Besuch im Europäischen Parlament – Teil 3 – PPEU Gründung und Wahlkampfauftakt

Vorsitzende Amelia Andersdotter (rechts) und ihre Vize Martina Pöser (links) direkt nach der Wahl in den ersten PPEU Vorstand

Vorsitzende Amelia Andersdotter (rechts) und ihre Vize Martina Pöser (links) direkt nach der Wahl in den ersten PPEU Vorstand


Am Freitag, 21.03.2014 wurde die Gründung der Europäischen Piratenpartei abgeschlossen. So ein Prozess dauert schon aus formellen Gründen länger – in Brüssel fand als letzter Schritt die Wahl des ersten Vorstandes statt. An der Spitze der PPEU stehen nun zwei FrauenAmelia Andersdotter, die schwedische EU Abgeordnete der Piratenpartei als Vorstandsvorsitzende und Martina Pöser, Piratin aus Deutschland, als ihr Vize. Einen zweiten Vize gibt es auch: Maxime Rouquet aus Frankreich. Auch die übrigen Vorstandsmitglieder kommen aus ganz Europa und stehen für die Vielfalt der PPEU: Radek Petron aus Polen, Antonis Motakis aus Griechenland, Anders Kleppe aus Norwegen, Gilles Bordelais – Franzose aus Deutschland, Paul Bossu aus Belgien und Christian Bulumac aus Rumänien.
PPEU Gründung in Brüssel

PPEU Gründung in Brüssel


Mitglieder der PPEU sind Piratenparteien (und vergleichbare Organisationen) in ganz Europa, aktuell sind es Piratenparteien aus 20 europäischen Ländern. Mit dabei in Brüssel waren hunderte Pirat*innen, die wie ich begeistert waren von der transnationalen Atmosphäre und dem historischen Moment, den wir gemeinsam im Europäischen Parlament in Brüssel erlebten.
Delegierte von Piratenparteien aus Europa mit ihren Stimmkarten bei der PPEU Gründung

Delegierte von Piratenparteien aus Europa mit ihren Stimmkarten bei der PPEU Gründung


Wahlberechtigt waren jedoch nur Delegierte der Mitgliedsparteien. Deutschland hatte mit vier Delegierten die größte Gruppe an Repräsentanten entsenden können. Die Anzahl hängt ab von der Mitgliederzahl und der Repräsentation in Parlamenten. Es gab Debatten und Kritik am Delegiertensystem, aber ich halte das für die PPEU für den einzig sinnvollen Weg, wenn man verhindern möchte, dass jeweils die Lokalpirat*innen des Landes, in dem eine Abstimmung der PPEU stattfindet, die Mehrheiten bestimmen. Auch wenn es darum geht, Länder an der Peripherie der EU oder finanzschwächere Länder fair zu vertreten, macht ein Delegationssystem Sinn, denn sonst kämen aus NRW immer mehr PPEU Stimmen als aus Estland, Portugal und Island zusammen. Das wäre ungerecht und widerspräche dem Geist der PPEU.
Gewählt wurden auch zwei Kandidaten der PPEU für das Amt des Kommissionspräsidenten. Dieses Amt muss durch das EU Parlament bestätigt werden, in der Regel werden also nur Kandidat*innen der größten Fraktionen eine realistische Chance haben. Aber so what. Die PPEU ist selbstbewußt und für uns ist diese Kandidatur einfach eine politische Ansage! Unsere beiden Kandidat*innen sind Peter Sunde, u.a. Gründer der Piratebay und von Flattr sowie EU Kandidat der finnischen Piratenpartei und Amelia Andersdotter. Peter konnte leider selbst nicht dabei sein, er wird per Haftbefehl gesucht – wegen seiner Arbeit für die Piratebay. Sein Leben steht für die Absurditäten des aktuellen Urheberrechts, das aus engagierten Menschen Kriminelle macht. Ich empfehle, sein Grußwort an die PPEU noch einmal zu lesen, das ich für ihn vorgetragen habe (einen Videomitschnitt von der Rede aus dem EU Parlament gibts HIER).
Neben Stevan Cirkovic - ebenfalls Europa-Kandidat der Piratenpartei aus Deutschland bei der PPEU Gründung

Foto: Piratenpartei / Borys Sobieski (CC-BY); Neben Stevan Cirkovic – ebenfalls Europa-Kandidat der Piratenpartei aus Deutschland bei der PPEU Gründung


Für mich war es ein ganz besonderes Erlebnis, bei der Geburtsstunde der PPEU dabei zu sein. Bei der Gründungsveranstaltung und der sich anschließenden Internet Governance Conference, die mit hervorragenden Sprecher*innen besetzt war, wurde deutlich:

Es gibt einen Grund dafür, dass Piratenparteien entstanden sind. Und er ist immer noch da.
Es gibt einen Grund dafür, dass sie in Parlamente gehören. Immer noch.
Es gibt einen Grund dafür, dass unsere Visionen weiterhin niemand anders in der politischen Landschaft vertritt.
Alle diese Gründe sind ein Auftrag an uns, für diese Visionen aufzustehen: die Demokratie in einer digitalen Gesellschaft zu verteidigen, Grundrechte zurückzuerobern, Machtverhältnisse zugunsten der Zivilbevölkerung zu verschieben, den einseitigen Einfluss der Industrielobbyisten auf die Politik zu durchbrechen, die Freiheit des Internets mit Zähnen und Klauen zurück zu erkämpfen (nein, nicht verteidigen, denn das Internet ist schon längst nicht mehr frei), das Abdriften in einen digitalen Totalitarismus mit allgegenwärtiger Massenüberwachung zu verhindern – und noch viel mehr. Es gibt so viel zu tun für uns! So vieles, das höchste Priorität hat – und haben muss. Wir haben einfach keine Zeit und keine Energie übrig für alles, was uns davon ablenkt.

Es war mir wichtig, diesen „Spirit“ dort in Brüssel zu spüren. Im Alltag können diverse Gates und Querelen auf Twitter oder in Mailinglisten uns von diesen Zielen abbringen. Viel zu viele Pirat*innen befassen sich mit Nebensächlichkeiten, persönlichen Streitereien oder einem Fokus auf innerparteiliche Unzulänglichkeiten.
Logo PPEUAber so berechtigt die Frustrationen im Einzelfall sein können, jetzt geht es gerade um sehr viel mehr. Es geht schlicht ums Ganze. Es geht darum, dass sich ein Möglichkeitsfenster schließt und darum, dass wir nicht daneben stehen können, damit beschäftigt, uns zu zanken statt damit, den Fuß in den Spalt zu stellen und mit aller Kraft das Fenster aufzuhalten. Es wird sonst eines Tages zu spät sein und ich möchte mich nicht rückblickend fragen müssen, wie es denn kam, dass wir unseren Auftrag vergaßen, in einer Zeit, in der wir am dringendsten gebraucht wurden und wo wir denn da waren. Bei der Gründung der PPEU habe ich dieses gemeinsames Verständnis von Dringlichkeit für unsere Ziele und der Bedrohung der Gesellschaft gespürt. Es hat meinen Optimismus wachsen lassen und mir Kraft gegeben. Ich bin den vielen Pirat*innen aus allen Ecken Europas dafür sehr dankbar. Now is the time to act.
Dem Piratenmagazin KOMPASS habe ich zur Gründung der PPEU folgendes Statement gegeben:

“In jeder Minute war hier in Brüssel bei der Gründung der PPEU der Spirit einer internationalen Bewegung, die für die digitale Gesellschaft und damit für die Zukunft steht, zu spüren. Es ist inspirierend und motivierend, mit Piratinnen und Piraten aus ganz Europa mitten im europäischen Parlament Debatten zu brennenden Fragen zu führen.
Welche Bereicherung für die Demokratie Piratenparteiabgeordnete im EU Parlament wären, haben diese Debatten zu Themen wie Urheberrechtsreform, transatlantisches Freihandelsabkommen und Schutz vor staatlicher Massenüberwachung gezeigt. Auch unsere höhere Priorität hinsichtlich Transparenz und Teilhabe im politischen Betrieb wird hier in Brüssel dringend gebraucht.
Ich habe mir Rückenwind für den anstehenden Wahlkampf hier holen können und freue mich jetzt darauf, gemeinsam mit den anderen Kandidat*innen unserer Europaliste durchzustarten.”

Und wo ich gerade vom Wahlkampf schreibe – am 29.03.2014 fand der offizielle Wahlkampfauftakt der Piratenpartei Deutschland in Berlin statt. Fast alle Kandidat*innen waren da, unsere Kampagne wurde vorgestellt – u.a. die Wahlplakate, ein Wahlkampf-Radiospot eingespielt (ich habe dabei GOTT gesprochen!) und jede*r hat sich kurz mit seinem/ihrem Schwerpunkt für die Wahl und die Arbeit im EU Parlament vorgestellt. Passend dazu hat der Bayerische Rundfunk ein Interview mit mir zum EU Wahlkampf und unsere Schwerpunkte dabei ausgestrahlt. Es wird jetzt ernst – aber wir werden Spaß dabei haben!

Foto: Piratenpartei / Borys Sobieski (CC-BY), EU Kandidaten v.l.n.r.: Martin Kliehm, Fotio Amanatides, Julia Reda, Gilles Bordelais, Bruno Kramm, ich

Foto: Piratenpartei / Borys Sobieski (CC-BY), EU Kandidaten v.l.n.r.: Stevan Cirkovic, Martin Kliehm, Fotio Amanatides, Julia Reda, Gilles Bordelais, Bruno Kramm, ich


Den ersten Teil meines Berichts zum Besuch im EU Parlament, der sich vor allem mit Lobbyismus und der Urheberrechtsreform befaßt, gibt es HIER.
Teil 2 meines Berichts zum Besuch im EU Parlament mit vielen Eindrücken vor Ort und zu Gesprächen mit Abgeordneten des EU Parlamentes findet sich HIER.
 

Besuch im Europäischen Parlament – Teil 2 – Gespräche mit Piraten MEPs und Eindrücke

Dies ist Teil 2 meiner Berichte zum Besuch im Europäischen Parlament vom 19-22.03.2014. In Teil 1 habe ich über Lobbyismus und das Thema Copyright geschrieben. In diesem Teil soll es um die Eindrücke am gleichen Tag gehen. In einem dritten Teil schreibe ich zur Gründung der European Pirateparty und zur Internet Governance Conference, die am 21.03.2014 stattgefunden haben.

