Nach Lanz vor einer Woche bin ich diese Woche – Donnerstag, 17.07.2014, 22:15 Uhr – zu Gast bei Maybrit Illner im ZDF. Es geht wieder einmal um den Überwachungsskandal – wie immer stehen dabei die USA im Vordergrund.
** UPDATE – HINWEIS: weiter unten habe ich Pressestimmen und meine eigene Einschätzung zur Sendung am Tag danach ergänzt sowie ein sehr umfangreich geratenes storify der Tweets zur Sendung. **
Der Titel der Sendung:
Der Spion in unserem Land
Können wir den USA noch trauen?
Man könnte das kurz beantworten mit „Nein, kann man nicht“. Siehe dazu auch einen Zusammenschnitt einer früheren Talkshow, bei der ich zum gleichen Thema schon einmal sprach, ich benutzte damals den Begriff „notorische Lügenregierung“. Er gilt heute mehr als je zuvor. Mit Klick auf das Video kann man das auf YouTube ansehen:
Inzwischen ist zwar viel passiert, aber wenig Gutes. Ich habe das in meinem Blogpost zur Lanz-Sendung ja schon einmal zusammengefaßt.
Ich sehe insbesondere nach wie vor kein erkennbares Interesse der Bundesregierung an umfassender Aufklärung, mal sehen, was Kanzleramtsminister Altmaier da heute abend zu sagen hat. Ich hoffe sehr, dass der Titel nicht bedeutet, dass wir wieder nur mit dem Finger auf die USA zeigen, denn mir ist vor allem die Rolle der Deutschen Geheimdienste wichtig und wie auch unsere Dienste sich aktiv an anlassloser Massenüberwachung beteiligen.
Und das ist die Gästeliste für heute abend:
- Peter Altmaier, Kanzleramtsminister, CDU
- Konstantin von Notz, MdB, Mitglied des NSA UA, B90G
- John Kornblum, früherer US-Botschafter in Berlin
- Horst Teltschik, früherer außenpolitischer Berater von Helmut Kohl, ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz
- Erich Schmidt-Eenboom, Buchautor („Gegen Freund und Feind, die Geschichte des BND“) und Geheimdienstexperte, Forschungsinstitut für Friedenspolitik in Weilheim
- … und ich („Netzaktivistin“, „Piratenpartei“)
Sehr schön fand ich die Ankündigung dazu von der Piratenpartei, die blitzschnell ein Banner dazu gebaut hat, Merci an @DerSchnappi!
Foto Mike Herbst, CC BY NC 2.0
Einen 16 Min. Zusammenschnitt der Lanz-Sendung gibt es im übrigen vom Rumfunk auf YouTube, wer das sehen möchte, kann das HIER tun.
UPDATE 18.07.2014
Pressestimmen zur Sendung:
Berliner Zeitung:
Nur Netz-Aktivistin Anke Domscheit-Berg konnte mit einigen bedenkenswerten Fakten aufwarten: Dass die Amerikaner die Nutzer des verschlüsselten Servers „Tor“ als Extremisten bewerten etwa, und dass der BND jüngst 300 Millionen Euro bekommen habe für verbesserte Analyse – sprich Ausspionieren – von sozialen Netzwerken. Domscheit-Berg forderte noch einmal nachdrücklich, Edward Snowden einzuladen, was die Regierung fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, auch wenn Altmair beteuerte, das entscheide ja der Untersuchungsausschuss (was er aber natürlich nicht tut).
Der Freitag:
Business as usual! Konstantin von Notz und Anke Domscheit-Berg taten, was sie konnten, um für Asyl für Snowden zu werben. Als Zeuge braucht er ein Umfeld, in dem er Aussagen kann, ohne sein aktuelles Asyl zu gefährden. Die Fraktion der „alten Männer“ erzählte von früher, will keine Empörung und stützt die Positionen der Regierung: bloß nichts tun.
Das Handelsblatt:
Die eloquente Piratin Anke Domscheit-Berg belebte die Diskussion mit konkreten Beispielen, etwa den rund 300 Millionen Euro teuren BND-Plänen, soziale Netzwerke in Echtzeit auszuforschen. Da nehme sich der deutsche Dienst amerikanische Aktivitäten als „Blaupause“, anstatt sich von ihnen abzugrenzen.So gewann die Diskussion, obwohl Illner der erwartbaren Dramaturgie folgte (und etwa Domscheit-Bergs Zweifeln, ob das Parlamentarische Kontrollgremium die deutschen Geheimdienste überhaupt kontrollieren kann, nicht nachging) allmählich an Schärfe.
Spiegel Online
Aber so, wie es bei ihm klang, meinte der frühere Deutschland-Botschafter John Kornblum es vermutlich sogar ganz ernst, als er konstatierte, eigentlich sei er froh, dass es zum Hinauswurf des Berliner CIA-Mannes und der Enttarnung des Maulwurfs gekommen sei – ein Vorgang im Sinne der Klärung und Aufklärung.
Da konnte ihm selbst Konstantin von Notz beipflichten, der für die Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss sitzt und in dieser Illner-Runde zusammen mit der Netzaktivistin und Piratin Anke Domscheit-Berg so etwas wie das oppositionelle deutsche Unbehagen in seiner härteren Variante verkörperte.
Berliner Morgenpost:
Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg forderte, Whistleblower Edward Snowden müsse vor den Untersuchungsausschuss geladen werden.
Weitere Berichte in
Die ganze Sendung gibt es bereits auf YouTube zu sehen, allerdings offenbar ohne Einspieler. Ich werde einen besseren Link nachliefern, sowie es eine andere Version online gibt.
