen Leak übrigens so:

I don’t want to live in a society that does these sort of things … I do not want to live in a world where everything I do and say is recorded.

Das sehe ich genauso.  Das Gefühl permanenter Überwachung, das ich aus DDR Zeiten noch gut kenne, möchte ich nicht wieder haben. Wenn Ihr das auch nicht möchtet, dann sagt das laut und überall. Protestiert gegen den Überwachungsstaat – und zwar egal, ob wir von ausländischen Geheimdiensten oder von unseren eigenen Geheimdiensten überwacht werden. Der Staat ist für uns da, nicht wir für den Staat. Wir müssen einmal errungene Grundrechte immer wieder neu verteidigen. Bei aller Aufregung über die USA dürfen wir nämlich nicht vergessen, dass die deutsche Politik seit Jahren an einer Ausweitung der rechtlichen Möglichkeiten für mehr Überwachung der Bevölkerung arbeitet – auch wenn das Bundesverfassungsgericht hin und wieder eines dieser Gesetze kassiert, wie zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung. Über diese Themen werde ich sicher künftig noch öfter schreiben – leider werden sie immer relevanter. Der BND hat zum Beispiel gerade erst verkündet, 100 Millionen Euro in den Ausbau der Internetüberwachung investieren zu wollen. Das klingt für mich nach „PRISM, Made In Germany“. Dabei hat der BND schon heute weitreichende Befugnisse, die beunruhigend sein sollten.
Zum Schluss gute Satire
Ein (wie immer) sehr unterhaltsames aber dennoch inhaltlich gehaltvolles, satirisches Video gibt es zum Thema PRISM/Snowden bei Juice Rap News (leider nur auf englisch).

Juice Rap News PRISM

Und noch mal eine kleine Erinnerung: HIER könnt Ihr die Petition an Angela Merkel dazu unterschreiben
Und ganz zum Schluss ein Terminhinweis: Am Dienstag, 18.06.2013, werde ich gemeinsam mit meinem Mann, Daniel Domscheit-Berg, bei SAT1 in der Sendung „Eins gegen Eins“ zum Thema PRISM – Freiheit versus Überwachung diskutieren. Die Sendung ist dann ausnahmsweise ein „Zwei gegen Zwei“, einer unserer Gesprächsgegner wird Rainer Wendt sein, Chef der deutschen Polizeigewerkschaft, der PRISM super findet. Im Terminhinweis dazu finden sich mehr Informationen (kommt in Kürze).
UPDATE 17.06.2013:

Und das TOLLSTE:
Die Petition hat am 17.6. abends bereits 23.000 Unterzeichner gewonnen! Laßt es uns noch mehr werden bis zum Obama Besuch!
Update 07.07.2013

  • Die Petition hatte insgesamt über 43.000 Unterzeichner gewonnen! Ich habe sie jedoch beendet, da der Obama Besuch Geschichte ist und Danke allen, die mitgemacht haben! <3
  • Ich habe vor einigen Tagen eine neue Petition an das EU Parlament und die EU Kommission gestartet, die aktuell 23.000 Mitzeichnende hat – mein Ziel ist aber mindestens 100.000 Unterschriften zu gewinnen, damit es auch Gewicht hat in der EU. HIER kann man die neue Petition unterschreiben!  Ich habe auch einen eigenen Blogtext dazu geschrieben.