EU Parlament - Glasgang

EU Parlament – Glasgang zwischen Gebäuden


An meinem ersten Besuchstag im Europaparlament haben wir, Julia Reda, Fotio Amanatides und ich, mehrere Mitglieder des Europaparlaments und Mitarbeiter treffen können. Von allen Gesprächen habe ich sehr profitiert.
Unser Tag sah in der Übersicht so aus: Donnerstag, 20.03.2014

  • 08:00 Meet up am EU Parlament, Eingang Rue Wiertz, Akkreditierung
  • 08:30-10:00 Copyright Breakfast mit MEP Amelia Andersdotter. Member Salon
  • 10:00-10:45 Abstimmung deutscher Piratenpartei Kandidat*innen (Julia, Fotio, Anke).
  • 10:45-11:30 Führung durch das EU Parlament mit Mattias Bjarnemalm, Mitarbeiter im EU Parlament, Gespräch mit Christian – Mitarbeiter der Grünen-Fraktion für die Piraten-MEPs
  • 11:30-12:30 Video-shooting für wepromise.eu pledge mit Fotio und Anke
  • 12:30-14:00 Lunch mit MEP Martin Ehrenhauser
  • 14:15-14:30 Foto-shooting mit Team von wepromise.eu (goVeto)
  • 14:30-16:00 Meeting mit MEPs der schwedischen Piratenpartei: Amelia Amersdotter und Christian Engström
  • 16:00-16:45 Kaffee mit Strategieberater der Grünen-Fraktion Eduard Gaudot
  • 18:30-20:00 European Pirates Internet Governance Conference – opening event

EU Parlamant Kunst am BauDas Gebäude des Europa-Parlamentes besteht eigentlich aus mehreren Gebäuden, die teilweise über Brücken miteinander verbunden sind. Die meisten Teile sind hell und freundlich, hier und da steht ein riesiges Kunstelement herum. Das hier abgebildete soll sogar im ganzen Haus Töne verbreiten, wenn man an eine der Stangen schlägt ;-). Ohne Mattias, unserem „Reiseführer“ mit Insiderkenntnissen, wären wir sehr schnell in all diesen Gängen verloren gegangen. Er zeigte uns Bereiche, in die man als normale Besucher gar nicht kommt, die Fraktionsbüros der Grünen-Fraktion zum Beispiel, die diversen Cafés (es gibt sogar eines, das Mickey Mouse heißt), und die Labyrinthe, die alle möglichen Gebäudeteile miteinander verbinden.
Eindrucksvoll war die „Newsstation“ (wie der Ort tatsächlich heißt, weiß ich nicht – Update: Julia wußte es, es heißt „voxbox“). Dieser Counter sah jedenfalls aus wie eine TV Station, mit vielen flimmernden Bildschirmen, auf denen Interviews oder Einspieler liefen, Menschen, die wie Moderatoren oder Berichterstatter aussahen herumsaßen, und einem hinteren Gelände, in dem man jederzeit einen fertigen Hintergrund hatte für eine beliebige EU Talkshow, ein Interview oder was auch immer. Im diesem Bild steht Julia Reda, unsere Spitzenkandidatin daneben – wenn sie gewählte MEP ist (dafür reichen 0,5%!) – wird sie dort bestimmt noch oft stehen :-).

Julia Reda, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland für die EU Wahlen, am Newscounter im EU Parlament

Julia Reda, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland für die EU Wahlen, am Newscounter im EU Parlament (Update: das Ding heißt „voxbox“)


Die Glasgänge hatten es mir angetan – nachstehend nur eines von vielen Bildern, die ich dort gemacht habe. Im Foto: Julia Reda mit Martin Ehrenhauser. Ein wenig spacig sah es dort schon aus. Mir gefiel der transparente Charakter dieser Architektur.
Julia Reda, Piratenpartei Deutschland, mit Martin Ehrenhause in den Glasbrückengängen des EU Parlamentes

Julia Reda, Piratenpartei Deutschland, mit Martin Ehrenhause in den Glasbrückengängen des EU Parlamentes


Mit Martin Ehrenhauser – fraktionsloses Mitglied des EU Parlaments – sind wir in der Mittagspause in die Sonne gegangen. In einem Imbiß haben wir uns ein paar Kleinigkeiten geholt, die wir in einem Park in der Nähe als Picknick verspeist haben. Nebenbei haben wir uns über Alltag im Europa Parlament unterhalten, über Fraktionspolitik und solche Dinge.
EUParl-MitJuliaBeimPicknick
Ernster wurde es wieder nach dem Mittag, als wir mit den Piraten-MEPs Amelia Andersdotter und Christian Engstrom zusammen trafen. Nicht alles, was wir erfuhren, war ermutigend und machte Lust auf Europapolitik. Aber besser, man weiß vorher, was einen erwartet. Spannend war für mich, was die beiden MEPs erreichen konnten und in wie weit man überhaupt als einzelne Person dort einen Unterschied machen kann.
Christian Engstrom, Piraten-MEP aus Schweden. Mate gibt es in Brüssel offenbar genug.

Christian Engstrom, Piraten-MEP aus Schweden. Mate gibt es in Brüssel offenbar genug.


Gerade beim Widerstand gegen ACTA haben die beiden Parlamentarier jedoch viel erreichen können. In der Grünen-Fraktion, der die Piraten angehören, gab es keine besonderen Netzpolitik Kompetenzen, erst auf Bestreben der Piraten MEPs wurde ein Mitarbeiter dafür eingestellt.
Die Piraten-MEPs sorgten dafür, dass die Zivilgesellschaft Druck auf einzelne Abgeordnete machte, dass Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen entstanden, sie bereiteten den Boden innerhalb des Europa Parlamentes, auf den dann der externe Druck durch weltweite Anti-ACTA Proteste traf – so wurde der Widerstand besonders effektiv und am Ende kippte ACTA. Amelia Andersdotter hatte als Rapporteurin des Industrie-Ausschusses in diesem Gremium ein Proposal eingereicht, das einer der Sargnägel für ACTA wurde.
Amelia Andersdotter und ihr Team im EU Parlament (ganz links Mattias Bjarnemalm) - Ihr Büro befindet sich im Gebäudebereich 6E - außerhalb der Grünen-Fraktion, daher "Exile"

Amelia Andersdotter und ihr Team im EU Parlament (ganz links Mattias Bjärnemalm) – Ihr Büro befindet sich im Gebäudebereich 6E – außerhalb der Grünen-Fraktion, daher „Exile“


Amelia riet uns, im Wahlkampf verstärkt auf das Thema Copyright zu setzen, denn das Parlament kann sich nicht selbst aussuchen, welche Themen auf seine Tagesordnung kommen, da nur die Kommission das Initiativrecht für Gesetze hat. Bei einigen Themen steht jedoch schon fest, dass die kommende Legislatur sie auf den Tisch bekommt – dieses gehört dazu. Wir lernten, dass jede*r MEP Vollmitglied in einem der 20 Ausschüsse ist und stellvertretendes Mitglied in einem weiteren. Wer in welchen Ausschuss kommt, ist Verhandlungssache – vor allem innerhalb der Fraktion, der man angehört, denn jede Fraktion hat nur eine begrenzte Anzahl Ausschußmitgliedschaften zu verteilen. Mit einem Thema befasst sich meist ein Ausschuss federführend, andere arbeiten ggf. zu etwa durch Stellungnahmen. Beim Urheberrecht wird die Federführung wohl der Rechtsausschuss haben aber der Kultur und Bildungsausschuss und weitere werden Zuarbeit leisten.
Foto: GoVeto, von links nach rechts: Julia Reda, ich, Fotio Amanitides, Martin Ehrenhauser (MEP) vor dem Altiero Spinelli Gebäude des EU Parlamentes

Foto: GoVeto, von links nach rechts: Julia Reda, ich, Fotio Amanatides, Martin Ehrenhauser (MEP) vor dem Altiero Spinelli Gebäude des EU Parlamentes


Wir haben auch gefragt, welche Erfahrungen die MEPs gesammelt haben, von denen sie sich gewünscht hätten, sie hätten sie früher davon gewußt. Hier sind ein paar dieser Tipps (manche finde ich traurig):

  • Was immer Ihr sagt – geht davon aus, dass es auf die negativst mögliche Weise ausgelegt werden wird
  • Was immer Ihr versprecht – geht davon aus, dass es nie vergessen wird und auch unter widrigsten Bedingungen eingefordert
  • Vertraut nicht darauf, dass die Brüsseler Administration Euch die richtigen Prozessinformationen rechtzeitig zur Kenntnis gibt – stellt sicher, dass sich Eure Mitarbeiter*innen darum kümmern, dass alle erforderlichen Schritte frühzeitig bekannt sind
  • Vertraut nicht darauf, dass sich politische Gegner an die Regeln halten – sie werden tricksen, wo immer es geht
  • Delegiert alles, was mit Admin zu tun hat – Ihr braucht jede Minute für die inhaltliche, politische Arbeit; Ihr werdet immer zu viele Akten auf Eurem Tisch liegen haben
  • Erarbeitet Euch die Historie von Anträgen/Akten, die Ihr auf den Tisch bekommt, oft vermittelt die mehrjährige Entwicklungsgeschichte bestimmter Proposals ein besseres Verständnis, auch dazu, wie man die Inhalte entsprechend der eigenen politischen Schwerpunkte beeinflussen kann – und wie man das am besten anstellt.
  • Es gibt kaum MEPs, die ein Transparency Log pflegen – es ist aufwändig und die Grauzonen sind groß. Laßt Euch beraten von NGOs, die Expertise haben – von Transparency oder Lobby Control, wie man das am besten macht.

Illusionen hatten wir bestimmt alle keine, aber trotzdem war es nicht besonders ermutigend, vor allem Warnungen zu erhalten. Ich bin froh, dass wir mit einem guten Team einziehen werden – gemeinsam sind wir stärker.
Am Abend des 20.03.2014 begann die Internet Governance Konferenz der European Pirateparty – die Rede, die ich dort für meinen Mann Daniel und für Peter Sunde, den Gründer der Piratebay und Spitzenkandidat der finnischen Piratenpartei für die EU Wahlen gehalten  habe, habe ich bereits HIER veröffentlicht. In meinem 3. und letzten Bericht zum Besuch im Europäischen Parlament werde ich über die Fortsetzung der Internet Governance Konferenz am 21.3.2014 und die am gleichen Tag stattfindende Gründung der European Pirateparty schreiben.

Platz vor dem EU Parlament Richtung Place Luxembourg

Platz vor dem EU Parlament Richtung Place Luxembourg


Den ersten Teil meines Berichts zum Besuch im EU Parlament, der sich vor allem mit Lobbyismus und der Urheberrechtsreform befaßt, gibt es HIER.
Teil 3 meines Berichts zum Besuch im EU Parlament zu Gesprächen mit Abgeordneten und vielen Eindrücken vor Ort gibt es HIER.
 

Zu Besuch im Europäischen Parlament – Teil 1 – "Copyright Frühstück" – Lobbyismus in Aktion

Foto: www.goveto.orgvrnl: Martin Ehrenhauser (MEP), Julia Reda, Fotio Amanatides und ich

Foto: www.goveto.org vrnl: Martin Ehrenhauser (MEP), Julia Reda, Fotio Amanatides und ich


Zwei Tage lang habe ich gerade im EU Parlament in Brüssel verbracht, mich mit den Örtlichkeiten vertraut gemacht, am 20.03. zusammen mit unseren Spitzenkandidat*innen Julia Reda und Fotio Amanatides drei Europa-Abgeordnete (Martin Ehrenhauser – unabhängig, sowie Amelia Andersdotter und Christian Engstrom von der Schwedischen Piratenpartei) und mehrere Mitarbeiter von Abgeordneten (Grüne und Piraten) getroffen, ihnen allen Löcher in den Bauch gefragt, nebenbei einen kleinen Film für wepromise.eu gedreht, und dann die Gründung der Europäischen Piratenpartei miterlebt und die daran anschließende Internet Governance Konferenz am 21.03.2014 besucht.
Fotoshooting wepromise.eu

Fotoshooting wepromise.eu


Mattias Bjarnemalm, Mitarbeiter im Europäischen Parlament, hatte nicht nur alles für uns organisiert sondern sich auch vor Ort als gute Seele um uns gekümmert. Das war auch gut so, denn ich hätte mich in den Labyrinthen des Europäischen Parlamentes wohl oft verlaufen.
Aber eins nach dem anderen. Ich werde in mehreren Blogtexten davon berichten. Gestern habe ich bereits die Reden veröffentlicht, die ich für meinen erkrankten Mann und Peter Sunde, Gründer der Pirate Bay und finnischer Spitzenkandidat der Piratenpartei für die EU Wahlen, gehalten hatte.
In diesem Beitrag geht es um eine kleine Schule in Lobbyismus  und um die anstehende Urheberrechtsreform, mit der sich die nächste Legislatur beschäftigen wird.Logo PPEU
 