Ein paar Eindrücke von der Sendung selbst:
Ich war erschüttert (das ist keine verbale Übertreibung), welche Plattitüden und Unwahrheiten Kanzleramtschef Altmaier von sich gab. Unter anderem sprach er sinngemäß die folgenden Sätze…
Altmaier bei Illner:
Die Freiheit der Deutschen wird am Hindukusch in Afghanistan verteidigt. Der BND schützt dort unsere Soldaten.
Kontext: Ich hatte thematisiert, dass der BND gleiche Praktiken wie die NSA anwendet und massenhafte Überwachung in Afghanistan betreibt und Millionen von Daten an die NSA weitergibt. Dazu eine treffende Antwort auf Twitter:
Der Generalbundesanwalt ist unabhängig, er ist Teil der Justiz und entscheidet allein. Da kann die Bundesregierung keinen Einfluss auf die Ermittlungen nehmen. Im übrigen zeigen die bestehenden Ermittlungsverfahren, dass die Justiz in Deutschland wunderbar funktioniert“
Kontext: Konstantin von Notz warf der Bundesregierung vor, sich nur über Merkels Handy aufzuregen, aber nichts gegen die Überwachung von 80Mio Deutschen zu tun. Altmaier stritt das ab – die Bundesregierung hätte Aufklärungsinteresse. Ich warf daraufhin ein, dass dies nicht stimme, denn auch über ein Jahr nach Bekanntwerden des Überwachungsskandals hätte der Generalbundesanwalt nur 3 Verfahren eröffnet – eines wegen Merkels Handy und zwei wegen der frisch aufgeflogenen Spione. Aber KEIN EINZIGES wegen der Massenüberwachung. Die oben zitierte Behauptung von Altmaier ist schlicht falsch. Denn wie man HIER nachlesen kann, ist der Generalbundesanwalt NICHT Teil der Judikative, also der unabhängigen Justiz, sondern ein politischer Beamter, der der Exekutive angehört und über den der Justizminister höchstpersönlich die Dienstaufsicht ausübt. Selbstverständlich kann daher die Bundesregierung ihrem Generalbundesanwalt nahe legen, ein Verfahren zu eröffnen, denn an einem „Anfangsverdacht“ zur Massenüberwachung mangelt es schon lange nicht mehr.
Dazu zwei Zitate von der Website des Generalbundesanwaltes:
Snowden braucht nicht persönlich im NSA Untersuchungsausschuss angehört werden, er kann ganz einfach in Russland angehört werden, z.B. per Video, denn die Russen würden sich garantiert nicht aufregen, wenn er auf russischem Boden seine Aussagen macht. Es gibt keinen Mehrwert einer Anhörung in Deutschland. Und überhaupt entscheidet das der Untersuchungsausschuss.
Nun, da „irrt“ sich der Kanzleramtsminister wieder einmal gewaltig, denn wie praktisch ALLE Medien in Deutschland unisono berichteten, erhielt Edward Snowden für ein Jahr Asyl in Russland unter einer Bedingung – und die ist ein Maulkorb. Als Beispiel siehe diesen Auszug aus Spiegel Online vom 01.07.2013:
Es dürfte sonnenscheinklar sein, wie diese Ansage von Putin zu interpretieren ist – Snowden darf NICHT frei reden. Das hat Snowden selbst auch schon oft genug bestätigt. Seine Anwälte haben Sicherheitsbedenken, sollte er die Abmachung mit Putin brechen. Man konnte das u.a. in der ZEIT nachlesen.
Altmaier redet – und ich höre ihm entgeistert zu…
Aber es ging noch weiter:
Ob Snowden abgeschoben würde oder nicht weiß man nicht, auch nicht, ob ein Asylverfahren überhaupt Erfolg hätte, denn die Justiz in Deutschland entscheidet das und die ist unabhängig.
Mit meinen Worten formuliert, sagte Altmaier also „Kann man machen nix“ – als Bundesregierung. Aber auch das ist falsch. Denn es gibt zwei aktuelle Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, die aufzeigen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Edward Snowden einen sicheren Aufenthalt in Deutschland zu gewähren. Das Asylrecht ist eine davon, aber nicht die einzige. Es gibt Spielräume, die die Bundesregierung komplett unabhängig von einem Asylverfahren hat, das ja in der Tat durch unabhängige Gerichte abzuwickeln wäre (zum Glück, möchte man in diesem Fall hinzufügen). Die Bundesregierung kann ihm aus politischem Eigeninteresse und humanitären Gründen sofort und jederzeit ein Aufenthaltsrecht in Deutschland anbieten – wenn sie das will. Sie will allerdings nicht. Das ist nach den Aussagen von Altmaier mehr als deutlich geworden.
Auch Ex-Botschafter Kornblum und Kohls Ex-Sicherheitsberater Teltschik haben jede Menge Erschütterndes von sich gegeben. Ich kann mir das jetzt aber nicht auch noch antun, deren Aussagen auseinander zu nehmen. Nur eins vielleicht sei kurz erwähnt: Kornblum meint allen Ernstes, Snowden solle wie Martin Luther King doch für seine Überzeugungen ins Gefängnis gehen. Das wäre mal was Anständiges. Ja klar. Genauso anständig, wie es zu Zeiten von MLK war, ihn für seine Überzeugungen mehrfach in den Knast zu schicken. W.T.F.
UPDATE – 26.07.2014: Ich habe ein Storify mit Tweets zur Sendung erstellt, thematisch sortiert nach Schwerpunkten der Debatte. Die Sympathien schienen nach den ca. 1000 Tweets zum Hashtag #illner oder #maybritillner zur Sendung, aus denen die storify Auswahl erfolgte, jedoch recht einseitig zu ungunsten der Regierung und USA Repräsentanten verteilt. Die Lektüre ist recht lustig und gibt einen lesbaren Eindruck von der Talkshow, auch ohne sie zu sehen.