Lobby-Frühstück zur Copyright Reform mit Amelia Andersdotter
Einen sehr authentischen Eindruck von der klassischen Lobbyarbeit im Parlament bekam ich gleich am morgen nach meiner Ankunft in Brüssel: Amelia Andersdotter, schwedische Europaabgeordnete der Piratenpartei, war gemeinsam mit zwei Verbänden Gastgeberin eines „Copyright-Breakfast“, das schon früh um 08:00 Uhr begann und zu dem etwa 25-30 Vertreter von Verbänden, Institutionen, Unternehmen oder Parteien erschienen. Es gab ein paar kurze Vorträge zum Thema Copyright Reform in Europa mit dem Schwerpunkt Bibliotheken und Archive und einem Bezug zu einer Internationalen Regelung auf der Ebene der WIPO (World Intellectual Property Organisation). Ich habe in dieser Stunde eine Menge gelernt. Viele Hindernisse, die das veraltete Copyright verursacht, waren mir schon bewußt, aber ich habe von noch mehr Seltsamkeiten des aktuellen Rechts erfahren, die dringend einer Reform bedürfen.
Amelias Büro im EU Parlament von außen

Amelias Büro im EU Parlament von außen


So beklagten sich Vertreterinnen internationaler Bibliotheksverbände darüber, dass internationale Kooperationen zwar immer wichtiger aber auch immer komplizierter werden, weil es kein einheitliches Lizenzrecht gibt und selbst das Indizieren und Durchsuchen vorhandener elektronischer Archive dem Urheberrecht unterliegt und oft nicht auf legalem Wege stattfinden kann. Überhaupt bewegten sich die Hüter*innen großer digitaler Sammlungen stets am Rande der Illegalität, das Urheberrecht wirke als Forschungsverhinderungsrecht, das Zugang zu Wissen selbst für Forschende erschwert. Eine der Hauptaufgaben von Archiven – das Erhalten ihrer Sammlungen für die Zukunft – ist rechtlich besonders schwierig, denn dazu müssen digitale Werke oft in andere Formate umgewandelt werden und das ist fast immer ein Verstoß gegen das Urheberrecht.
Es gibt große bedrohte Bibliotheken, die ihre Archive daher auslagern, z.B. aus dem Kongo oder zur Zeit der Taliban aus Afghanistan nach Paris. Dort sind diese Sammlungen zwar sicher, aber wenn jemand etwa aus den Ursprungsländern dieser Kulturgüter Zugang dazu haben möchte, dann gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. Dringlich waren die Appelle, die unter anderem von der Vertreterin des internationalen Verbandes der Forschungsbibliotheken kam. Die Befürchtung ist groß, dass wieder einmal eine Urheberrechtsreform vor allem die Interessen von Industrien widerspiegelt aber nicht der Zivilgesellschaft und damit eine Gemeinwohlorientierung.
In den letzten 100 Jahren gabe es 8 internationale Urheberrechtsverträge, die die Interessen der Rechteinhaber verstärkten. Es gab jedoch nur einen einzigen – und den erst im Jahr 2013, der im Interesse der Zivilgesellschaft entstand – er regelte die Rechte bei der Erstellung von Lesematerial für Sehbehinderte und Blinde, erst am Vortag des Frühstücks, am 19.3.2014, hatte der Europarat entschieden, den diesbezüglichen Entwurf der EU Kommission zu unterschreiben.
Eine Vertreterin der Kommission lobte die intensive Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den letzten Monaten, die dazu diene, einen besseren Einblick in den Reformbedarf zu bekommen. Piratenabgeordnete Amelia Andersdotter drückte sich zwar gewählt und diplomatisch aus, aber ihre Kritik blieb dennoch sehr deutlich: Aus Kreisen der Kommission sei verlautbart worden, dass eine Beteiligung an der Online Befragung eigentlich sinnlos sei, da man an Feedback nicht sonderlich interessiert ist. Diese Informationen wurden noch vor Ende der Beteiligungsfrist bekannt und hätten einen negativen Einfluss auf die Bereitschaft an Beteiligungen und sendeten ein maximal negatives Signal. Eine solche Einstellung wurde von der Kommissionsvertreterin selbstverständlich vehement abgestritten. Meine Meinung dazu war, dass wir ja alle sehen werden, wie ernst es die Kommission mit dem Bürgerfeedback meint, denn die über 11.000 eingereichten Rückmeldungen europäischer Bürgerinnen und Bürger sollen veröffentlicht werden, so dass nachvollziehbar wird, in wie weit die Meinung der Menschen Berücksichtigung fand. Dieser Prozess soll aber noch ein paar Wochen dauern. Für Ende Juni wurde jedoch ein Whitepaper der Kommission dazu angekündigt.
HP Help reform Copyright

HP Help reform Copyright


Dass es so viele Rückmeldungen wurden – 4.000 kamen in den letzten 24 Stunden – ist ein Verdienst von Amelia Andersdotter, die die Website http://copywrongs.eu/ www.savetheinternet.eu initiierte. Diese Plattform stellte in neun Sprachen ein Webfrontend bereit, in dem man besonders einfach Orientierung für die Online Beteiligung der EU finden konnte. Über alle Piratenkanäle in Europa wurde zur Beteiligung aufgerufen.
** Update 24.03.2014: Nach einem Kommentar zu diesem Blogtext wurde die Entwicklung der Website (richtig ist copywrongs.eu) von Amelia angestoßen und durch einen Workshop beim Kongress des Chaos Communications Club 30c3 von einer Gruppe österreichischer Piraten auf Basis der Arbeit eines Mitglieds der deutschen Open Knowledge Foundation (die mit youcan.fixcopyright.eu auch massiv zur hohen Anzahl an Antworten beitrugen) umgesetzt. Zu den Piratenkanälen, die europaweit für die Beteiligung trommelten, gehörten auch isländische Piraten – in der Tat ein sehr schönes Beispiel für Kollaboration in der internationalen Piratenbewegung.**
Hoffen wir, dass diese massive Mobilisierung Erfolg hat und es eine Urheberrechtsreform geben wird, die nicht nur die Interessen großindustrieller Rechteinhaber der Unterhaltungsbranche vertritt. Passend dazu habe ich gerade einen Text zu einem Interview mit Cory Doctorow auf irights.info gefunden. Mein Lieblingszitat daraus:

„Der Zweck des Urheberrechts aber liege nicht darin, „dass fünf Hollywoodstudios, drei Majorlabels und fünf Großverlage solvent bleiben“. Er liege vielmehr darin, dass die „größte Zahl an Menschen die größtmögliche Anzahl unterschiedlichster Inhalte produzieren und damit verschiedenste Menschen erreichen kann“.

Eine der Lobbyistinnen, Susan Reilly, kam von der European Association of European Research Libraries, LIBER. Sie sieht enorme Risiken für den Forschungsstandort Europa, der nicht Schritt hält mit der Entwicklung technischer Möglichkeiten:

„As the infrastructure evolves to accommodate rapid advances in information technology, an explosion in the production of data and a culture shift towards collaboration and openness, so too must the surrounding policies and legislation. So far, however, the evolution of copyright and associated intellectual property legislation has not kept pace with the digital age. Without significant changes to European legislation, Europe’s research potential will not be fully realised.“

Die Hauptforderungen dieses Verbandes ist eine Orientierung eines modernen Urheberrechts an folgenden Grundprinzipien:

  • Zugang und Nutzung von öffentlich finanzierter Forschung sollte nicht durch Urheberrecht unangemessen erschwert werden
  • Urheberrecht soll Innovation und Wettbewerbsfähigkeit fördern – nicht behindern
  • Der Erhalt und der Zugang zum kulturellen Erbe muss durch Ausnahmen vom Urheberrecht unterstützt werden

Eine Stellungnahme von LIBER mit den darüber hinaus geforderten Maßnahmen findet sich HIER. Ebenfalls dabei war Ellen Broad, Manager Digital Projects and Policy, bei der International Federation of Library Associations and Institutions, einem Verband, der zu den Gastgebern des Copyright Frühstücks gehörte (IFLA hat auch einen Bericht zu diesem Copyright Frühstück verfaßt).. Ihre Position war so ähnlich wie der Interessenshintergrund. Auch von der IFLA gibt es ein Statement zur Dringlichkeit der Copyrightreform, gerichtet an die World Intellectual Property Organisation, zu deren Entscheidungsmeetings auch die EU eine Delegation entsendet. Daran sollte auch ein*e Vertreter*in für die Bibliotheken teilnehmen – so die Forderung von Ellen Broad – damit die Interessen derer vertreten werden, die Forschung und Zugang zu Wissen einfach machen wollen, für möglichst viele Menschen.

beim Betrachten eines Models des EU Parlamentes (Foto: XXXX)

beim Betrachten eines Models des EU Parlamentes (Foto: Uwe Stein/ @mitkrieger)


Ich habe während meiner früheren beruflichen Tätigkeit ab und zu an Terminen teilgenommen, die man auch in Schublade „Lobbymeeting“ einsortieren könnte. Einmal war ich sogar in Brüssel mit Vertretern der ITK Industrie aus Deutschland. Wir trafen eine EU Kommissarin beim Abendessen (ich erinnere mich daran, dass sie einen flammenden Vortrag über Open Data gehalten hat), besichtigten Schauplätze der Politik und der eine oder andere Industrievertreter tat das, wozu er da war, offensiv die Interessen der Industrie vertreten. Zivilgesellschaft war nicht anwesend damals. Dieses Frühstück mit Amelia Andersdotter erschien mir anders, hier waren die Interessensvertreter für das Gemeinwohl eindeutig in der Überzahl. Es zeigte sehr deutlich, dass nicht jeder Lobbyismus schlecht ist. Auch das Gemeinwohl braucht Stimmen in Brüssel.
Leider ist das wohl immer noch die Ausnahme. Am Tag danach sprach E. Moody bei der Internet Governance Conference im EU Parlament, die ebenfalls auf Einladung von MEP Andersdotter stattfand. Seine Worte sinngemäß:

„Ich habe sehr oft an Terminen teilgenommen, die die EU organisierte, um die Zivilgesellschaft anzuhören. Selbst auf diesen Terminen habe ich regelmäßig Zweidrittel Vertreter der Großindustrie angetroffen, die stets eine Mehrheit bildeten gegenüber den tatsächlichen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft. Dieses System ist strukturell kaputt.“

Genau dieses Strukturproblem macht die Präsenz von Piraten im Europaparlament so wichtig. Amelia zeigt, wie viel Unterschied eine einzelne Abgeordnete machen kann. Sie ist mir ein Vorbild.
Die Position der Piratenpartei zum Urheberrecht aus unserem Wahlprogramm für die Europawahl findet man übrigens HIER.
Teil 2 meines Berichts zum Besuch im EU Parlament mit vielen Eindrücken vor Ort und zu Gesprächen mit Abgeordneten des EU Parlamentes findet sich HIER.
Teil 3 des Berichts mit Bezug auf die Gründung der PPEU und den EU Wahlkampfauftakt gibt es HIER.

I spoke in the name of Peter Sunde and Daniel Domscheit-Berg at PPEU Foundation

At the evening event before the formal foundation of the European Pirateparty (PPEU) at 20th March 2014, in the EU Parliament in Brussels, various keynotes have been held, one of them was meant to come from Daniel Domscheit-Berg, my husband. However, he fell ill that same day so that I ended up holding his keynote in his name – which included a greeting message, sent by Peter Sunde. I added some personal remarks.
Please find below all parts of this „matrjoshka“ style speech 🙂
Peter Sunde Greeting to the PPEU

pic of Peter Sunde, with free and open Kopimi License

pic of Peter Sunde, with free and open Kopimi License


„Dear friends,
Many of you know me as one of the founders of The Pirate Bay. I’ve been working closely with a lot of the people in this audience for over a decade. I was hoping to be able to come to this meeting, but I can’t.
The reasons are at the core of the things we need to fight. Because of the skewed and broken legal system, I’m sentenced to prison for a crime that is not supposed to be a crime. A crime that in it’s pure essence boils down to challenging authority. Challenging the big corporations over their power and influence, giving back the power of information to the people.
When we started The Pirate Bay we had no idea what it would lead to. We were young and we didn’t agree with anyone, not even eachother. The internet was not as regulated as today and there were none caring about the politics of the nets.  Today the world looks different. The internet is the new oil industry where the wells is the information about normal people, being collected for profits. The tools that we once built in good faith for sharing have become weapons against our own freedom and privacy. The regulations are coming and they are not for the peoples benefit. The politics of the net is now the politics of the world.
All the people in this audience understand this. You all know the problems we have. You’re all eager to change things, so that we can build a society for the people, not against them. Our mission has broadened from being just about the internets and our freedom to share, to saving democracy.  Within The Pirate Bay we were never really friends and we actually hated each other quite a lot sometimes. But our goals made us focus on the important tasks and put our own quarrels aside. We had other arenas for those. The more influence we got, the more important it was to stick to our goals. I feel it’s important to send a message to you all that cooperation and focus is the only way to change things.
The European Pirates is a great step at finding a common ground for this cooperation. Just as the green movement, our political goals are global and can’t be defined by borders.  Politics is a long-term commitment. It’s going to take time to reach the results we want. But just look at the people in the audience. Look at the results you’ve already achieved, in such a small time frame for being politics.  Today I wish I could be there with you guys to celebrate, because it’s well deserved for all of us!“
Keynote of Daniel Domscheit-Berg
Pic by SHAREconference, Daniel Domscheit-Berg at ShareConference, Belgrad, 2012, License: cc-by-sa-2.0

Pic by SHAREconference, Daniel Domscheit-Berg at ShareConference, Belgrad, 2012, License: cc-by-sa-2.0


„hi Everyone,
its quite an honor for me to speak at this very historic moment of pirate history. There are plenty of things i would like to say given the troubled times we live in, in the real world, but unfortunately also in our party. Back at WikiLeaks we had a credo, that history is the only guidebook civilization has. I think, whenever it is unclear where something is headed, it makes sense to look back where it came from. To remember what unites us, so we can move forward together and in unity.  So I would like to share a short story.
In the latish 90s a young and innocent unix enthusiast became part of a circle of people referred to as the warez scene. The scene was a group of people that had started to use the means of the internet quite early and had developed an ecosystem for the distribution of content: mainly music, movies, at some stage books and magazines.  That scene was a first incarnation of an alternative ecosystem in a purely digital sphere. It was a first effort to reorganize the distribution of and access to content, to overcome societal and technical limitations imposed by the existing regime.
Unfortunately, that scene looked much like the existing world. It was top-down, vertically organized as one could imagine, highly competitive and highly professionalized. Just as our real world, it was made for an 31337 („Elite“), this time just spelled in numbers. This hierarchy was no coincidence, but a mere consequence of the scarcity of resources, fast lines and bandwidth, fast servers and most importantly, storage.
Around the year 2000, something in the game started to change.  In time for the new millennium the broadband future had arrived in Sweden. Broadband as in 10 megabits, 100 megabits at home. Svenne Svensson in his Swedish home got fiber, and more importantly, upstream to the network via an an open access infrastructure that removed the bandwidth limitations. The limitations in how much he could share with Anna Svensdotter, John Doe, Erika Musterfrau, and the rest of the world, were effectively removed.
Within a really short amount of time, substantial parts of the warez ecosystem moved to Sweden. Suddenly a world rid of physical scarcity and full of intellectual and cultural abundance had arrived — accessible not only to an 31337 anymore, but increasingly to everybody.
Because the broadband future happened in the middle of a highly social society it is no coincidence that Piratbyran and The Pirate Bay happened in Sweden. They are nothing short of a natural consequence of the dynamics set in motion with the arrival of the digital age, and some fundamental questions this put on the table. Questions about the means of distribution and property in a digital environment. Questions from the early days of piracy.  So what does this all mean?  Our unix sailor in the summer of 2005 steered a shipful of SOUR drum and bass releases to The Bay for the very first time. When strolling among all those colorful sails that had set anchor, he realized that the digital era was a world in which the exclusivity he had been looking for did not make sense anymore. He realized that his exclusive world was a lonely one. It was unjust, unfair and no longer fitting the times. He realized that the digital age could be the end of all exclusive regimes, and the beginning of an inclusive paradigm.  That day, another sailor joined the pirate fleet.
In the internet we are equals among equals. This is the basic implication of the Internet Protocol in a net-neutral environment. This world is a world of inclusion, in which everyone, independent of color, sex, sexual orientation, location on the planet or social status is welcome to participate and in which there is no room for discrimination — be it on packet level in a network or status in society. It is an inclusive world, and what unifies us all is that we fight for this inclusive world on all levels of society. The whole idea of this European movement is one of an inclusive regime. The fact that we are creating a European Pirate Party is yet another proof for the potential for a more inclusive world. We as Europeans have understood that we are peers among peers not just in a technical sense.
What we are talking about here are fundamental challenges to the existing system of the world. As this movement has grown into a proper political one over the last years, with parties all over world, we have discovered those challenges and have embraced them. We have developed strong , intelligent and sustainable positions towards topics that have an influence on all facets of humanity.  We understand that technologies like 3D printing will change the distribution of the means of production; that in a world thriving on creativity and innovation the old concepts of intellectual property protection don’t make sense anymore. We also understand the imminent dangers of the mass surveillance of the global population through an exclusive group of people and the threat this poses to democracy and the possibilities for positive change towards a more inclusive society.
Our strength is this movements  holistic approach with answers on all these topics. It is the fact that we have understood and embraced the digital era in full like no other political movement so far. Again, this is not coincidence but consequence. We carry a unique responsibility. From where I stand, no parliament to enter is as important right now as the European Parliament.
We have to remember, that what is crucially important is that we live in a time that requires us to take urgent action. We have a limited window of opportunity in which we can have a positive influence in how this new digital era is shaped. We must not lose time on anything that is smaller than this vision, that is less important. We must not be distracted by anything that is irrelevant in persuing this vision for society. We are here for a reason and we must never forget that. We carry a responsibility for the rest of the world because we are only few who understand what is coming.“
YouTube Screenshot von der Keynote am 20.03.2014 im EU Parlament in Brüssel

YouTube Screenshot von der Keynote am 20.03.2014 im EU Parlament in Brüssel


My own remarks which I gave at the end of delivering the speeches of Peter and Daniel:

Let me add some final remarks from my perspective as a German candidate for the upcoming EU elections: I am giving all my energy and dedication for our campaign but no candidate can win elections on her own. It takes the energy and dedication of the entire pirateparty community to take this barrier down, to get more feet into the European door, to get more power and impact in shaping our future.
Now is the time, where I ask for you to get onto your feet, go out into the streets and spread word about our visions. Because NOW this is all that matters and only in unity we are strong enough to win this fight. Thank you.

There is a YouTube version online, you find it HERE.
 

Neues von der NSA, Besuch im EU Parlament, Gründung der PPEU

Programm MYSTIC – mehr Überwachung geht kaum
Immer, wenn man denkt, schlimmer kann es ja nun nicht mehr werden, setzt die NSA noch eins drauf. Seit gestern wissen wir, dass der US amerikanische Geheimdienst die vollständige Telekommunikation eines ganzen Drittlandes nicht nur an- sondern vollständig abzapft, speichert für einen Monat und mittels Algorithmen durchsucht. Getan wird das für mindestens ein Land, welches ist (noch) unbekannt, weitere 5-6 Ländern sind jedoch mindestens geplant – vielleicht sind sie auch schon längst Teil des Programms, das sich MYSTIC nennt.

Dies ist ein Teil eines Screenshots von Inforadio Berlin Brandenburg - für das früher darin enthaltene Bild ließ mir die Caro Fotoagentur eine Abmahnung über 554€ schicken... deshalb nun ohne dieses künstlerisch nicht erwähnenswerte Bild

Dies ist ein Teil eines Screenshots von Inforadio Berlin Brandenburg, auf dem das Interview mit mir beschrieben und verlinkt war. Für das früher darin enthaltene Bild ließ mir die Caro Fotoagentur eine Abmahnung über 554€ schicken… deshalb nun ohne dieses künstlerisch wirklich nicht erwähnenswerte Bild.


Auch diese Enthüllung verdanken wir dem Whistleblower Edward Snowden, der immer noch beim Superdemokraten Putin ausharren muss, weil keine der europäischen Demokratien genug Mumm in den Knochen hat, ihm politisches Asyl zu bieten. Selbst in der EU wiegen Menschenrechte nicht schwer genug, um im Vergleich gegen wirtschaftlichen oder politischen Druck der USA nicht wohlfeil zu sein. Ich finde das unerträglich. Mehr lesen zu MYSTIC kann man bei Washington Post, heute.de, und Spiegel Online. Dem RBB Inforadio habe ich am 19.3.2014 ein Interview gegeben, HIER kann man es nachhören.
EU Asyl für Whistleblower wie Edward Snowden
Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014

Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014


Wo bleibt ein “europäisches Asyl” mit einem festgelegten Prozess, rechtssicher, in dem nach klaren Kriterien Whistleblowern, die Rechtsverletzungen mit Bezug auf die EU an die Öffentlichkeit bringen, vor politischer Verfolgung in ihren Herkunftsländern geschützt werden? Ein solches europäisches Asyl würde verhindern, dass Nationalstaaten einer auf den anderen zeigen und jeder einzelne zu feige ist, sich allein gegen die USA zu stellen. Das Rückgrat der EU kann viel stärker und größer sein als es das jedes einzelnen Mitgliedslandes sein könnte. Worauf wartet die EU? Wer immer noch an den Motiven von Edward Snowden zweifelt oder sich nicht klar darüber ist, was seine Aufdeckungen für uns in Europa bedeuten, dem empfehle ich, seine Antworten zu lesen, die er schriftlich den Mitgliedern des europäischen Parlamentes auf ihre Fragen schickte (pdf), da er nicht persönlich zur Anhörung im Untersuchungsausschuss kommen durfte.
Besuch bei Piraten MdEPs in Brüssel
Am 20.03.2014 werde ich im Europa-Parlament Abgeordnete der Piratenpartei Schwedens treffen und Martin Ehrenhauser, österreichischer, fraktionsfreier MdEP, der Spitzenkandidat des neuen Wahlbündnisses für die anstehende EU Wahl in Österreich ist, dem auch die dortige Piratenpartei angehört. Ich habe viele Fragen zum politischen Alltag in der EU aber auch konkret zur Arbeit der Piratenabgeordneten. Ich bin gespannt darauf, von Amelia Andersdotter zu hören, wie genau sie es (natürlich mit anderen) geschafft hat, ACTA im EU Parlament zu kippen. Ich möchte lernen, was man mit viel Motivation und Engagement schaffen kann – und wo die Grenzen sind. Ich möchte nicht zu denen gehören, die im Wahlkampf Unmögliches versprechen aber ich möchte nichts, was irgend geht, unversucht lassen. Von den Erfahrungen der bisherigen Piratenmitglieder im europäischen Parlament läßt sich sehr viel lernen. Darauf freue ich mich schon sehr!
Gründung der PPEU
Wahlplakat der Piratenpartei zur Europawahl 2014

Wahlplakat der Piratenpartei zur Europawahl 2014


Am 21.03.2014 wird in Brüssel der Gründungsprozess der Europäischen Piratenpartei PPEU formell abgeschlossen, aktuell gehören ihr 16 nationale Piratenparteien an. Das ist ein historischer Moment und ich bin jetzt schon stolz dabei zu sein! Die Piratenparteien Europas werden mit einem gemeinsamen Wahlprogramm antreten – das ist in der EU einmalig. Unser anderer Ansatz zeigt, dass wir auch anders Politik machen wollen. Wir sehen uns nicht als Vertreterinnen und Vertreter einer einzelnen Nation sondern von Bürgerinnen und Bürger in der EU. Wir vertreten gemeinsame Werte, wir stehen wir ein Demokratie Update – mit mehr Transparenz und mehr demokratischer Teilhabe für jeden, für ein offenes Europa, für freien Zugang zu Wissen, Kunst und Kultur, für ein offenes Internet, das niemanden diskriminiert, nicht zur Massenüberwachung mißbraucht wird, und keine Zensurinfrastuktur enthält. In Ergänzung  zum gemeinsamen Wahlprogramm gibt es das erweiterte Wahlprogramm der Piratenpartei in Deutschland für die Europawahl, wir haben es bei unserem Bundesparteitag im Januar verabschiedet.
Internet Governance Conference der Piraten im EU Parlement
Im Anschluss an die Gründung der PPEU findet im EU Parlament eine Internet Governance Konferenz statt, ausgerichtet von Piraten MdEP. Fast 400 Teilnehmer*innen haben sich angemeldet – es wird ein sehr internationales Treffen werden. Auf die Piraten-Konferenz zu diesem Thema bin ich sehr gespannt, eine Reihe  spannender Redner*innen sind angekündigt, u.a. unsere Spitzenkandidatin für Europa, Julia Reda, aber auch Jacob Appelbaum, Experte für Anonymität im Internet, fukami vom CCC, Marietje Schaake (MdEP aus Holland für die D66) und viele andere. Das Programm zur Konferenz findet sich HIER. Es geht dabei um viele verschiedene Aspekte von Internet Governance, die auch die überfällige Urheberrechtsreform, Fragen des Datenschutzes und die Sicherung der Netzneutralität betreffen.
Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014

Wahlplakat Piratenpartei EU Wahl 2014


Im April findet in Brasilien die internationale Tagung NetMundial statt, auf der die aktuell kaputte Internet Governance debattiert und Grundlagen für eine Restrukturierung geschaffen werden sollen. Bisher haben die USA den Finger auf den wichtigsten Infrastrukturen des Internets, z.B. DNS Root Server, über die die ICANN die Aufsicht tätigt, die wiederum dem US Handelsministerium untersteht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Das Internet ist nicht nur eine Technologie, es beeinflusst alle Aspekte der Gesellschaft, überall auf der Welt. Es ist daher nicht hinnehmbar, dass ein einzelnes Land – ohne Legitimation, ohne demokratische Kontrolle, intransparent und ohne jede Rechenschaftspflicht, die wesentliche Steuerung innehat. Es gibt viele gute Überlegungen, wie eine bessere Governance des Internets aussehen könnte, eine sehr lesenswerte hat die in Indien gegründete Just Net Coalition ausgearbeitet und als Vorschlag an die brasilianische Governance Konferenz eingereicht. Sehr lesenswert ist auch die Sammlung von Inhalten bei Knowledge Commons zum Themenfeld Internet Governance. Erst vor wenigen Tagen habe ich in der französischen Botschaft mit Senatorin Catherine Morin-Desailly über Fragen der Internet Governance debattiert. Wie war sehr interessiert an den Ideen und Visionen, die ich ihr als Vertreterin der Piratenpartei und mit Hintergrund in der Zivilgesellschaft erzählen konnte. Auch auf allen formellen Ebenen ist jedoch nicht nur ein Austausch an Ideen sondern ein echtes MItspracherecht für Vertreter*innen der Zivilgesellschaft erforderlich, aus allen Regionen der Welt.
Ich werde vor lauter Wahlkampf wohl nicht allzu viele Blogposts schaffen – ich gebe mir Mühe, aber der Tag hat nur 24 Stunden und das Netz in der Bahn, wo ich in den nächsten Wochen viel Zeit verbringen werde, ist schlecht… Aktuelles erfährt man aber auch über mein Twitteraccount @anked.

International Day of Privacy – Internationaler Tag der Privatsphäre – 01.Feb.2014 Berlin

Gestern war der Internationale Tag der Privatsphäre und überall auf der Welt fanden Protestveranstaltungen statt – eine auch in Berlin am Pariser Platz. Ich war dabei, gemeinsam mit etlichen anderen Brandenburger Pirat*innen. Es hätten viel mehr Menschen sein müssen, die gegen die millionenfache Grundrechtsverletzung demonstrieren. Leider war das nicht der Fall. Das war auch Thema meiner Rede auf der Abschlusskundgebung – aber nicht nur das. Ich sprach auch von der Macht, die wir als Bürgerinnen und Bürger haben können, wenn wir uns dieser Möglichkeit bewußt werden – so wie wir DDR Bürger das 1989 verstanden hatten, als wir die Mauer zu Fall brachten. Hier könnt Ihr sie nachhören.

Rede beim IDP-2014-Berlin

Gerade gefunden – auf YouTube gibt es noch einen Zusammenschnitt von der Demo (8Min), den könnt Ihr HIER ansehen. Beide Videos hat Edda Dietrich eingestellt (Danke dafür).

YouTube - IDP14 Demo Berlin 1.2.2014

From STASI to NSA – an english language talk with Jeff Jarvis at DLD14 in Munich

English follows German!
Deutsche Version
Vom 19.-21.01.2014 fand in München zum 10. Mal die Digital Life Design Konferenz statt, bei der wie in den Jahren davor, neue Entwicklungen der digitalen Welt vorgestellt und gesellschaftliche Debatten geführt wurden, die eben jene neue digitale Welt mit sich bringt. Neben spannenden Highlights etwa zu „wearable Computing“ – Computerelementen in Kleidung oder anderen technischen Neuentwicklungen prägte den DLD diesmal auch ein intensiver Diskurs über den Mißbrauch digitaler Technologien durch Regierungen, die ihre Bürgerinnen und Bürger ausspionieren. Im Rahmen dieser Debatte und aus Anlass meines genau an dem Tag erschienenen Buches „Mauern einreißen“ hatte ich die Ehre, mit Jeff Jarvis ein Gespräch darüber zu führen, was die Massenüberwachung der ostdeutsche STASI und der heutigen NSA gemeinsam haben,…

wie Selbst-Zensur als eine natürliche Konsequenz aus dieser Massenüberwachung entsteht und wie kleine Scheren im Kopf anfangen zu arbeiten und zu kontrollieren, was wir sagen und wie und zu wem. Damit hört Meinungsfreiheit auf, Meinungsfreiheit zu sein. Es ist der Anfang vom Ende der Demokratie, wie wir sie schätzen.

Ich sprach darüber, wie ich von der STASI lernte, dass es so etwas wie harmlose Informationen nicht gibt. Jede Information über uns kann potenziell gegen uns verwendet werden. Auch Sie haben etwas zu verbergen, weil sie ein Mensch sind und weil Privatsphäre ein Menschenrecht ist – aus guten Gründen. Es ist die Basis der Demokratie und der Freiheit. Unseren Talk kann man auf YouTube sehen, er ist allerdings auf Englisch.

 YouTube - DLD14 - From STASI to NSA

English Version

From 19th til 21st Jan. 2014, for the 10th time, the Digital Life Design conference took place in Munich, at which – like in preceding years, new developments of the digital sphere have been presented and debates took place on societal issues which come together with the new digital age. There were exciting highlights e.g. on wearable computing or other technical new inventions but this DLD also saw an intense debate about the abuse of digital technologies by governments, which spy on their own people. As part of this debate and in coincidence with my book which appeared in shops right at that date for the first time, I had the honour to discuss with Jeff Jarvis what East German STASI has in common with today’s NSA mass surveillance, …

how self-censorship starts as a natural consequence of that mass surveillance and how little scissors in our head start to work and control what we say and how and to whom. This is how freedom of speech stops to be freedom of speech. Its the beginning of the end of democracy as we cherish it.

I talk about why I learned from the STASI that there is no such thing as innocent information. Every piece of information about you can potentially be used against you. You too do have something to hide, because you are a human being and privacy is a human right for a reason. Its the pillar of democracy and freedom.
You can see our talk (18mins) now at YouTube.

I also recommend the following videos with talks on the same topic at DLD14 / Ich empfehle auch die folgenden Videos zur gleichen Debatte vom DLD14:

Bäume in ein Kleid aus Spitzen hüllen? Am 12.12. mach ich das in Himmelpfort! (Termin neu wegen Xaver!)

****** TERMINÄNDERUNG: der ursprüngliche Termin – 6. Dezember 2013 – wird sturmbedingt (Xaver…) verlegt auf den 12.12.13 ******

beim Guerillastricken eines Fliederbaums im Januar 2012 (bei ca 20 Minusgraden)

beim Guerillastricken eines Fliederbaums im Januar 2012 (bei ca 20 Minusgraden)


Von mir ist schon bekannt, dass ich hier und da Dinge einstricke, die sonst eher ohne wollige Verschönerung zu finden sind: Bäume, Panzer, Flugzeuge, Straßenlaternen, Mülleimer, Bänke oder die Pfosten von Verkehrszeichen. Ich mache das immer wieder, überall auf der Welt, z.B. in Warschau, Belgrad, Wien, Helsiniki, Berlin und an allen vielen anderen Orten. Ich mache das oft unter meinem Künstlerinnennamen Anna Maria Nitthaeck (auf Twitter @Nitthaeck). Anna Maria schreibt noch seltener für ihren Blog, aber ein paar Texte (leider nur auf englisch) gibt es dort doch, man findet sie unter www.randomactsofknitting.wordpress.com.
Aber jetzt habe ich etwas Anderes vor, denn mich erreichte eine Inspiration aus Wien von S.M.Steinitz von einem Baum in Wien, der wunderschön in Spitze gehüllt war. Die Anregung kam mit diesem Tweet:
Quelle: https://twitter.com/smsteinitz/status/403140947640586240

Quelle: https://twitter.com/smsteinitz/status/403140947640586240


Solche Bäume habe ich im Internet hier und da schon gefunden, sie sind selten und jeder etwas anders aber alle sind Augenweiden.
Lacetrees - Spitzenbäume
Mein erster Gedanke war: So etwas will ich auch mal machen! Vom ersten Gedanken bis zum ersten Plan dauerte es nur ein paar Stunden…noch in der gleichen Nacht suchte ich das Internet ab nach Spitzendeckchen 🙂
Und das ist mein Plan:
Am Nikolaus, dem 6. 12. Dezember 2013 möchte ich Bäume in Himmelpfort verschönen, dem Ort, der Heimat des Weihnachtsmannes und des Weihnachtspostamtes ist und wo Jahr für Jahr Hunderttausende Briefe aus aller Welt an den Weihnachtsmann von seinen fleißigen Gehilf*innen beantwortet werden. Von meiner Idee habe ich dem Fürstenberger Bürgermeister Herrn Robert Philipp erzählt, zu dessen (und auch meiner) Gemeinde der Ortsteil Himmelpfort gehört. Er war schnell für die Idee gewonnen und stellte einen Kontakt zur Deutschen Post her, denn mir schwebte die Verschönerung des Baums vor dem Weihnachtspostamt vor. Auch bei der Deutschen Post rannte ich offene Scheunentore ein und traf auf große Unterstützung. Die Spitzendeckchen bekam ich teils geschenkt, einige sind aus eigenen Beständen, den überwiegenden Teil erstand ich im Internet (es werden wohl ca. 200 Stück in allen Größen sein am Ende). Eigentlich wollte ich ja auch nur einen Baum in einen Spitzenbaum verwandeln, aber nach einer Ortsbegehung habe ich mich für zwei Bäume entschieden (ich hoffe, die Spitzen reichen!).
Der Erste Baum…
…steht genau vor dem Weihnachtspostamt. Es ist eine Linde, deren Krone man zu einem rundem Knubbel zurechtgestutzt hat und die daher einen schönen, geraden und gleichmäßigen Stamm hat aber keine weiteren Äste, die sich oben verzweigen. Die Krone wird aus vielen kleinen Zweigen gebildet, die gemeinsam eine Art Kugel bilden. Der Stamm hat einen Umfang von 1,50m bis 1,85m und ist über 2m hoch. Da paßt eine ganze Menge Spitze ran…
SpitzenteppichEin Teppich in meinem Haus hat ungefähr die Maße des Baumstamms auseinandergeklappt – das ist sehr praktisch, dort habe ich bereits über 80 Deckchen ausgelegt, passende Strukturen einander zugeordnet und begonnen, die Deckchen zusammenzunähen (das ist viel mehr Arbeit als ich dachte, in einer sehr ungesunden Haltung – meine armen Knie!). Das alles erst am 6.12. direkt am Baum zu machen, würde viel zu lange dauern und schwerkraftbedingt auch viel komplizierter sein. Der gerade und glatte Stamm macht das Vorarbeiten zum Glück möglich. Und so sieht der mit Spitzendeckchen belegte Teppich aus – am 6.12. werden alle diese Spitzen den Baum vor dem Weihnachtspostamt schmücken und ihn in eine Säule aus Schneekristallen verwandeln!
Der zweite Baum…
…steht auf dem Mittelalter-Weihnachtsmarkt (er ist für einen Besuch sehr zu empfehlen!), der direkt hinter der Weihnachtspost beginnt und sich bis zum See von Himmelpfort erstreckt.
Die Klosterruine von Himmelpfort im Sommer (Bildquelle: Website Himmelpfort -http://www.himmelpfort.net/galerie.html)

Die Klosterruine von Himmelpfort im Sommer (Bildquelle: Website Himmelpfort -http://www.himmelpfort.net/galerie.html)


Das Gelände ist wie geschaffen für einen romantischen Markt, denn links und rechts wird es von mit Grün berankten Ruinen aus Backstein begrenzt. Der Baum steht in der Mitte einer schönen, großen Wiese und erhebt sich hoch und mit majestätischer Krone (hier wird später ein Foto ergänzt). Mit Spitzen umgarnt, muss er einfach faszinierend aussehen! Aber die Umsetzung wird zur Herausforderung: der Untergrund ist uneben, der Stamm viel höher und viel dicker und auch nicht gerade regelmäßig. Sein Umfang mißt stattliche 2,50m am unteren Ende, nur etwa 60cm weniger an den schmaleren Stellen. Da müssen auf jeden Fall die größeren Spitzendecken her.  Der Stamm teilt sich nach ca. 1,85m in einige starke Äste, die geradezu danach schreien, ebenfalls verschönt zu werden. Aber das ist schon recht hoch (die Äste wachsen ja wenig überraschend Richtung Himmel) und die Wiese ist um den Baum herum leider nicht eben. Ob das daher alles so klappt mit den Leitern und dem Befestigen, werde ich erst am 6.12.12. sehen.
Update vom 12.12.2013: ich habe mich kurzfristig für einen anderen Baum entschieden, eine kurz dahinter stehende Fichte. Details gibts im Bericht zur Aktion!
Unterstützer und Helferinnen
Helfen werden mir die Betreiber des “Haus des Gastes” vor Ort, vor allem mit Leitern – ohne die geht gar nix. Unterstützung kommt auch von den Frauen, die sich schon seit etlichen Jahren in Fürstenberg/Havel regelmäßig treffen, um für einen guten Zweck zu stricken. Sie wollen weiße Bommeln beisteuern, die wir in den Baum hängen werden. Auch aus Berlin kommt Hilfe :-),  von der Mühle Himmelpfort und aus Erkner.
Der Zeitplan – von Nikolaus bis Neujahr
Am 5.12. treffen sich die strickenden Frauen von Fürstenberg/Havel um 13:30 Uhr zu einem Vorbereitungstreffen bei mir im havel:lab in Fürstenberg.
Am 12.12. werde ich ab 9:30 Uhr (vielleicht wirds auch 10:00) in Himmelpfort eintreffen und vorraussichtlich mit dem Baum vor dem Weihnachtspostamt beginnen. Ich habe keinen Schimmer, wie lange das dauert, aber da die Deckchen größtenteils bereits zusammengenäht sind, bin ich vielleicht schon in einer Stunde fertig.
Am 12.12. vorr. ab 11:00 Uhr werde ich den zweiten Baum in Angriff nehmen und hoffe, ich scheitere mit dem Vorhaben nicht, da die Rahmenbedingungen doch schon etwas kompliziert sind. Wir werden es sehen… Unterhaltsam wird es ganz bestimmt, dabei zuzuschauen, wie ich um den Baum klettere und versuche, Spitzendeckchen um den Baum zu befestigen. Ich hoffe nur, es regnet und schneit nicht, denn dann wird es fast unmöglich.
Am 12.12. um 12:00 Uhr ist die offizielle Übergabe an den Ortsvorsteher Lothar Kliesch durch mich und den Weihnachtsmann. Ja, der Weihnachtsmann wird höchst selbst mein Geschenk an Himmelpfort und seine Besucher*innen mit überreichen. Die Übergabe ist natürlich symbolischen Charakters und eigentlich ist es ja auch eher eine Leihgabe…
Anfang Januar werde ich die Spitzen dann wieder abmachen, die bis dahin hoffentlich von Vandalen noch unbeeinträchtigt sind. Vielleicht lasse ich aber auch einen Teil dran – das entscheide ich wenn es soweit ist.
“Warum macht sie das?! Warum Spitzendeckchen?!”
Falls sich jemand die ganze Zeit fragt, warum zur Hölle ich Bäume in Spitzengewänder stecke – hier ein paar Antworten:

  • Guerillastricken/-häkeln bedeutet, die Umwelt mit textilem Material zu verschönern, da wo sie besonders häßlich ist (Bauzäune, Militärflugzeuge, Panzer und dergleichen) oder da, wo sie besonders schön ist (Bäume, Brücken…).
  • Die ungewöhnliche Kombination aus Schneekristall-Spitzen an einem Baum verändert die Sicht auf beides – die Spitzendecken und den Baum. Diese Kombination ist pure Ästhetik, die sich jedem Betrachter erschließt. Baum und Spitzen vereinen sich zu einem Kunstwerk, das nicht im Museum eingesperrt und nur für Geld anschaubar ist, sondern das genau dort ist, wo auch die Menschen täglich vorbeigehen, die das Kunstwerk nicht nur sehen, sondern auch anfassen können.
  • Himmelpfort ist ein romantischer kleiner Ort in meiner neuen Heimat, der auch in der Weihnachtszeit ein beliebtes Ausflugziel ist. Dort flanieren sehr viele Menschen im Advent und ihnen allen möchte ich den Baumschmuck zum Geschenk machen. Mögen sie sich daran erfreuen, möge er ihren Alltag verschönern, sie etwas zum Staunen bringen und allen zeigen, was man für großartige Dinge nur mit Nadel und Faden zustande bringen kann.
  • Die Verwendung der Spitzendeckchen ist keineswegs eine Mißachtung der darin investierten Handarbeit sondern Anerkennung durch Ausstellung und Verarbeitung in einem öffentlichen Kunstwerk. Es ist für die Schöpfer*innen dieser textilen Schneekristalle sicher eine befriedigendere Vorstellung, täglich Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, als in einer Schublade unbenutzt und unbeachtet vor sich hin zu modern.
  • Jeder Baum wird zur Ausstellung und zum Hohelied auf die Handwerkskunst vor allem von Frauen, die mit Nadel und etwas Garn aus dem Nichts filigrane Kunstwerke schufen. Die Vielfalt der Muster, Handwerkstechniken und die Feinheit der Details beeindrucken sicher jeden, der vor einem dieser Spitzenbäume stehen wird. Mich haben sie auf jeden Fall sehr beeindruckt, zum Beispiel als ich die ca. 200 Deckchen mit Andacht bügelte.
  • Ich liebe selbst textiles Handarbeiten, seit meinem 10. Lebensjahr habe ich nie aufgehört, mich damit zu beschäftigen. Vor allem alte Techniken haben es mir angetan, viele brachte ich mir mit einem uralten Buch – dem Klassiker seiner Zeit am Ende des 19. Jahrhunderts – selbst bei.
    Solche Schneesterne fertige ich für den Weihnachtsbaum - mit diesem kleinen Metallschiffchen, daher nennt man die Technik "Schiffchenspitze" (oder Occhi - italienisch für Augen - wegen der kleinen Ösen)

    Solche Schneesterne fertige ich für den Weihnachtsbaum – mit diesem kleinen Metallschiffchen


    Ich habe geklöppelt, Reticella-Spitzen mit der Nadel gezaubert, Occhi-Spitzen (auch Schiffchenspitzen) mache ich noch heute; ich flocht Fäden durch schmale Streifen Tüll, um dadurch Spitze im Meter entstehen zu lassen, habe Nadelmalereien gestickt und etliches andere. Natürlich habe ich auch gehäkelt (selbst mit den winzigsten Nadeln) und gestrickt. Mich faszinieren diese Techniken und so habe ich noch zu DDR Zeiten freie Textilkunst studiert, Schwerpunkt Stickerei und sowohl mit der Hand als auch mit einer alten Handstickmaschine (Kurbelmaschine) Stickereien entworfen und umgesetzt. Diese Spitzenbäume sind eine Hommage an das textile Handwerk und für mich auch Erinnerung an die Zeiten, in denen ich besonders viel solcher Dinge selbst gemacht habe – die Achziger Jahre.

Spitzendeckchen-Spenden gesucht!
Mein Vorrat wird vielleicht nicht ganz dafür reichen, deshalb freue ich mich weiterhin über Spenden von Spitzendecken, gehäkelt, gestrickt, geklöppelt – ganz egal, auch kleine Fehler oder Fleckchen sind kein Problem, das kann ich verstecken oder reparieren. Jede Größe ist verwendbar, vom Minideckchen mit 5cm Durchmesser bis zur großen Decke. Ich nehme auch nach dem 12.12. noch gern welche an, dann kann ich den Baum an den folgenden Tagen noch weiter verschönern oder sogar einen weiteren Baum in Angriff nehmen. Wer etwas spenden möchte – am besten das Kontaktformular auf dieser Website ausfüllen! Wer mit seiner Spende genannt werden möchte – einfach Bescheid sagen. Vielleicht hat ja jemand noch in einer Schublade die Deckchen von Oma liegen und sowieso keine Verwendung mehr dafür. In Himmelpfort würden sie viele Menschen wochenlang erfreuen und bestimmt auf vielen Bildern wieder auftauchen und so noch ein wenig berühmt werden auf ihre alten Tage. Sie werden Teil eines Kunstwerkes – á la “Kunst am Baum”.
Anreise
Wer am 12.12. oder irgendwann danach die Spitzenbäume in Augenschein nehmen und vielleicht dabei auch den Weihnachtsmarkt besuchen will, der findet Himmelpfort im Landkreis Oberhavel, ca. 80km nördlich von Berlin (Kartenlink). Der nächste Bahnhof ist in Fürstenberg/Havel, wenige Kilometer entfernt. Fürstenberg ist von Berlin mit der Regionalbahn im stündlichen Takt in 55min zu erreichen.
Feedback?
Ich freue mich über Feedback zur Aktion, vor allem auch über Links zu Berichten, die irgendwo darüber erschienen sind 🙂
Update 12.12.2013 – einen Bericht zur Aktion gibt es HIER.

"Auch Du wirst überwacht" – Eine Aktion zu #Merkelphone am Kanzleramt

Am 24.10.2013 haben mein Mann und ich dem Kanzleramt einen Besuch abgestattet. Mein Mann hatte dort ein Geschenk für die Kanzlerin abzugeben. Die Geschichte dahinter steht hier im Blogpost. Alle Bilder stammen von der Aktion.

Piratenwahlplakat der Bundestagswahl 2013 - upcycled für die Kanzlerin, mit Widmung von Daniel Domscheit-Berg

Piratenwahlplakat der Bundestagswahl 2013 – upcycled für die Kanzlerin, mit Widmung von Daniel Domscheit-Berg


Endlich regt sich unsere Kanzlerin auf über den NSA Überwachungsskandal. Hat ja auch lange gedauert. 80 Millionen überwachte Staatsbürger*innen haben dazu nicht gereicht – jedenfalls nicht, so lange Kanzlerin Merkel seltsamerweise davon ausging, nicht Teil dieser 80 Millionen zu sein. Aber nun ist es raus, auch ihr Handy wurde von amerikanischen Geheimdiensten überwacht. SKANDAL! Weltweit sollen mindestens 35 Staatsmänner und -frauen betroffen sein, warum also sollte die „mächtigste Frau Europas“ davon ausgenommen sein?
Ach so, die Antwort kennen wir ja schon. Weil Freund Barack seiner Freundin Angela ja versichert hatte, dass sie natürlich nicht auspioniert wird und weil doch Freunde einander die Wahrheit sagen. So oder so ähnlich hat Frau Merkel wohl gedacht, also sie auf sein charmantes Lächeln hereinfiel – oder auf die Beteuerungen ihres großartigen Innenministers Friedrich („7, ähm, 5, ähm 2, ähm 0 Terroranschläge wurden verhindert“) oder des Kanzleramtssprechers Pofalla („Millionenfache Überwachung? Gibts nicht, alles geklärt, ich beende daher diese vermeintliche Affaire“).
Ankunft am Hauptbahnhof Berlin - unterwegs zum Kanzleramt

Ankunft am Hauptbahnhof Berlin – unterwegs zum Kanzleramt


An Naivität und Gutgläubigkeit ist das kaum noch zu überbieten. Ich würde so gern unsere Kanzlerin einmal fragen, warum in Gottes Namen sie ausgerechnet einer Regierung glaubt, deren Repräsentanten nachweislich in dieser Angelegenheit lügen und nationales sowie internationales Recht gebrochen haben? Das US Parlament wurde angelogen von NSA Vertretern. UN Diplomaten wurden völkerrechtswidrig bespitzelt, EU Einrichtungen verwanzt und damit ganz offiziell Spionage betrieben. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht? Das soll für alle Grundschulkinder gelten aber offenbar nicht für Regierungen, die Atomwaffen besitzen, Kriege auf Basis erfundener Behauptungen führen, Kinder und Zivilisten neben sogenannten „Targets“ mit ferngesteuerten Drohnen ermorden – ohne, dass irgendjemand irgendeine Chance hat, einen Rechtsweg zu beschreiten, seine oder ihre Unschuld zu beweisen. Ich nenne das Mord. Mit Rechtsstaat hat das nicht mehr viel zu tun. Und so einer Regierung glaubt Angela Merkel? Wegen dem Friedensnobelpreis vielleicht?
Bahnhofsvorplatz - das Kanzleramt ist schon in Sicht

Bahnhofsvorplatz – das Kanzleramt ist schon in Sicht


Angela Merkel hat neben einem fahrlässig hohen Grad an Naivität offenbar die längste Leitung dieser Welt und neigt zum Vergessen offensichtlicher Tatsachen. Aus diesem Grund haben wir, mein Mann und ich, beschlossen, ein wenig Unterstützung von Piratenseite zu leisten. Die Idee kam von Pirat Raimond aus dem Havelland am Mittwoch – 23.10.2013 – dem ersten Abend der Merkelphone-Affaire als er ein paar ausgemusterte Wahlplakate abholen wollte. Aus der Idee wurde in einer nächtlichen Aktion ein konkreter Plan.
Unterwegs zum Kanzleramt - die Brücke vor dem Hauptbahnhof

Unterwegs zum Kanzleramt – die Brücke vor dem Hauptbahnhof


Bei uns stehen noch viele Wahlplakate von der Bundestagswahl herum, darunter welche mit dem passenden Slogan „Auch Du wirst überwacht“ und dem Konterfei meines Mannes Daniel. Neben dem Parteilogo stand darunter „Piraten wählen“ – das paßt zwar immer, denn nach der Wahl ist vor der Wahl – aber wir änderten es für Frau Merkel in „Piraten zuhören“. Auf den freien Hintergrund schrieb Daniel eine persönliche Widmung:

Bitte nicht nochmal vergessen! Daniel“

Dazu schrieb er noch einen persönlichen Brief. Ich nutzte so um Mitternacht Twitter, um per DM das Interesse von ARD und ZDF über unsere für den nächsten Tag geplante Aktion zu wecken und war begeistert, dass das klappte.

Wir sind angekommen :-)

Wir sind angekommen 🙂


Am folgenden Donnerstag morgen machten wir uns nach kurzer Nacht auf den Weg zum Kanzleramt, um unsere großen „gelben Merkzettel“ an Frau Merkel zu übergeben. Natürlich war uns klar, dass Merkel selbst natürlich keine Zeit und Lust haben wird, unser Geschenk entgegenzunehmen. Aber abgeben – das geht natürlich. Vorher beantwortete Daniel den Sendern noch ein paar Fragen zur Aktion und zur Merkelphone-Affaire mit dem Kanzleramt als imposanter Kulisse, dann ging es zum Pförtnerhäuschen.
Erster Kontakt: Der Pförtner vom Kanzleramt

Erster Kontakt: Der Pförtner vom Kanzleramt


Der Pförtner bat Daniel zu warten. Wenigen Minuten später erschien eine Dame von der Sicherheit, die mit einem lustigen Gerät Brief und Plakat auf verdächtige Spuren scannte, nichts fand und wieder verschwand.
Zweiter Kontakt: Untersuchung von Brief und Plakat auf Gefährliches

Zweiter Kontakt: Untersuchung von Brief und Plakat auf Gefährliches


Wir warten noch ein paar Minuten. Ein Herr, zur Abwechslung ohne Uniform, tauchte auf und stellte sich als Vertreter der Poststelle vor. Auch er unterhielt sich mit Daniel, der ihm erzählte, warum er der Kanzlerin diese Gedächtnisstütze als praktische Erinnerung an den Umstand, dass wir ALLE überwacht werden, schenken möchte. Die Wahlplakate seien ja bei uns übrig und die Piraten hätten diese Erkenntnis ja auch schon lange und daher die Erinnerung daran auch nicht mehr so nötig, wie die Kanzlerin.
Dritter Kontakt: Die Übergabe an den Vertreter der Poststelle

Dritter Kontakt: Die Übergabe an den Vertreter der Poststelle


Der Mann von der Poststelle konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Neben ARD und ZDF, die das alles zwar mit Ton und Bild aufgezeichnet aber meines Wissens nicht veröffentlicht hatten, hat auch Piratin Cornelia Otto mit dem Smartphone die Übergabe gefilmt, die Technik gab leider unter diesen Rahmenbedingungen keine Audioaufzeichnung her – aber es gibt ja noch Fotos :-).

Screenshot YT Tikkachu Video Merkelphone Plakatübergabe

Den kleinen Film von Cornelia – auf Twitter als @Tikkachu bekannt – gibt es auch HIER. Der Mensch von der Poststelle ließ uns alle etwas rätselnd zurück, denn er ging nicht nach links in Richtung Kanzleramt sondern nach rechts in Richtung einer Art Tiefgarage.

Der Mann von der Poststelle - unterwegs - ja, wohin?

Der Mann von der Poststelle – unterwegs – ja, wohin?


Wir spekulierten alle miteinander, ob es denkbar wäre, dass er das Plakat samt Brief für die Kanzlerin einfach in einen Müllcontainer stopft… Wenn jemand weiß, was sich in den Katakomben rechts vom Pförtnerhäuschen des Kanzleramtes befindet, laßt es mich wissen. Ich bin immer noch neugierig.
...kurz danach biegt er nach rechts statt nach links ab. Wohin ging der Postmann von Merkel?

…kurz danach biegt er nach rechts statt nach links ab. Wohin ging der Postmann von Merkel?


Etliche Bürger*innen haben das ganze interessiert verfolgt und uns schon im Vorfeld Fragen dazu gestellt. Jeder schien verwundert über das seltsam späte und bigotte Aufwachen unserer Kanzlerin. Etwas enttäuscht bin ich von den Medien, die uns begleitet haben – was eine großartige Sache war, gerade wegen der extremen Kurzfristigkeit – aber keines hat davon etwas verwendet (oder ich habe es einfach nicht mitbekommen, her mit einem Hinweis, wenn ich falsch liege!). Von allen möglichen Parteien wurden Statements veröffentlicht – wenigstens online, aber nicht von der Piratenpartei. Verstehen kann ich das nicht, denn das ist und war schon immer UNSER Thema, es war unser Schwerpunkt im Bundestagswahlkampf, der ja erst ultrakurz zurückliegt. Falls jemand den Piraten mal wieder vorwerfen möchte, wir machten politisch oder in der Öffentlichkeitsarbeit nichts daraus, der sollte sich stattdessen fragen, was wir noch machen sollen, um es in die Medien hinein zu schaffen mit unseren Positionen.
Interviews mit ARD und ZDF vor dem Kanzleramt

Interviews mit ARD und ZDF vor dem Kanzleramt


Also machen wir weiter das mit der Medienarbeit von unten – hier gibts die Geschichte und hier gibts die Bilder und immerhin ein Video, wenn auch ohne Ton. Vielleicht schaffen es ja die Öffentlich-Rechtlichen doch noch, das Material online und damit zur Verfügung zu stellen. Ich würde mich sehr darüber freuen.
Daniel beantwortet Fragen zum Überwachungsskandal rund um Merkels Telefon.

Daniel beantwortet Fragen zum Überwachungsskandal rund um Merkels Telefon.


Um fair zu sein – Aufmerksamkeit in den Medien gibt es natürlich trotzdem, so wurde ich kurz vor Beginn der Aktion am Kanzleramt von der Redaktion Maybrit Illner angerufen und für die thematisch neu geplante Sendung für den gleichen Abend eingeladen. Wer eine Stunde Zeit hat, kann sich die vollständige Debatte bei Illner HIER ansehen (der US Amerikaner ist erschütternd makaber in seinen Äußerungen, SPD Oppermann windet sich in der Frage der Vorratsdatenspeicherung – seine Aussagen darf man getrost interpretieren als „ja klar, wir die SPD tragen die VDS in einer Rot-Schwarz-Koalition mit, Hauptsache, es wird – wie vom Bundesverfassungsgericht eh vorgeschrieben –  eine Art Lightversion“ – die natürlich ebenso gefährlich wie überflüssig ist).
Screenshot Illner Zusammenschnitt

Kurzfassung (7Min) der Illner Runde zu #Merkelphone (Danke an @Bananenrepublik!)


Wer nur ein paar Minuten hat, hier gibts einen Zusammenschnitt, eine Art Trailer von 7 Minuten (Danke @bananenrepublik!). Es gab auch viele Radiointerviews zum Thema für meinen Mann und mich, und einige Fernsehgeschichten sind auch noch geplant, u.a. werde ich mich vorr. am 29.10.13 auf nTV in der Sendung „Das Duell“ mit einem Vertreter der CDU zum Thema Überwachung auseinandersetzen. Auch im britischen Guardian wurde ich mit einem Statement zitiert (HIER). Lesenswert ist auch ein Interview mit Daniel im Handelsblatt, in dem es neben dem Film InsideWikiLeaks auch um die Merkelphone-Affaire geht.
Aus gegebenem Anlaß verlinke ich hier noch einmal ein Fragenkatalog des parlamentarischen Kontrollgremiums aus dem Sommer an die Bundesregierung – es sind 18 Seiten voll brennender Fragen. Wenn jemand den Antwortkatalog dazu kennt – her damit. Meines Wissens sind die meisten dieser Fragen immer noch offen. Aber auch der Umstand, dass es offene Fragen in der Sache gibt, ist ja Angela Merkel erst jetzt wieder eingefallen. Wem spricht sie wohl zuerst ihr nächstes vollstes Vertrauen aus? Pofalla oder Friedrich? Und schade eigentlich, dass diese Superpower des „vollsten Vertrauens“ nicht auch über den Atlantik hinweg funktioniert. Und schade auch, dass die Bundesregierung nach wie vor nicht verstehen kann, dass man Freunde nicht nur über den Ozean hinweg nicht überwacht sondern schon gar nicht im eigenen Land. Tut man das doch, wie die 25 Überwachungs- und Sicherheitsgesetze zeigen, die mit Merkel als Kanzlerin verabschiedet worden sind, dann betrachtet man wohl sämtliche 80 Mio Einwohner pauschal als Feinde, Verbrecher und Terroristen. Willkommen im Boot, Frau Merkel.

Und so war es: 24 Stunden unter Beobachtung im Gläsernen Mobil

Gestern fuhr das Gläserne Mobil weiter nach Schwedt – 24 Stunden lang hatte es zuvor in Fürstenberg/Havel auf dem Marktplatz gestanden und ich habe darin gewohnt – von drei Seiten einsehbar für alle (siehe Ankündigungstext HIER).
Bauzaunplane GLM Montage
Am 04.09.2013 um 17:00 ging es los – das Mobil wurde aufgestellt, unsere „Stoppt den Überwachungsstaat“ Bauzaunplane an der Rückseite befestigt (dabei mußte ich klettern), die Möbel darin hergerichtet, Teekanne, Lesestoff und eine Schale Tomaten aus dem Garten kamen auf den Tisch. Anfangs waren wir zu dritt – neben mir waren mein Mann Daniel dabei und Friedrich Schumann, beide engagiert für das Thema Überwachung, beide Piraten – sogar im Landesvorstand. Schon bald bekam das Gläserne Mobil viel Besuch, die Sonne schien auf den Marktplatz von Fürstenberg – der leer und übersichtlich war und auf dem unser Gläsernes Mobil ein Hingucker war.
Gläsernes Mobil bei NachtVor allem junge Fürstenberger aber auch Besucher aus Polen (Austauschschüler am Carolinum in Neustrelitz, die in Fürstenberg ein Gastzuhause gefunden haben) kamen mit uns ins Gespräch. Richtig voll wurde es nach 20:00 als Verstärkung von Berliner Piraten dazustieß. Darunter Mirco und Flow, die ein Interview mit mir für die Reihe PirateTaxiTV (Folge 6) im Gläsernen Mobil gedreht haben.

YT-PirateTaxiTV Folge 6 GLM

Natürlich ging es vor allem um das Thema Überwachung aber auch um das Gläserne Mobil selbst und die Bundestagswahl. Auch ein Journalist der Märkischen Allgemeinen Zeitung war schon einmal da, um sich das Gläserne Mobil bei Nacht anzuschauen, am kommenden Tag kam er noch einmal vorbei. Gegen Mitternacht wurde es ruhiger – aber nur was die Besucher anging. Der Rest der Nacht war laut, sehr laut, denn ununterbrochen bretterte ein LKW nach dem anderen durch die Nacht und ich vermute alle miteinander mit stark überhöhter Geschwindigkeit.
Die Nacht im Gläsernen Mobil war ja ohnehin nicht sehr bequem, ein Bett gibt es  nicht, nur einen Sessel und ein Zweisitzersofa. Mein Mann und ich haben versucht, uns irgendwie gemeinsam darauf auszustrecken und zu schlafen. Um vier Uhr früh gaben wir diesen Versuch auf. Ich habe mir dann ein provisorisches Lager aus Sofakissen auf dem Boden hergerichtet und einen Schlafsack über den Kopf gezogen, damit das Licht der Straßenlaterne und der Lärm der LKW wenigstens gefiltert werden. Mein Mann legte sich als „L“ über Sofa und Sessel. Diese Variante hat funktioniert und wir konnten 2 Stunden schlafen.
Frühstück im GLMBei Frühstück von Tee und Croissant vom Markt-Bäcker diskutierten wir darüber, wie man diese verdammte Bundesstrasse leiser bekommt. Es stört uns ja schon lange, dass mitten durch eine Kleinstadt jeden Tag der Verkehr Tausender Autos rauscht, aber dieses Nachterlebnis hat uns wirklich erschüttert. Mir war nicht bewußt, dass es nachts noch so viel schlimmer ist, weil die Schwertransporter dann so ungebremst durch die Stadt rasen können, was den Verkehrslärm noch einmal penetranter macht. Wir haben es gut, wir hatten nur eine solche Nacht, aber es gibt in Fürstenberg viele Menschen, die diesen gleichen Lärm jede Nacht aushalten müssen. Nachts um vier bekamen wir Visionen von Tempo 30 Zonen für die ganze Innenstadt mit Blitzern, die den Nachtfahrern die Lust am Rasen nehmen. Der B96 wendete das Gläserne Mobil den Rücken zu – direkt an einer Ampel, wo immer wieder Autos halten mußten. Dabei hatten sie einen prima Ausblick auf den „Merkelator“, der als Plane die Rückseite des GLM schmückte.Gläsernes Mobil am Morgen
Am frühen Morgen waberten Nebel über den Marktplatz, es war kalt und der Himmel schlohweiß. Kurz vor 08:00 Uhr kamen die ersten Lieferanten, um ihre Stände für den Wochenmarkt aufzubauen, die Nebel lichteten sich und bald strahlte die Sonne warm über einem belebten Marktplatz. Unser Gläsernes Mobil stand an der Straßenseite mit der Glasfront zum Markt, wir konnten dem Markttreiben von drinnen zuschauen und von draußen konnte man uns sehen. Natürlich hatten wir auch einen Infostand mit Material zum Programm der Piratenpartei dabei, das mehr nachgefragt wurde, als wir gedacht hatten – schon am frühen Nachmittag gingen uns die Wahlprogramme aus. Mit vielen Bürgerinnen und Bürgern debattierten wir über alle möglichen Themen. Das Gläserne Mobil erreichte sein wichtigstes Ziel: mit Menschen über die allgegenwärtige Überwachung ins Gespräch zu kommen, gegen die verbreitete Meinung „ich hab nichts zu verbergen, mir ist das doch egal“ oder „ich benutze das Internet nicht, das geht mich nichts an“ zu argumentieren und über Vergleiche mit unerwünschter permanenter Beobachtung im eigenen Wohnraum das Bewußtsein für den eklatanten Einbruch in die Privatsphäre und die freiheitlichen Grundrechte zu schärfen.
Daniel kameraüberwachtWie sehr allein das Bewußtsein permanenter Überwachung Menschen beeinträchtigen kann, hat auch mein Mann Daniel Domscheit-Berg gespürt, auf den im Sessel sitzend die nachgebaute und keineswegs funktionstüchtige Kamera gerichtet war, die an unserem Piratensonnenschirm vor dem GLM hing. Obwohl er wußte, dass diese Kamera nur ein Fake war, fühlte er sich unangenehm beobachtet und unwohl. Dieses Gefühl können wir bald alle überall haben, denn der Trend geht zur flächendeckenden Kameraüberwachung im öffentlichen Raum.
Piraten-GLM am Fürstenberger WahrzeichenAber es ging in den Gesprächen auch um mehr. Etwa um generelle Informationen zur Piratenpartei, unsere Vorstellungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen (hier eine Empfehlung eines Klasse Erklärbärvideos zum BGE von Marina Weisband), zur Bildung, zu Bürgerbeteiligung oder auch um die Geschichte und den Ursprung des Namens „Piratenpartei“. Im Laufe des Vormittags trudelte dann auch die SPD mit einem kleinen Stand links neben uns und die CDU mit einem großen Wahlkampfauto rechts von uns auf. Mein Gegenspieler Herr Feiler von der CDU bekam Unterstützung von Herrn Wichmann aus der gleichen Partei, man verteilte Waffeln und Marmelade – auf Inhalte kam es wohl nicht so an.
Beide Parteien verzogen sich allerdings auch frühzeitig wieder, ab 12:30 Uhr waren wir wieder allein, um 14:00 Uhr war auch das Marktgeschehen vorbei und es wurde ruhiger. Die Nacht steckte uns noch in den Knochen, da stieg am Nachmittag der Kaffee- und Teekonsum. Mein Mann war ein paar Stunden in Berlin, aber Cornelia Bürger war stattdessen schon früh am Morgen zu uns gestoßen, so dass wir wieder zu dritt vor Ort waren. Am Nachmittag bekamen wir Besuch von etlichen Spaziergängern, die sich über das komische transparente Mobil wunderten oder darüber eine Ankündigung in der Zeitung gelesen  hatten und die Gelegenheit für spezifische Fragen nutzten, z.B. über unsere Haltung zu Netzsperren.
2013-09-05-MAZ-GLM24 Stunden nachdem wir das Gläserne Mobil auf dem Marktplatz in Fürstenberg aufstellten, bauten wir es wieder ab. Wir waren müde nach dieser Aktion aber gingen mit dem guten Gefühl nachhause, mit vielen Menschen gesprochen zu haben, die sich nun ein besseres Bild über die Problematik und Gefahr anlassloser Überwachung machen konnten und auch über die Positionen, für die ich und die Piratenpartei stehen. Das schönste waren natürlich immer die Momente, wo Wählerinnen oder Wähler einem erklärten, dass sie bei dieser Wahl auf jeden Fall für die Piraten stimmen werden :-).
Am Tag danach berichteten sowohl die Granseezeitung als auch die Märkische Allgemeine Zeitung ausführlich und mit vielen Bildern über die Aktion (eine Seite weiter gab es auch noch ein langes Portrait über mich). Ein ungewöhnlicherer Wahlkampf ist einfach spannender als der 100.000ste Stand zur Flyerverteilung. Das fand die Presse – wir als Beteiligte aber auch. Ohne viele Helfer hätte diese kurzfristig geplante Aktion nicht geklappt. Danke an @MarcSchoeppi für den Transfer des Mobils von Potsdam nach Fürstenberg, an @Goldfisch007 und @CoBuerger für das Mitmachen vor Ort, an meinen Mann für Hilfe bei der Orga und an @bastianbb für die Pflege und Koordination des grandiosen Gläsernen Mobils, die Organisation der Brandenburger Wahlkampftournee des #GLM und für den Abtransport von Fürstenberg nach Schwedt. Last but not least, Danke auch an das Dokumentationsteam aus Berlin – mit @FlowLightning und @idova01!